Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

jeder Arzt sollte angelegen seyn lassen, nebst der all-
gemeinen Kraft eines Mittels, auch desselben besondere,
eigne, spezifische, wodurch es sich von seines Glei-
chen auszeichnet, kennen zu lernen.

§. 119.
Von den zusammengesetzten Arzneien und Heil-
arten.

Man gibt jetzt so ziemlich allgemein den ein-
fachsten Arzneien und Heilarten den Vorzug. Vor-
ausgesetzt, daß wir eine bestimmte und nur einfache
Heilanzeige vor uns haben, und daß wir die Wir-
kung und Zulänglichkeit eines einfachen Mittels voll-
kommen kennen; so ist gewiß das einfachste Heilverfah-
ren jederzeit auch das vernünftigste. Je vertrauter da-
her ein Arzt mit der Heilmittellehre und mit der Na-
tur der Krankheiten ist, desto weniger Mittel und
Anzeigen wird er unter einander werfen. Allermeist
kömmt es ohnehin nur auf eine allgemeine Leitung an,
weil die Wirksamkeit der Natur das eigentliche Ue-
bel selbst besieget.

Indessen kann man dennoch hierin zu weit ge-
hen, und geht gewiß im Lehrvortrage sehr oft wei-
ter, als man in der Ausübung bestehen kann. Die
Natur hat selbst alles vielfältig zusammen gesetzt,
und was sie uns unter der einfachsten Gestalt dar-
bietet, ist nicht selten eine Verbindung der entgegen-
gesetztesten Kräfte. So setzen auch wir Säuren und
Laugensalzen etc. zusammen, und erhalten einzelne Er-
zeugniße, welche durchaus von der Natur und Wir-

kung

jeder Arzt ſollte angelegen ſeyn laſſen, nebſt der all-
gemeinen Kraft eines Mittels, auch deſſelben beſondere,
eigne, ſpezifiſche, wodurch es ſich von ſeines Glei-
chen auszeichnet, kennen zu lernen.

§. 119.
Von den zuſammengeſetzten Arzneien und Heil-
arten.

Man gibt jetzt ſo ziemlich allgemein den ein-
fachſten Arzneien und Heilarten den Vorzug. Vor-
ausgeſetzt, daß wir eine beſtimmte und nur einfache
Heilanzeige vor uns haben, und daß wir die Wir-
kung und Zulaͤnglichkeit eines einfachen Mittels voll-
kommen kennen; ſo iſt gewiß das einfachſte Heilverfah-
ren jederzeit auch das vernuͤnftigſte. Je vertrauter da-
her ein Arzt mit der Heilmittellehre und mit der Na-
tur der Krankheiten iſt, deſto weniger Mittel und
Anzeigen wird er unter einander werfen. Allermeiſt
koͤmmt es ohnehin nur auf eine allgemeine Leitung an,
weil die Wirkſamkeit der Natur das eigentliche Ue-
bel ſelbſt beſieget.

Indeſſen kann man dennoch hierin zu weit ge-
hen, und geht gewiß im Lehrvortrage ſehr oft wei-
ter, als man in der Ausuͤbung beſtehen kann. Die
Natur hat ſelbſt alles vielfaͤltig zuſammen geſetzt,
und was ſie uns unter der einfachſten Geſtalt dar-
bietet, iſt nicht ſelten eine Verbindung der entgegen-
geſetzteſten Kraͤfte. So ſetzen auch wir Saͤuren und
Laugenſalzen ꝛc. zuſammen, und erhalten einzelne Er-
zeugniße, welche durchaus von der Natur und Wir-

kung
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0716" n="697"/>
jeder Arzt &#x017F;ollte angelegen &#x017F;eyn la&#x017F;&#x017F;en, neb&#x017F;t der all-<lb/>
gemeinen Kraft eines Mittels, auch de&#x017F;&#x017F;elben be&#x017F;ondere,<lb/>
eigne, &#x017F;pezifi&#x017F;che, wodurch es &#x017F;ich von &#x017F;eines Glei-<lb/>
chen auszeichnet, kennen zu lernen.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 119.<lb/><hi rendition="#b">Von den zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzten Arzneien und Heil-<lb/>
arten.</hi></head><lb/>
            <p>Man gibt jetzt &#x017F;o ziemlich allgemein den ein-<lb/>
fach&#x017F;ten Arzneien und Heilarten den Vorzug. Vor-<lb/>
ausge&#x017F;etzt, daß wir eine be&#x017F;timmte und nur einfache<lb/>
Heilanzeige vor uns haben, und daß wir die Wir-<lb/>
kung und Zula&#x0364;nglichkeit eines einfachen Mittels voll-<lb/>
kommen kennen; &#x017F;o i&#x017F;t gewiß das einfach&#x017F;te Heilverfah-<lb/>
ren jederzeit auch das vernu&#x0364;nftig&#x017F;te. Je vertrauter da-<lb/>
her ein Arzt mit der Heilmittellehre und mit der Na-<lb/>
tur der Krankheiten i&#x017F;t, de&#x017F;to weniger Mittel und<lb/>
Anzeigen wird er unter einander werfen. Allermei&#x017F;t<lb/>
ko&#x0364;mmt es ohnehin nur auf eine allgemeine Leitung an,<lb/>
weil die Wirk&#x017F;amkeit der Natur das eigentliche Ue-<lb/>
bel &#x017F;elb&#x017F;t be&#x017F;ieget.</p><lb/>
            <p>Inde&#x017F;&#x017F;en kann man dennoch hierin zu weit ge-<lb/>
hen, und geht gewiß im Lehrvortrage &#x017F;ehr oft wei-<lb/>
ter, als man in der Ausu&#x0364;bung be&#x017F;tehen kann. Die<lb/>
Natur hat &#x017F;elb&#x017F;t alles vielfa&#x0364;ltig zu&#x017F;ammen ge&#x017F;etzt,<lb/>
und was &#x017F;ie uns unter der einfach&#x017F;ten Ge&#x017F;talt dar-<lb/>
bietet, i&#x017F;t nicht &#x017F;elten eine Verbindung der entgegen-<lb/>
ge&#x017F;etzte&#x017F;ten Kra&#x0364;fte. So &#x017F;etzen auch wir Sa&#x0364;uren und<lb/>
Laugen&#x017F;alzen &#xA75B;c. zu&#x017F;ammen, und erhalten einzelne Er-<lb/>
zeugniße, welche durchaus von der Natur und Wir-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">kung</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[697/0716] jeder Arzt ſollte angelegen ſeyn laſſen, nebſt der all- gemeinen Kraft eines Mittels, auch deſſelben beſondere, eigne, ſpezifiſche, wodurch es ſich von ſeines Glei- chen auszeichnet, kennen zu lernen. §. 119. Von den zuſammengeſetzten Arzneien und Heil- arten. Man gibt jetzt ſo ziemlich allgemein den ein- fachſten Arzneien und Heilarten den Vorzug. Vor- ausgeſetzt, daß wir eine beſtimmte und nur einfache Heilanzeige vor uns haben, und daß wir die Wir- kung und Zulaͤnglichkeit eines einfachen Mittels voll- kommen kennen; ſo iſt gewiß das einfachſte Heilverfah- ren jederzeit auch das vernuͤnftigſte. Je vertrauter da- her ein Arzt mit der Heilmittellehre und mit der Na- tur der Krankheiten iſt, deſto weniger Mittel und Anzeigen wird er unter einander werfen. Allermeiſt koͤmmt es ohnehin nur auf eine allgemeine Leitung an, weil die Wirkſamkeit der Natur das eigentliche Ue- bel ſelbſt beſieget. Indeſſen kann man dennoch hierin zu weit ge- hen, und geht gewiß im Lehrvortrage ſehr oft wei- ter, als man in der Ausuͤbung beſtehen kann. Die Natur hat ſelbſt alles vielfaͤltig zuſammen geſetzt, und was ſie uns unter der einfachſten Geſtalt dar- bietet, iſt nicht ſelten eine Verbindung der entgegen- geſetzteſten Kraͤfte. So ſetzen auch wir Saͤuren und Laugenſalzen ꝛc. zuſammen, und erhalten einzelne Er- zeugniße, welche durchaus von der Natur und Wir- kung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Der erste Band von Franz Joseph Galls "Philosophi… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/716
Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 697. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/716>, abgerufen am 21.11.2024.