Dritter Erfahrungssatz. Das dritte Erforderniß zur Wirksamkeit der Natur ist verhältnißmäßige Reitzbarkeit. §. 87.
Was Reitzbarkeit seye; in wie fern sie einen gewis- sen Grad von Wärme und Geschmeidigkeit fodere; wie sie von der Lebenskraft abhänge, und als die letzte sichtbare Wirkung derselben zuletzt vom Leben übrig bleibe, ist theils im ersten Kapitel gesagt worden, theils zu meinem Zwecke nicht näher zu bestimmen nö- thig, weil ich nur einige Bemerkungen über die ver- minderte und vermehrte Reitzbarkeit in praktischer Rück- sicht machen werde.
Jedem Himmelsstriche, jeder Jahrszeit, jedem Temperamente, Alter und Geschlechte, jeder Krank- heit, und einer jeden ihrer Stufen und Zeitpunkte ist ein gewisser Grad von Reitzbarkeit des ganzen Kör- pers, oder einiger seiner Theile eigen, bey welchen die erforderlichen Verrichtungen am besten von statten gehen. Was über oder unter diesem Grade ist, hemmt, verzögert, stöhrt, oder beschleunigt dieselben. Er hängt aber so genau mit der Leibesbeschaffenheit und den Kräften zusammen, daß in Hinsicht der Em- pfänglichkeit für Krankheiten, und der verschiedenen Gestalten derselben ein ganz gleiches Verhältniß statt hat.
Es kömmt also wieder alles darauf an, daß der Arzt die dem Wohnorte, der Jahrszeit, dem
Al-
Dritter Erfahrungsſatz. Das dritte Erforderniß zur Wirkſamkeit der Natur iſt verhaͤltnißmaͤßige Reitzbarkeit. §. 87.
Was Reitzbarkeit ſeye; in wie fern ſie einen gewiſ- ſen Grad von Waͤrme und Geſchmeidigkeit fodere; wie ſie von der Lebenskraft abhaͤnge, und als die letzte ſichtbare Wirkung derſelben zuletzt vom Leben uͤbrig bleibe, iſt theils im erſten Kapitel geſagt worden, theils zu meinem Zwecke nicht naͤher zu beſtimmen noͤ- thig, weil ich nur einige Bemerkungen uͤber die ver- minderte und vermehrte Reitzbarkeit in praktiſcher Ruͤck- ſicht machen werde.
Jedem Himmelsſtriche, jeder Jahrszeit, jedem Temperamente, Alter und Geſchlechte, jeder Krank- heit, und einer jeden ihrer Stufen und Zeitpunkte iſt ein gewiſſer Grad von Reitzbarkeit des ganzen Koͤr- pers, oder einiger ſeiner Theile eigen, bey welchen die erforderlichen Verrichtungen am beſten von ſtatten gehen. Was uͤber oder unter dieſem Grade iſt, hemmt, verzoͤgert, ſtoͤhrt, oder beſchleunigt dieſelben. Er haͤngt aber ſo genau mit der Leibesbeſchaffenheit und den Kraͤften zuſammen, daß in Hinſicht der Em- pfaͤnglichkeit fuͤr Krankheiten, und der verſchiedenen Geſtalten derſelben ein ganz gleiches Verhaͤltniß ſtatt hat.
Es koͤmmt alſo wieder alles darauf an, daß der Arzt die dem Wohnorte, der Jahrszeit, dem
Al-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0552"n="533"/><divn="3"><head><hirendition="#b"><hirendition="#g">Dritter Erfahrungsſatz</hi>.<lb/>
Das dritte Erforderniß zur Wirkſamkeit der<lb/>
Natur iſt verhaͤltnißmaͤßige Reitzbarkeit.</hi><lb/>
§. 87.</head><lb/><p><hirendition="#in">W</hi>as Reitzbarkeit ſeye; in wie fern ſie einen gewiſ-<lb/>ſen Grad von Waͤrme und Geſchmeidigkeit fodere;<lb/>
wie ſie von der Lebenskraft abhaͤnge, und als die letzte<lb/>ſichtbare Wirkung derſelben zuletzt vom Leben uͤbrig<lb/>
bleibe, iſt theils im erſten Kapitel geſagt worden,<lb/>
theils zu meinem Zwecke nicht naͤher zu beſtimmen noͤ-<lb/>
thig, weil ich nur einige Bemerkungen uͤber die ver-<lb/>
minderte und vermehrte Reitzbarkeit in praktiſcher Ruͤck-<lb/>ſicht machen werde.</p><lb/><p>Jedem Himmelsſtriche, jeder Jahrszeit, jedem<lb/>
Temperamente, Alter und Geſchlechte, jeder Krank-<lb/>
heit, und einer jeden ihrer Stufen und Zeitpunkte iſt<lb/>
ein gewiſſer Grad von Reitzbarkeit des ganzen Koͤr-<lb/>
pers, oder einiger ſeiner Theile eigen, bey welchen<lb/>
die erforderlichen Verrichtungen am beſten von ſtatten<lb/>
gehen. Was uͤber oder unter dieſem Grade iſt,<lb/>
hemmt, verzoͤgert, ſtoͤhrt, oder beſchleunigt dieſelben.<lb/>
Er haͤngt aber ſo genau mit der Leibesbeſchaffenheit<lb/>
und den Kraͤften zuſammen, daß in Hinſicht der Em-<lb/>
pfaͤnglichkeit fuͤr Krankheiten, und der verſchiedenen<lb/>
Geſtalten derſelben ein ganz gleiches Verhaͤltniß ſtatt<lb/>
hat.</p><lb/><p>Es koͤmmt alſo wieder alles darauf an, daß<lb/>
der Arzt die dem Wohnorte, der Jahrszeit, dem<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Al-</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[533/0552]
Dritter Erfahrungsſatz.
Das dritte Erforderniß zur Wirkſamkeit der
Natur iſt verhaͤltnißmaͤßige Reitzbarkeit.
§. 87.
Was Reitzbarkeit ſeye; in wie fern ſie einen gewiſ-
ſen Grad von Waͤrme und Geſchmeidigkeit fodere;
wie ſie von der Lebenskraft abhaͤnge, und als die letzte
ſichtbare Wirkung derſelben zuletzt vom Leben uͤbrig
bleibe, iſt theils im erſten Kapitel geſagt worden,
theils zu meinem Zwecke nicht naͤher zu beſtimmen noͤ-
thig, weil ich nur einige Bemerkungen uͤber die ver-
minderte und vermehrte Reitzbarkeit in praktiſcher Ruͤck-
ſicht machen werde.
Jedem Himmelsſtriche, jeder Jahrszeit, jedem
Temperamente, Alter und Geſchlechte, jeder Krank-
heit, und einer jeden ihrer Stufen und Zeitpunkte iſt
ein gewiſſer Grad von Reitzbarkeit des ganzen Koͤr-
pers, oder einiger ſeiner Theile eigen, bey welchen
die erforderlichen Verrichtungen am beſten von ſtatten
gehen. Was uͤber oder unter dieſem Grade iſt,
hemmt, verzoͤgert, ſtoͤhrt, oder beſchleunigt dieſelben.
Er haͤngt aber ſo genau mit der Leibesbeſchaffenheit
und den Kraͤften zuſammen, daß in Hinſicht der Em-
pfaͤnglichkeit fuͤr Krankheiten, und der verſchiedenen
Geſtalten derſelben ein ganz gleiches Verhaͤltniß ſtatt
hat.
Es koͤmmt alſo wieder alles darauf an, daß
der Arzt die dem Wohnorte, der Jahrszeit, dem
Al-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 533. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/552>, abgerufen am 30.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.