innere Mund heiß; der Geifer triefete häufig, und schäumte. Man überließ alles der Natur. Nach un- gefähr acht Stunden fieng er an, Kälte und Bläße gählings mit Hitze und Röthe zu wechseln, und wur- de unvermögend den Kopf aufrecht zu halten. End- lich blieb er blaß und kalt; athmete schwer, langsam, kraftlos und roßelte so heftig, daß man das Schwap- pern einer ergossenen Feuchtigkeit deutlich hörte, und auswärts an den Rippen fühlte; der Puls war unzählbar geschwind und so klein, daß man ihn kaum fühlen konn- te; die Augen waren verkehrt und gebrochen, der Mund und der Athem kalt; der Geifer floß nicht mehr; die Nasenflügel bewegten sich, und das Gesicht sah jenem eines Sterbenden vollkommen gleich: Alles am Körper war kalt und hieng unbeweglich da. Ich ließ ihm an die Schläfe Igel setzen, was der Wund- arzt, da er den Knaben für sterbend hielt, nimmer thun wollte; während, daß diese sogen, kehrten Wär- me, Bewußtseyn, Kraft und Gesundheit zurück.
§. 72.
Eine andere Art von Vollblütigkeit entstehet, wenn die Gefäße zu klein werden, und dennoch die Menge des Blutes nicht verhältnißmäßig vermindert wird. (Plethora ad Spatium) Dieses geschieht in der Furcht, im Schrecken, bey einigen im heftigen Zorn, im Fieberfrost, durch große oder plötzliche Kälte, durch Krämpfe u. s. w. Die durch diese Ursachen er- regte Mattigkeit, Schläfrigkeit, Schlafsucht, Ent- kräftung u. s. w. sind ebenfalls nichts als Unterdrü-
ckung
innere Mund heiß; der Geifer triefete haͤufig, und ſchaͤumte. Man uͤberließ alles der Natur. Nach un- gefaͤhr acht Stunden fieng er an, Kaͤlte und Blaͤße gaͤhlings mit Hitze und Roͤthe zu wechſeln, und wur- de unvermoͤgend den Kopf aufrecht zu halten. End- lich blieb er blaß und kalt; athmete ſchwer, langſam, kraftlos und roßelte ſo heftig, daß man das Schwap- pern einer ergoſſenen Feuchtigkeit deutlich hoͤrte, und auswaͤrts an den Rippen fuͤhlte; der Puls war unzaͤhlbar geſchwind und ſo klein, daß man ihn kaum fuͤhlen konn- te; die Augen waren verkehrt und gebrochen, der Mund und der Athem kalt; der Geifer floß nicht mehr; die Naſenfluͤgel bewegten ſich, und das Geſicht ſah jenem eines Sterbenden vollkommen gleich: Alles am Koͤrper war kalt und hieng unbeweglich da. Ich ließ ihm an die Schlaͤfe Igel ſetzen, was der Wund- arzt, da er den Knaben fuͤr ſterbend hielt, nimmer thun wollte; waͤhrend, daß dieſe ſogen, kehrten Waͤr- me, Bewußtſeyn, Kraft und Geſundheit zuruͤck.
§. 72.
Eine andere Art von Vollbluͤtigkeit entſtehet, wenn die Gefaͤße zu klein werden, und dennoch die Menge des Blutes nicht verhaͤltnißmaͤßig vermindert wird. (Plethora ad Spatium) Dieſes geſchieht in der Furcht, im Schrecken, bey einigen im heftigen Zorn, im Fieberfroſt, durch große oder ploͤtzliche Kaͤlte, durch Kraͤmpfe u. ſ. w. Die durch dieſe Urſachen er- regte Mattigkeit, Schlaͤfrigkeit, Schlafſucht, Ent- kraͤftung u. ſ. w. ſind ebenfalls nichts als Unterdruͤ-
ckung
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0497"n="478"/>
innere Mund heiß; der Geifer triefete haͤufig, und<lb/>ſchaͤumte. Man uͤberließ alles der Natur. Nach un-<lb/>
gefaͤhr acht Stunden fieng er an, Kaͤlte und Blaͤße<lb/>
gaͤhlings mit Hitze und Roͤthe zu wechſeln, und wur-<lb/>
de unvermoͤgend den Kopf aufrecht zu halten. End-<lb/>
lich blieb er blaß und kalt; athmete ſchwer, langſam,<lb/>
kraftlos und roßelte ſo heftig, daß man das Schwap-<lb/>
pern einer ergoſſenen Feuchtigkeit deutlich hoͤrte, und<lb/>
auswaͤrts an den Rippen fuͤhlte; der Puls war unzaͤhlbar<lb/>
geſchwind und ſo klein, daß man ihn kaum fuͤhlen konn-<lb/>
te; die Augen waren verkehrt und gebrochen, der<lb/>
Mund und der Athem kalt; der Geifer floß nicht<lb/>
mehr; die Naſenfluͤgel bewegten ſich, und das Geſicht<lb/>ſah jenem eines Sterbenden vollkommen gleich: Alles<lb/>
am Koͤrper war kalt und hieng unbeweglich da. Ich<lb/>
ließ ihm an die Schlaͤfe Igel ſetzen, was der Wund-<lb/>
arzt, da er den Knaben fuͤr ſterbend hielt, nimmer<lb/>
thun wollte; waͤhrend, daß dieſe ſogen, kehrten Waͤr-<lb/>
me, Bewußtſeyn, Kraft und Geſundheit zuruͤck.</p></div><lb/><divn="4"><head>§. 72.</head><lb/><p>Eine andere Art von Vollbluͤtigkeit entſtehet,<lb/>
wenn die Gefaͤße zu klein werden, und dennoch die<lb/>
Menge des Blutes nicht verhaͤltnißmaͤßig vermindert<lb/>
wird. (<hirendition="#aq">Plethora ad Spatium</hi>) Dieſes geſchieht in der<lb/>
Furcht, im Schrecken, bey einigen im heftigen Zorn,<lb/>
im Fieberfroſt, durch große oder ploͤtzliche Kaͤlte,<lb/>
durch Kraͤmpfe u. ſ. w. Die durch dieſe Urſachen er-<lb/>
regte Mattigkeit, Schlaͤfrigkeit, Schlafſucht, Ent-<lb/>
kraͤftung u. ſ. w. ſind ebenfalls nichts als Unterdruͤ-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ckung</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[478/0497]
innere Mund heiß; der Geifer triefete haͤufig, und
ſchaͤumte. Man uͤberließ alles der Natur. Nach un-
gefaͤhr acht Stunden fieng er an, Kaͤlte und Blaͤße
gaͤhlings mit Hitze und Roͤthe zu wechſeln, und wur-
de unvermoͤgend den Kopf aufrecht zu halten. End-
lich blieb er blaß und kalt; athmete ſchwer, langſam,
kraftlos und roßelte ſo heftig, daß man das Schwap-
pern einer ergoſſenen Feuchtigkeit deutlich hoͤrte, und
auswaͤrts an den Rippen fuͤhlte; der Puls war unzaͤhlbar
geſchwind und ſo klein, daß man ihn kaum fuͤhlen konn-
te; die Augen waren verkehrt und gebrochen, der
Mund und der Athem kalt; der Geifer floß nicht
mehr; die Naſenfluͤgel bewegten ſich, und das Geſicht
ſah jenem eines Sterbenden vollkommen gleich: Alles
am Koͤrper war kalt und hieng unbeweglich da. Ich
ließ ihm an die Schlaͤfe Igel ſetzen, was der Wund-
arzt, da er den Knaben fuͤr ſterbend hielt, nimmer
thun wollte; waͤhrend, daß dieſe ſogen, kehrten Waͤr-
me, Bewußtſeyn, Kraft und Geſundheit zuruͤck.
§. 72.
Eine andere Art von Vollbluͤtigkeit entſtehet,
wenn die Gefaͤße zu klein werden, und dennoch die
Menge des Blutes nicht verhaͤltnißmaͤßig vermindert
wird. (Plethora ad Spatium) Dieſes geſchieht in der
Furcht, im Schrecken, bey einigen im heftigen Zorn,
im Fieberfroſt, durch große oder ploͤtzliche Kaͤlte,
durch Kraͤmpfe u. ſ. w. Die durch dieſe Urſachen er-
regte Mattigkeit, Schlaͤfrigkeit, Schlafſucht, Ent-
kraͤftung u. ſ. w. ſind ebenfalls nichts als Unterdruͤ-
ckung
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 478. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/497>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.