Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

werden wahrscheinlich einen weit bestimmtern, prak-
tischern Nutzen haben.

§. 58.

Die Besonderheiten, welche dem Alter, dem
Geschlechte, dem Temperamente und der Gewohnheit
eigen sind, ausgenommen, kann man annehmen,
daß einer jeden Gattung von Krankheit ein gewisses,
eignes Ziel von Kraftlosigkeit gesetzt seye, welches
gewöhnlich vor dem Tode hergeht, und wobey ent-
weder alles Bestreben der Natur allein, oder auch
alle Bemühungen der Kunst fruchtlos bleiben. Wenn
man also von diesem, der gegenwärtigen Krankheit
eignen Verfall der Kräfte, als der in diesem Falle
höchst möglichen Stufe der Entkräftung ausgienge --
und wieder bis zu jenem Grad, welcher zur erforder-
lichen Wirksamkeit der Natur, zur Wirkung der Heil-
mittel, zur Zertheilung, Verähnlichung, Kochung
und Ausleerung des Krankheitsstoffes nöthig ist;
wodurch endlich die verhältnißmäßige Gesundheit wie-
der vollkommen hergestellt wird, aufwärts schritte;
so glaube ich, hätte man gewisse Standpunkte, um
das Uebermaaß, und den Mangel der Kräfte anzu-
geben. Je mehr der erforderliche Grad überstiegen
würde, desto übermäßiger wären sie, und desto mehr
Recht hätte der Arzt, sie zu vermindern; je mehr sie
hingegen unter denselben herabgesunken wären, desto
mangelhafter wären sie, und der Arzt würde desto
mehr zur werkthätigen Unterstützung aufgefodert. Den
gehörigen Standpunkt aber würde er auf keine Weise

zu

werden wahrſcheinlich einen weit beſtimmtern, prak-
tiſchern Nutzen haben.

§. 58.

Die Beſonderheiten, welche dem Alter, dem
Geſchlechte, dem Temperamente und der Gewohnheit
eigen ſind, ausgenommen, kann man annehmen,
daß einer jeden Gattung von Krankheit ein gewiſſes,
eignes Ziel von Kraftloſigkeit geſetzt ſeye, welches
gewoͤhnlich vor dem Tode hergeht, und wobey ent-
weder alles Beſtreben der Natur allein, oder auch
alle Bemuͤhungen der Kunſt fruchtlos bleiben. Wenn
man alſo von dieſem, der gegenwaͤrtigen Krankheit
eignen Verfall der Kraͤfte, als der in dieſem Falle
hoͤchſt moͤglichen Stufe der Entkraͤftung ausgienge —
und wieder bis zu jenem Grad, welcher zur erforder-
lichen Wirkſamkeit der Natur, zur Wirkung der Heil-
mittel, zur Zertheilung, Veraͤhnlichung, Kochung
und Ausleerung des Krankheitsſtoffes noͤthig iſt;
wodurch endlich die verhaͤltnißmaͤßige Geſundheit wie-
der vollkommen hergeſtellt wird, aufwaͤrts ſchritte;
ſo glaube ich, haͤtte man gewiſſe Standpunkte, um
das Uebermaaß, und den Mangel der Kraͤfte anzu-
geben. Je mehr der erforderliche Grad uͤberſtiegen
wuͤrde, deſto uͤbermaͤßiger waͤren ſie, und deſto mehr
Recht haͤtte der Arzt, ſie zu vermindern; je mehr ſie
hingegen unter denſelben herabgeſunken waͤren, deſto
mangelhafter waͤren ſie, und der Arzt wuͤrde deſto
mehr zur werkthaͤtigen Unterſtuͤtzung aufgefodert. Den
gehoͤrigen Standpunkt aber wuͤrde er auf keine Weiſe

zu
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0451" n="432"/>
werden wahr&#x017F;cheinlich einen weit be&#x017F;timmtern, prak-<lb/>
ti&#x017F;chern Nutzen haben.</p><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 58.</head><lb/>
              <p>Die Be&#x017F;onderheiten, welche dem Alter, dem<lb/>
Ge&#x017F;chlechte, dem Temperamente und der Gewohnheit<lb/>
eigen &#x017F;ind, ausgenommen, kann man annehmen,<lb/>
daß einer jeden Gattung von Krankheit ein gewi&#x017F;&#x017F;es,<lb/>
eignes Ziel von Kraftlo&#x017F;igkeit ge&#x017F;etzt &#x017F;eye, welches<lb/>
gewo&#x0364;hnlich vor dem Tode hergeht, und wobey ent-<lb/>
weder alles Be&#x017F;treben der Natur allein, oder auch<lb/>
alle Bemu&#x0364;hungen der Kun&#x017F;t fruchtlos bleiben. Wenn<lb/>
man al&#x017F;o von die&#x017F;em, der gegenwa&#x0364;rtigen Krankheit<lb/>
eignen Verfall der Kra&#x0364;fte, als der in die&#x017F;em Falle<lb/>
ho&#x0364;ch&#x017F;t mo&#x0364;glichen Stufe der Entkra&#x0364;ftung ausgienge &#x2014;<lb/>
und wieder bis zu jenem Grad, welcher zur erforder-<lb/>
lichen Wirk&#x017F;amkeit der Natur, zur Wirkung der Heil-<lb/>
mittel, zur Zertheilung, Vera&#x0364;hnlichung, Kochung<lb/>
und Ausleerung des Krankheits&#x017F;toffes no&#x0364;thig i&#x017F;t;<lb/>
wodurch endlich die verha&#x0364;ltnißma&#x0364;ßige Ge&#x017F;undheit wie-<lb/>
der vollkommen herge&#x017F;tellt wird, aufwa&#x0364;rts &#x017F;chritte;<lb/>
&#x017F;o glaube ich, ha&#x0364;tte man gewi&#x017F;&#x017F;e Standpunkte, um<lb/>
das Uebermaaß, und den Mangel der Kra&#x0364;fte anzu-<lb/>
geben. Je mehr der erforderliche Grad u&#x0364;ber&#x017F;tiegen<lb/>
wu&#x0364;rde, de&#x017F;to u&#x0364;berma&#x0364;ßiger wa&#x0364;ren &#x017F;ie, und de&#x017F;to mehr<lb/>
Recht ha&#x0364;tte der Arzt, &#x017F;ie zu vermindern; je mehr &#x017F;ie<lb/>
hingegen unter den&#x017F;elben herabge&#x017F;unken wa&#x0364;ren, de&#x017F;to<lb/>
mangelhafter wa&#x0364;ren &#x017F;ie, und der Arzt wu&#x0364;rde de&#x017F;to<lb/>
mehr zur werktha&#x0364;tigen Unter&#x017F;tu&#x0364;tzung aufgefodert. Den<lb/>
geho&#x0364;rigen Standpunkt aber wu&#x0364;rde er auf keine Wei&#x017F;e<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">zu</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[432/0451] werden wahrſcheinlich einen weit beſtimmtern, prak- tiſchern Nutzen haben. §. 58. Die Beſonderheiten, welche dem Alter, dem Geſchlechte, dem Temperamente und der Gewohnheit eigen ſind, ausgenommen, kann man annehmen, daß einer jeden Gattung von Krankheit ein gewiſſes, eignes Ziel von Kraftloſigkeit geſetzt ſeye, welches gewoͤhnlich vor dem Tode hergeht, und wobey ent- weder alles Beſtreben der Natur allein, oder auch alle Bemuͤhungen der Kunſt fruchtlos bleiben. Wenn man alſo von dieſem, der gegenwaͤrtigen Krankheit eignen Verfall der Kraͤfte, als der in dieſem Falle hoͤchſt moͤglichen Stufe der Entkraͤftung ausgienge — und wieder bis zu jenem Grad, welcher zur erforder- lichen Wirkſamkeit der Natur, zur Wirkung der Heil- mittel, zur Zertheilung, Veraͤhnlichung, Kochung und Ausleerung des Krankheitsſtoffes noͤthig iſt; wodurch endlich die verhaͤltnißmaͤßige Geſundheit wie- der vollkommen hergeſtellt wird, aufwaͤrts ſchritte; ſo glaube ich, haͤtte man gewiſſe Standpunkte, um das Uebermaaß, und den Mangel der Kraͤfte anzu- geben. Je mehr der erforderliche Grad uͤberſtiegen wuͤrde, deſto uͤbermaͤßiger waͤren ſie, und deſto mehr Recht haͤtte der Arzt, ſie zu vermindern; je mehr ſie hingegen unter denſelben herabgeſunken waͤren, deſto mangelhafter waͤren ſie, und der Arzt wuͤrde deſto mehr zur werkthaͤtigen Unterſtuͤtzung aufgefodert. Den gehoͤrigen Standpunkt aber wuͤrde er auf keine Weiſe zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Der erste Band von Franz Joseph Galls "Philosophi… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/451
Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 432. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/451>, abgerufen am 30.12.2024.