Gabelentz, Georg von der: Die ostasiatischen Studien und die Sprachwissenschaft. In: Unsere Zeit, Jg. 1881, Bd. 1, S. 279-291.Die ostasiatischen Studien und die Sprach¬ wissenschaft. Von Der Begriff der Orientalistik hat sich bekanntlich in unserm Jahrhundert stetig In der That bedurfte es hierzu einer mächtigen Anregung, und diese verdanken Dazu nun kam ein zweites. Im Jahre 1799 hatte Gyarmathi einen Theil *) Bearbeitung der vom Verfasser in der Aula der Universität zu Leipzig am 28. Juni
1879 gehaltenen Antrittsvorlesung. Die oſtaſiatiſchen Studien und die Sprach¬ wiſſenſchaft. Von Der Begriff der Orientaliſtik hat ſich bekanntlich in unſerm Jahrhundert ſtetig In der That bedurfte es hierzu einer mächtigen Anregung, und dieſe verdanken Dazu nun kam ein zweites. Im Jahre 1799 hatte Gyarmathi einen Theil *) Bearbeitung der vom Verfaſſer in der Aula der Univerſität zu Leipzig am 28. Juni
1879 gehaltenen Antrittsvorleſung. <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0008"/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">Die oſtaſiatiſchen Studien und die Sprach¬<lb/> wiſſenſchaft.</hi><lb/> </head> <p rendition="#c">Von<lb/> Georg von der Gabelentz. <note place="foot" n="*)">Bearbeitung der vom Verfaſſer in der Aula der Univerſität zu Leipzig am 28. Juni<lb/> 1879 gehaltenen Antrittsvorleſung.<lb/></note></p><lb/> <p>Der Begriff der Orientaliſtik hat ſich bekanntlich in unſerm Jahrhundert ſtetig<lb/> um ein ſehr Bedeutendes erweitert. Noch zu unſerer Großväter Zeiten waren die<lb/> morgenländiſchen Studien kaum mehr als ein Nebenfach der Theologie; die Sprache<lb/> des Alten Teſtaments bildete ſozuſagen den Kernpunkt; andere ſemitiſche Sprachen:<lb/> Syriſch, Chaldäiſch, Samaritaniſch, Arabiſch und etwa noch Aethiopiſch, ſchloſſen<lb/> ſich in zweiter und dritter Reihe an, und da uns einmal das mohammedaniſche<lb/> Culturleben näher gerückt war, ſo wurden wol auch gelegentlich Türkiſch und<lb/> Perſiſch mit in den Bereich jener Studien gezogen, und einzelne verſtiegen ſich<lb/> bis ins Armeniſche und Koptiſche: ſie blieben aber eben vereinzelt. Chriſtliche<lb/> Sendboten, zumal die raſtlos fleißigen Jeſuiten, hatten ſchon längſt eine fremde<lb/> Sprache nach der andern grammatiſch und lexikaliſch bearbeitet, Reiſende hatten<lb/> aufgezeichnet, was ſie in fernen Landen am Wege aufgeleſen: an Stoff zum<lb/> Sammeln hätte es nicht gefehlt, aber es fehlte an wiſſenſchaftlichen Sammlern.<lb/> Wohl entſtanden polyglottiſche Sammelwerke — man weiß, welchen Antheil Leib¬<lb/> niz' allbefruchtender Geiſt hierbei hatte —, allein noch ähnelten ſie einigermaßen<lb/> den Raritätencabinets in alten Schlöſſern: unſerm Jahrhundert blieb es vor¬<lb/> behalten, ſie in Muſeen zu verwandeln.</p><lb/> <p>In der That bedurfte es hierzu einer mächtigen Anregung, und dieſe verdanken<lb/> wir einem glücklichen Zuſammentreffen. Die Philoſophie des vorigen Jahrhunderts<lb/> hatte auch die menſchliche Sprache in das Bereich ihrer Speculationen gezogen.<lb/> Ihr Treiben mochte ein ſehr voreiliges ſein, aber ein anregendes war es ganz<lb/> gewiß. Was zeither nur für die Neugier den Reiz des Abſonderlichen gehabt,<lb/> das lernte man nun mit ganz andern Augen betrachten: es war ein gewaltiger<lb/> Fortſchritt von dem „Vocabular“ Katharina's <hi rendition="#aq">II</hi>. bis zu Adelung's „Mithridates!“</p><lb/> <p>Dazu nun kam ein zweites. Im Jahre 1799 hatte Gyarmathi einen Theil<lb/> der Sprachen finniſchen (ugriſchen) Stammes auf ihre Verwandtſchaft hin gramma¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0008]
Die oſtaſiatiſchen Studien und die Sprach¬
wiſſenſchaft.
Von
Georg von der Gabelentz. *)
Der Begriff der Orientaliſtik hat ſich bekanntlich in unſerm Jahrhundert ſtetig
um ein ſehr Bedeutendes erweitert. Noch zu unſerer Großväter Zeiten waren die
morgenländiſchen Studien kaum mehr als ein Nebenfach der Theologie; die Sprache
des Alten Teſtaments bildete ſozuſagen den Kernpunkt; andere ſemitiſche Sprachen:
Syriſch, Chaldäiſch, Samaritaniſch, Arabiſch und etwa noch Aethiopiſch, ſchloſſen
ſich in zweiter und dritter Reihe an, und da uns einmal das mohammedaniſche
Culturleben näher gerückt war, ſo wurden wol auch gelegentlich Türkiſch und
Perſiſch mit in den Bereich jener Studien gezogen, und einzelne verſtiegen ſich
bis ins Armeniſche und Koptiſche: ſie blieben aber eben vereinzelt. Chriſtliche
Sendboten, zumal die raſtlos fleißigen Jeſuiten, hatten ſchon längſt eine fremde
Sprache nach der andern grammatiſch und lexikaliſch bearbeitet, Reiſende hatten
aufgezeichnet, was ſie in fernen Landen am Wege aufgeleſen: an Stoff zum
Sammeln hätte es nicht gefehlt, aber es fehlte an wiſſenſchaftlichen Sammlern.
Wohl entſtanden polyglottiſche Sammelwerke — man weiß, welchen Antheil Leib¬
niz' allbefruchtender Geiſt hierbei hatte —, allein noch ähnelten ſie einigermaßen
den Raritätencabinets in alten Schlöſſern: unſerm Jahrhundert blieb es vor¬
behalten, ſie in Muſeen zu verwandeln.
In der That bedurfte es hierzu einer mächtigen Anregung, und dieſe verdanken
wir einem glücklichen Zuſammentreffen. Die Philoſophie des vorigen Jahrhunderts
hatte auch die menſchliche Sprache in das Bereich ihrer Speculationen gezogen.
Ihr Treiben mochte ein ſehr voreiliges ſein, aber ein anregendes war es ganz
gewiß. Was zeither nur für die Neugier den Reiz des Abſonderlichen gehabt,
das lernte man nun mit ganz andern Augen betrachten: es war ein gewaltiger
Fortſchritt von dem „Vocabular“ Katharina's II. bis zu Adelung's „Mithridates!“
Dazu nun kam ein zweites. Im Jahre 1799 hatte Gyarmathi einen Theil
der Sprachen finniſchen (ugriſchen) Stammes auf ihre Verwandtſchaft hin gramma¬
*) Bearbeitung der vom Verfaſſer in der Aula der Univerſität zu Leipzig am 28. Juni
1879 gehaltenen Antrittsvorleſung.
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