Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.Dein Geheimniß, auf das Du nun schon ein paarmal so geheimnißvoll hindeutest - natürlich damit ich danach fragen soll -, ist wohl mehr zarter als hoher Natur? Am Ende hat sich Fräulein Cousine in einen Lehrer verliebt und möchte nun dem Angebeteten recht ähnlich werden? Das sind ja meistens die Motive Eurer Bildungsbestrebungen, wir kennen das. Adieu, liebe kleine Märtyrerin, möge Dein Martyrium bald belohnt werden. Nähe recht viele Kleider, und koche recht viel Gurken ein, aber den Darwin wirf in die Ecke, wo sie am dunkelsten ist, der hat für Leute Eures Schlages nicht gelebt und geschrieben. Dein wohlmeinender Vetter Axel. Lisbeth Markwort an Axel Lorenzen. Wedel, 5. Oktober 1892. Lieber Axel, Du bist ein ekliger Junge, weißt Du das? Wenn ich mir von Mama und Papa alles gefallen lasse, so weiß ich doch warum, von Dir aber lasse ich mir nicht das Geringste gefallen, und wenn ich auch zehnmal von inferiorer Intelligenz bin! Ich soll in Jemand verliebt sein und deshalb lernen wollen? O, wie schändlich von Dir, mir so etwas zuzumuthen. Du denkst wohl nur an lauter Liebesgeschichten, deshalb setzest Du auch bei mir dergleichen voraus. Glaube nur nicht, daß ich mich über Deinen scheußlichen Brief Dein Geheimniß, auf das Du nun schon ein paarmal so geheimnißvoll hindeutest – natürlich damit ich danach fragen soll –, ist wohl mehr zarter als hoher Natur? Am Ende hat sich Fräulein Cousine in einen Lehrer verliebt und möchte nun dem Angebeteten recht ähnlich werden? Das sind ja meistens die Motive Eurer Bildungsbestrebungen, wir kennen das. Adieu, liebe kleine Märtyrerin, möge Dein Martyrium bald belohnt werden. Nähe recht viele Kleider, und koche recht viel Gurken ein, aber den Darwin wirf in die Ecke, wo sie am dunkelsten ist, der hat für Leute Eures Schlages nicht gelebt und geschrieben. Dein wohlmeinender Vetter Axel. Lisbeth Markwort an Axel Lorenzen. Wedel, 5. Oktober 1892. Lieber Axel, Du bist ein ekliger Junge, weißt Du das? Wenn ich mir von Mama und Papa alles gefallen lasse, so weiß ich doch warum, von Dir aber lasse ich mir nicht das Geringste gefallen, und wenn ich auch zehnmal von inferiorer Intelligenz bin! Ich soll in Jemand verliebt sein und deshalb lernen wollen? O, wie schändlich von Dir, mir so etwas zuzumuthen. Du denkst wohl nur an lauter Liebesgeschichten, deshalb setzest Du auch bei mir dergleichen voraus. Glaube nur nicht, daß ich mich über Deinen scheußlichen Brief <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="letter" n="2"> <pb facs="#f0326" n="318"/> <p>Dein Geheimniß, auf das Du nun schon ein paarmal so geheimnißvoll hindeutest – natürlich damit ich danach fragen soll –, ist wohl mehr zarter als hoher Natur? Am Ende hat sich Fräulein Cousine in einen Lehrer verliebt und möchte nun dem Angebeteten recht ähnlich werden? Das sind ja meistens die Motive Eurer Bildungsbestrebungen, wir kennen das.</p> <p>Adieu, liebe kleine Märtyrerin, möge Dein Martyrium bald belohnt werden. Nähe recht viele Kleider, und koche recht viel Gurken ein, aber den Darwin wirf in die Ecke, wo sie am dunkelsten ist, der hat für Leute Eures Schlages nicht gelebt und geschrieben.</p> <closer> <salute> <hi rendition="#right">Dein wohlmeinender Vetter Axel.</hi> </salute> </closer> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="letter" n="2"> <head>Lisbeth Markwort an Axel Lorenzen.</head> <dateline> <hi rendition="#right">Wedel, 5. Oktober 1892.</hi> </dateline> <p>Lieber Axel, Du bist ein ekliger Junge, weißt Du das? Wenn ich mir von Mama und Papa alles gefallen lasse, so weiß ich doch warum, von Dir aber lasse ich mir nicht das Geringste gefallen, und wenn ich auch zehnmal von inferiorer Intelligenz bin! Ich soll in Jemand verliebt sein und deshalb lernen wollen? O, wie schändlich von Dir, mir so etwas zuzumuthen. Du denkst wohl nur an lauter Liebesgeschichten, deshalb setzest Du auch bei mir dergleichen voraus. Glaube nur nicht, daß ich mich über Deinen scheußlichen Brief </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [318/0326]
Dein Geheimniß, auf das Du nun schon ein paarmal so geheimnißvoll hindeutest – natürlich damit ich danach fragen soll –, ist wohl mehr zarter als hoher Natur? Am Ende hat sich Fräulein Cousine in einen Lehrer verliebt und möchte nun dem Angebeteten recht ähnlich werden? Das sind ja meistens die Motive Eurer Bildungsbestrebungen, wir kennen das.
Adieu, liebe kleine Märtyrerin, möge Dein Martyrium bald belohnt werden. Nähe recht viele Kleider, und koche recht viel Gurken ein, aber den Darwin wirf in die Ecke, wo sie am dunkelsten ist, der hat für Leute Eures Schlages nicht gelebt und geschrieben.
Dein wohlmeinender Vetter Axel.
Lisbeth Markwort an Axel Lorenzen. Wedel, 5. Oktober 1892. Lieber Axel, Du bist ein ekliger Junge, weißt Du das? Wenn ich mir von Mama und Papa alles gefallen lasse, so weiß ich doch warum, von Dir aber lasse ich mir nicht das Geringste gefallen, und wenn ich auch zehnmal von inferiorer Intelligenz bin! Ich soll in Jemand verliebt sein und deshalb lernen wollen? O, wie schändlich von Dir, mir so etwas zuzumuthen. Du denkst wohl nur an lauter Liebesgeschichten, deshalb setzest Du auch bei mir dergleichen voraus. Glaube nur nicht, daß ich mich über Deinen scheußlichen Brief
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/326 |
Zitationshilfe: | Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/326>, abgerufen am 22.02.2025. |