täglich an meinem Haus vorbei, wenn sie stadtein geht -- ich, der arme Netzumstellte, bin verurtheilt, Klärchen zu verleugnen und die Hechingen zu cha¬ peronniren, sobald es der einfällt! Das Frauen¬ zimmer wird mich noch zu einer Verzweiflungsthat treiben. Du sollst es erleben. Könntest Du ihr nicht eine Depesche schicken, die sie sofort nach München zurückberuft? Anonym natürlich! Schreib ihr, ihr Haus sei abgebrannt, ihr Sohn sei im Duell gefallen, ihre verheirathete Tochter sei mit einem Anderen durchgegangen, etwas Drastisches muß es schon sein, sonst wirkt es bei ihr nicht. Ach, ich fürchte, Deine angeborene Weichherzigkeit läßt Dich vor jedem Ge¬ waltmittel zurückbeben. Du hast keinen Muth, Toni! Ihr Tyroler seid einmal zu gemüthvoll! Aber frei¬ lich, Du hast den Jammer nicht auszustehen! Die Briefe von -- Selma hast Du mir auch noch nicht geschickt, überhaupt keinen Brief! Den Studienkasten auch nicht! Na, Du bist ein netter Kerl! Und ich erst!
Dein Eugen.
Derselbe an Denselben.
Venedig, 13. April.
Gottlob, daß ich arbeiten kann! Hast Alles brav gemacht, alter Junge! So werd' ich die Ge¬
täglich an meinem Haus vorbei, wenn ſie ſtadtein geht — ich, der arme Netzumſtellte, bin verurtheilt, Klärchen zu verleugnen und die Hechingen zu cha¬ peronniren, ſobald es der einfällt! Das Frauen¬ zimmer wird mich noch zu einer Verzweiflungsthat treiben. Du ſollſt es erleben. Könnteſt Du ihr nicht eine Depeſche ſchicken, die ſie ſofort nach München zurückberuft? Anonym natürlich! Schreib ihr, ihr Haus ſei abgebrannt, ihr Sohn ſei im Duell gefallen, ihre verheirathete Tochter ſei mit einem Anderen durchgegangen, etwas Draſtiſches muß es ſchon ſein, ſonſt wirkt es bei ihr nicht. Ach, ich fürchte, Deine angeborene Weichherzigkeit läßt Dich vor jedem Ge¬ waltmittel zurückbeben. Du haſt keinen Muth, Toni! Ihr Tyroler ſeid einmal zu gemüthvoll! Aber frei¬ lich, Du haſt den Jammer nicht auszuſtehen! Die Briefe von — Selma haſt Du mir auch noch nicht geſchickt, überhaupt keinen Brief! Den Studienkaſten auch nicht! Na, Du biſt ein netter Kerl! Und ich erſt!
Dein Eugen.
Derſelbe an Denſelben.
Venedig, 13. April.
Gottlob, daß ich arbeiten kann! Haſt Alles brav gemacht, alter Junge! So werd' ich die Ge¬
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täglich an meinem Haus vorbei, wenn ſie ſtadtein
geht — ich, der arme Netzumſtellte, bin verurtheilt,
Klärchen zu verleugnen und die Hechingen zu cha¬
peronniren, ſobald es der einfällt! Das Frauen¬
zimmer wird mich noch zu einer Verzweiflungsthat
treiben. Du ſollſt es erleben. Könnteſt Du ihr nicht
eine Depeſche ſchicken, die ſie ſofort nach München
zurückberuft? Anonym natürlich! Schreib ihr, ihr
Haus ſei abgebrannt, ihr Sohn ſei im Duell gefallen,
ihre verheirathete Tochter ſei mit einem Anderen
durchgegangen, etwas Draſtiſches muß es ſchon ſein,
ſonſt wirkt es bei ihr nicht. Ach, ich fürchte, Deine
angeborene Weichherzigkeit läßt Dich vor jedem Ge¬
waltmittel zurückbeben. Du haſt keinen Muth, Toni!
Ihr Tyroler ſeid einmal zu gemüthvoll! Aber frei¬
lich, Du haſt den Jammer nicht auszuſtehen! Die
Briefe von — Selma haſt Du mir auch noch nicht
geſchickt, überhaupt keinen Brief! Den Studienkaſten
auch nicht! Na, Du biſt ein netter Kerl! Und ich
erſt!
Dein Eugen.
Derſelbe an Denſelben.
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Gottlob, daß ich arbeiten kann! Haſt Alles
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Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/254>, abgerufen am 22.02.2025.
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