Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht mehr gesehen. Fragen mocht' ich ihn nicht, er
war auch ganz wie sonst, fast noch bekannter. Er be¬
gleitete mich bis an unser Hotel, wir sprachen soviel
zusammen, ich weiß nicht recht was, aber es war
Alles interessant. Er fragte mich, ob ich die Baronin
Hechingen kenne -- ich war ganz verwundert, daß er
sie kennt, denn Ihr wißt ja, wie sie Mama unsym¬
pathisch ist. Und mir erst! Er sagte, er kenne sie
nur sehr oberflächlich, also ganz wie wir. Ich habe
ihm die Rosenknospe geschenkt, er sieht so unbeschreib¬
lich freundlich aus, wenn er bittet. Ich wollte ihm
auch den Myrthenzweig geben, aber er sagte, den
solle ich behalten. Nun haben wir Beide ein "Ri¬
cordo"! Aber das Grab der Julia würde ich ohne¬
hin nicht vergessen, mir scheint es das Schönste von
ganz Verona zu sein! Nächster Brief aus Venedig!

Tausend Grüße
von Eurer Kläre.

Eugen Schmidthammer an Toni Emmer.

Jetzt sind wir wieder 'mal Alle beisammen, die
Familie, die Hechingen und ich! Es ist zum Platzen!
Hielt's nicht aus in Vicenza, sonst meine Lieblings¬
stadt, auf die ich mich gefreut hatte wie auf eine ge¬

nicht mehr geſehen. Fragen mocht' ich ihn nicht, er
war auch ganz wie ſonſt, faſt noch bekannter. Er be¬
gleitete mich bis an unſer Hôtel, wir ſprachen ſoviel
zuſammen, ich weiß nicht recht was, aber es war
Alles intereſſant. Er fragte mich, ob ich die Baronin
Hechingen kenne — ich war ganz verwundert, daß er
ſie kennt, denn Ihr wißt ja, wie ſie Mama unſym¬
pathiſch iſt. Und mir erſt! Er ſagte, er kenne ſie
nur ſehr oberflächlich, alſo ganz wie wir. Ich habe
ihm die Roſenknoſpe geſchenkt, er ſieht ſo unbeſchreib¬
lich freundlich aus, wenn er bittet. Ich wollte ihm
auch den Myrthenzweig geben, aber er ſagte, den
ſolle ich behalten. Nun haben wir Beide ein „Ri¬
cordo“! Aber das Grab der Julia würde ich ohne¬
hin nicht vergeſſen, mir ſcheint es das Schönſte von
ganz Verona zu ſein! Nächſter Brief aus Venedig!

Tauſend Grüße
von Eurer Kläre.

Eugen Schmidthammer an Toni Emmer.

Jetzt ſind wir wieder 'mal Alle beiſammen, die
Familie, die Hechingen und ich! Es iſt zum Platzen!
Hielt's nicht aus in Vicenza, ſonſt meine Lieblings¬
ſtadt, auf die ich mich gefreut hatte wie auf eine ge¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="letter" n="2">
          <p><pb facs="#f0252" n="236"/>
nicht mehr ge&#x017F;ehen. Fragen mocht' ich ihn nicht, er<lb/>
war auch ganz wie &#x017F;on&#x017F;t, fa&#x017F;t noch bekannter. Er be¬<lb/>
gleitete mich bis an un&#x017F;er H<hi rendition="#aq">ô</hi>tel, wir &#x017F;prachen &#x017F;oviel<lb/>
zu&#x017F;ammen, ich weiß nicht recht was, aber es war<lb/>
Alles intere&#x017F;&#x017F;ant. Er fragte mich, ob ich die Baronin<lb/>
Hechingen kenne &#x2014; ich war ganz verwundert, daß er<lb/>
&#x017F;ie kennt, denn Ihr wißt ja, wie &#x017F;ie Mama un&#x017F;ym¬<lb/>
pathi&#x017F;ch i&#x017F;t. Und mir er&#x017F;t! Er &#x017F;agte, er kenne &#x017F;ie<lb/>
nur &#x017F;ehr oberflächlich, al&#x017F;o ganz wie wir. Ich habe<lb/>
ihm die Ro&#x017F;enkno&#x017F;pe ge&#x017F;chenkt, er &#x017F;ieht &#x017F;o unbe&#x017F;chreib¬<lb/>
lich freundlich aus, wenn er bittet. Ich wollte ihm<lb/>
auch den Myrthenzweig geben, aber er &#x017F;agte, den<lb/>
&#x017F;olle ich behalten. Nun haben wir Beide ein &#x201E;Ri¬<lb/>
cordo&#x201C;! Aber das Grab der Julia würde ich ohne¬<lb/>
hin nicht verge&#x017F;&#x017F;en, mir &#x017F;cheint es das Schön&#x017F;te von<lb/>
ganz Verona zu &#x017F;ein! Näch&#x017F;ter Brief aus Venedig!</p><lb/>
          <closer>
            <salute> <hi rendition="#et">Tau&#x017F;end Grüße</hi><lb/> <hi rendition="#right">von Eurer Kläre.</hi> </salute>
          </closer><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
        <div type="letter" n="2">
          <head><hi rendition="#g">Eugen Schmidthammer an Toni Emmer</hi>.<lb/></head>
          <opener>
            <dateline rendition="#right">Venedig, 12. April. </dateline>
          </opener><lb/>
          <p>Jetzt &#x017F;ind wir wieder 'mal Alle bei&#x017F;ammen, die<lb/>
Familie, die Hechingen und ich! Es i&#x017F;t zum Platzen!<lb/>
Hielt's nicht aus in Vicenza, &#x017F;on&#x017F;t meine Lieblings¬<lb/>
&#x017F;tadt, auf die ich mich gefreut hatte wie auf eine ge¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[236/0252] nicht mehr geſehen. Fragen mocht' ich ihn nicht, er war auch ganz wie ſonſt, faſt noch bekannter. Er be¬ gleitete mich bis an unſer Hôtel, wir ſprachen ſoviel zuſammen, ich weiß nicht recht was, aber es war Alles intereſſant. Er fragte mich, ob ich die Baronin Hechingen kenne — ich war ganz verwundert, daß er ſie kennt, denn Ihr wißt ja, wie ſie Mama unſym¬ pathiſch iſt. Und mir erſt! Er ſagte, er kenne ſie nur ſehr oberflächlich, alſo ganz wie wir. Ich habe ihm die Roſenknoſpe geſchenkt, er ſieht ſo unbeſchreib¬ lich freundlich aus, wenn er bittet. Ich wollte ihm auch den Myrthenzweig geben, aber er ſagte, den ſolle ich behalten. Nun haben wir Beide ein „Ri¬ cordo“! Aber das Grab der Julia würde ich ohne¬ hin nicht vergeſſen, mir ſcheint es das Schönſte von ganz Verona zu ſein! Nächſter Brief aus Venedig! Tauſend Grüße von Eurer Kläre. Eugen Schmidthammer an Toni Emmer. Venedig, 12. April. Jetzt ſind wir wieder 'mal Alle beiſammen, die Familie, die Hechingen und ich! Es iſt zum Platzen! Hielt's nicht aus in Vicenza, ſonſt meine Lieblings¬ ſtadt, auf die ich mich gefreut hatte wie auf eine ge¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/252
Zitationshilfe: Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/252>, abgerufen am 21.12.2024.