Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.Dieselbe an Dieselben. Bozen, 26. März 89.Hotel Greif, 7 Uhr Morgens. Liebe Evy, liebe Irene und mein armer, süßer Rudi! Papa und Mama schlafen noch, aber ich habe Dieſelbe an Dieſelben. Bozen, 26. März 89.Hôtel Greif, 7 Uhr Morgens. Liebe Evy, liebe Irene und mein armer, ſüßer Rudi! Papa und Mama ſchlafen noch, aber ich habe <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="letter" n="2"> <pb facs="#f0207" n="191"/> </div> <div type="letter" n="2"> <head> <hi rendition="#g">Dieſelbe an Dieſelben.</hi><lb/> </head> <opener> <dateline rendition="#right">Bozen, 26. März 89.<lb/> H<hi rendition="#aq">ô</hi>tel Greif, 7 Uhr Morgens.</dateline><lb/> <salute> <hi rendition="#c">Liebe Evy, liebe Irene und mein armer,<lb/> ſüßer Rudi!</hi> </salute> </opener><lb/> <p>Papa und Mama ſchlafen noch, aber ich habe<lb/> die ganze Nacht gewacht, glaub' ich — ich bin zu<lb/> glücklich, daß ich mitgekommen bin. Denkt Euch,<lb/> hier iſt ſchon ganz Frühling! Alle Obſtbäume blü¬<lb/> hen, roſenroth und weiß und grün iſt Alles. O, und<lb/> was hab' ich unterwegs Alles geſehen. Zuerſt 'mal<lb/> Innsbruck. Aber Ihr könnt es Euch nicht denken,<lb/> weil Ihr es nicht geſehen habt, und beſchreiben kann<lb/> ich es Euch nicht, aber es iſt großartig und liegt um¬<lb/> geben von einem Kranz der wundervollſten Berge.<lb/> Wir ſtiegen dort aus und aßen zu Mittag. Ich aß<lb/> in Gedanken drei Brötchen zur Suppe, ſo daß Mama<lb/> über mich lachte, aber Papa ſagte, das ſei immer ſo,<lb/> Freude mache Appetit. Es war mir aber doch zu<lb/> ſchade um die Zeit, die man da in dem Bahnhofs¬<lb/> reſtaurant verſitzt — ich nahm den armen Putzi, der<lb/> ſchon ganz ſteif und wirr ſein mußte vom langen<lb/> Sitzen und Schütteln, aus dem Körbchen und ließ<lb/> ihn ein bißchen auf dem Perron laufen. Wie dank¬<lb/> bar er mich anſah, wie er ſeinen kleinen ſchwarzen<lb/> Zottelpelz ſchüttelte, es war rührend! Ich glaube,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [191/0207]
Dieſelbe an Dieſelben.
Bozen, 26. März 89.
Hôtel Greif, 7 Uhr Morgens.
Liebe Evy, liebe Irene und mein armer,
ſüßer Rudi!
Papa und Mama ſchlafen noch, aber ich habe
die ganze Nacht gewacht, glaub' ich — ich bin zu
glücklich, daß ich mitgekommen bin. Denkt Euch,
hier iſt ſchon ganz Frühling! Alle Obſtbäume blü¬
hen, roſenroth und weiß und grün iſt Alles. O, und
was hab' ich unterwegs Alles geſehen. Zuerſt 'mal
Innsbruck. Aber Ihr könnt es Euch nicht denken,
weil Ihr es nicht geſehen habt, und beſchreiben kann
ich es Euch nicht, aber es iſt großartig und liegt um¬
geben von einem Kranz der wundervollſten Berge.
Wir ſtiegen dort aus und aßen zu Mittag. Ich aß
in Gedanken drei Brötchen zur Suppe, ſo daß Mama
über mich lachte, aber Papa ſagte, das ſei immer ſo,
Freude mache Appetit. Es war mir aber doch zu
ſchade um die Zeit, die man da in dem Bahnhofs¬
reſtaurant verſitzt — ich nahm den armen Putzi, der
ſchon ganz ſteif und wirr ſein mußte vom langen
Sitzen und Schütteln, aus dem Körbchen und ließ
ihn ein bißchen auf dem Perron laufen. Wie dank¬
bar er mich anſah, wie er ſeinen kleinen ſchwarzen
Zottelpelz ſchüttelte, es war rührend! Ich glaube,
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