Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite
Zweites Capitel.
Muhme Justinens Pflegling.

Auf der letzten Station blieb Dorothee zurück.
Der geistliche Herr und ich rollten in Reckenburgs
goldner Kutsche unserem Ziele entgegen. Die Gräfin
schlummerte, als ich auf dem Schlosse anlangte. Ein
böser Zufall, dessen Anlaß ich nur zu gut errieth,
hatte ihre Kräfte härter denn jemals mitgenommen.

Es war die von Neuem bewährte Leibwärterin,
welche mir diese Auskunft gab, und so konnte denn
das, was mir zunächst am Herzen lag, gleich in der
ersten Stunde seine Erledigung finden. Verschwiegen¬
heit und Zustimmung waren mir zum Voraus ver¬
bürgt, schon weil ich es war, die sie erbat. Im
Uebrigen brachte die Pflege ein Stück Geld und die
demüthigende Abhängigkeit der "Jungfer Obenaus"
einen erquickenden Kitzel. Von schweren sittlichen Be¬

Zweites Capitel.
Muhme Juſtinens Pflegling.

Auf der letzten Station blieb Dorothee zurück.
Der geiſtliche Herr und ich rollten in Reckenburgs
goldner Kutſche unſerem Ziele entgegen. Die Gräfin
ſchlummerte, als ich auf dem Schloſſe anlangte. Ein
böſer Zufall, deſſen Anlaß ich nur zu gut errieth,
hatte ihre Kräfte härter denn jemals mitgenommen.

Es war die von Neuem bewährte Leibwärterin,
welche mir dieſe Auskunft gab, und ſo konnte denn
das, was mir zunächſt am Herzen lag, gleich in der
erſten Stunde ſeine Erledigung finden. Verſchwiegen¬
heit und Zuſtimmung waren mir zum Voraus ver¬
bürgt, ſchon weil ich es war, die ſie erbat. Im
Uebrigen brachte die Pflege ein Stück Geld und die
demüthigende Abhängigkeit der „Jungfer Obenaus“
einen erquickenden Kitzel. Von ſchweren ſittlichen Be¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0030" n="[26]"/>
      <div n="1">
        <head>Zweites Capitel.<lb/><hi rendition="#b">Muhme Ju&#x017F;tinens Pflegling.</hi><lb/></head>
        <p>Auf der letzten Station blieb Dorothee zurück.<lb/>
Der gei&#x017F;tliche Herr und ich rollten in Reckenburgs<lb/>
goldner Kut&#x017F;che un&#x017F;erem Ziele entgegen. Die Gräfin<lb/>
&#x017F;chlummerte, als ich auf dem Schlo&#x017F;&#x017F;e anlangte. Ein<lb/>&#x017F;er Zufall, de&#x017F;&#x017F;en Anlaß ich nur zu gut errieth,<lb/>
hatte ihre Kräfte härter denn jemals mitgenommen.</p><lb/>
        <p>Es war die von Neuem bewährte Leibwärterin,<lb/>
welche mir die&#x017F;e Auskunft gab, und <hi rendition="#g">&#x017F;o</hi> konnte denn<lb/><hi rendition="#g">das</hi>, was mir zunäch&#x017F;t am Herzen lag, gleich in der<lb/>
er&#x017F;ten Stunde &#x017F;eine Erledigung finden. Ver&#x017F;chwiegen¬<lb/>
heit und Zu&#x017F;timmung waren mir zum Voraus ver¬<lb/>
bürgt, &#x017F;chon weil ich es war, die &#x017F;ie erbat. Im<lb/>
Uebrigen brachte die Pflege ein Stück Geld und die<lb/>
demüthigende Abhängigkeit der &#x201E;Jungfer Obenaus&#x201C;<lb/>
einen erquickenden Kitzel. Von &#x017F;chweren &#x017F;ittlichen Be¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[26]/0030] Zweites Capitel. Muhme Juſtinens Pflegling. Auf der letzten Station blieb Dorothee zurück. Der geiſtliche Herr und ich rollten in Reckenburgs goldner Kutſche unſerem Ziele entgegen. Die Gräfin ſchlummerte, als ich auf dem Schloſſe anlangte. Ein böſer Zufall, deſſen Anlaß ich nur zu gut errieth, hatte ihre Kräfte härter denn jemals mitgenommen. Es war die von Neuem bewährte Leibwärterin, welche mir dieſe Auskunft gab, und ſo konnte denn das, was mir zunächſt am Herzen lag, gleich in der erſten Stunde ſeine Erledigung finden. Verſchwiegen¬ heit und Zuſtimmung waren mir zum Voraus ver¬ bürgt, ſchon weil ich es war, die ſie erbat. Im Uebrigen brachte die Pflege ein Stück Geld und die demüthigende Abhängigkeit der „Jungfer Obenaus“ einen erquickenden Kitzel. Von ſchweren ſittlichen Be¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/30
Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. [26]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/30>, abgerufen am 21.11.2024.