Es mögen nun wohl schon viele hundert Jahre her sein, da gab es einmal einen alten guten Fischer, der saß eines schönen Abends vor der Thür, und flickte seine Netze. Er wohnte aber in einer überaus anmuthigen Gegend. Der grüne Boden, worauf seine Hütte gebaut war, streckte sich weit in einen großen Landsee hinaus, und es schien eben so wohl, die Erdzunge habe sich aus Liebe zu der bläulich klaren, wunderhellen, Fluth, in diese hinein gedrängt, als auch, das Wasser habe mit verliebten Armen nach der schö- nen Aue gegriffen, nach ihren hoch schwanken- den Gräsern und Blumen, und nach dem er- quicklichen Schatten ihrer Bäume. Eins ging
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Erſtes Kapitel.
Wie der Ritter zu dem Fiſcher kam.
Es moͤgen nun wohl ſchon viele hundert Jahre her ſein, da gab es einmal einen alten guten Fiſcher, der ſaß eines ſchoͤnen Abends vor der Thuͤr, und flickte ſeine Netze. Er wohnte aber in einer uͤberaus anmuthigen Gegend. Der gruͤne Boden, worauf ſeine Huͤtte gebaut war, ſtreckte ſich weit in einen großen Landſee hinaus, und es ſchien eben ſo wohl, die Erdzunge habe ſich aus Liebe zu der blaͤulich klaren, wunderhellen, Fluth, in dieſe hinein gedraͤngt, als auch, das Waſſer habe mit verliebten Armen nach der ſchoͤ- nen Aue gegriffen, nach ihren hoch ſchwanken- den Graͤſern und Blumen, und nach dem er- quicklichen Schatten ihrer Baͤume. Eins ging
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Erſtes Kapitel.
Wie der Ritter zu dem Fiſcher kam.
Es moͤgen nun wohl ſchon viele hundert Jahre
her ſein, da gab es einmal einen alten guten
Fiſcher, der ſaß eines ſchoͤnen Abends vor der
Thuͤr, und flickte ſeine Netze. Er wohnte aber
in einer uͤberaus anmuthigen Gegend. Der gruͤne
Boden, worauf ſeine Huͤtte gebaut war, ſtreckte
ſich weit in einen großen Landſee hinaus, und
es ſchien eben ſo wohl, die Erdzunge habe ſich
aus Liebe zu der blaͤulich klaren, wunderhellen,
Fluth, in dieſe hinein gedraͤngt, als auch, das
Waſſer habe mit verliebten Armen nach der ſchoͤ-
nen Aue gegriffen, nach ihren hoch ſchwanken-
den Graͤſern und Blumen, und nach dem er-
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Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189, hier S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/17>, abgerufen am 23.02.2025.
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