Als Huldbrand am andern Morgen vom Schlaf erwachte, fehlte seine schöne Genossin an seiner Seiten, und er fing schon an, wieder den wun- derlichen Gedanken nachzuhängen, die ihm seine Ehe und die reizende Undine selbst als ein flüch- tiges Blendwerk und Gaukelspiel vorstellen woll- ten. Aber da trat sie eben zur Thür herein, küßte ihn, setzte sich zu ihm auf's Bett, und sagte: ich bin etwas früh hinaus gewesen, um zu sehn, ob der Oheim Wort halte. Er hat schon alle Fluthen wieder in sein stilles Bett zu- rücke gelenkt, und rinnt nun nach wie vor ein- siedlerisch und sinnend durch den Wald. Seine Freunde in Wasser und Luft haben sich auch
Neuntes Kapitel.
Wie der Ritter ſeine junge Frau mit ſich fuͤhrte.
Als Huldbrand am andern Morgen vom Schlaf erwachte, fehlte ſeine ſchoͤne Genoſſin an ſeiner Seiten, und er fing ſchon an, wieder den wun- derlichen Gedanken nachzuhaͤngen, die ihm ſeine Ehe und die reizende Undine ſelbſt als ein fluͤch- tiges Blendwerk und Gaukelſpiel vorſtellen woll- ten. Aber da trat ſie eben zur Thuͤr herein, kuͤßte ihn, ſetzte ſich zu ihm auf’s Bett, und ſagte: ich bin etwas fruͤh hinaus geweſen, um zu ſehn, ob der Oheim Wort halte. Er hat ſchon alle Fluthen wieder in ſein ſtilles Bett zu- ruͤcke gelenkt, und rinnt nun nach wie vor ein- ſiedleriſch und ſinnend durch den Wald. Seine Freunde in Waſſer und Luft haben ſich auch
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Neuntes Kapitel.
Wie der Ritter ſeine junge Frau mit ſich fuͤhrte.
Als Huldbrand am andern Morgen vom Schlaf
erwachte, fehlte ſeine ſchoͤne Genoſſin an ſeiner
Seiten, und er fing ſchon an, wieder den wun-
derlichen Gedanken nachzuhaͤngen, die ihm ſeine
Ehe und die reizende Undine ſelbſt als ein fluͤch-
tiges Blendwerk und Gaukelſpiel vorſtellen woll-
ten. Aber da trat ſie eben zur Thuͤr herein,
kuͤßte ihn, ſetzte ſich zu ihm auf’s Bett, und
ſagte: ich bin etwas fruͤh hinaus geweſen, um
zu ſehn, ob der Oheim Wort halte. Er hat
ſchon alle Fluthen wieder in ſein ſtilles Bett zu-
ruͤcke gelenkt, und rinnt nun nach wie vor ein-
ſiedleriſch und ſinnend durch den Wald. Seine
Freunde in Waſſer und Luft haben ſich auch
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Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189, hier S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/102>, abgerufen am 23.02.2025.
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