Achtes Hauptstück. Dritter und letzter Aufenthalt zu Königin-Charlotten's Sund in Neu-Seeland.
1774. October.
Bey unsrer Ankunft auf der Neu-Seeländischen Küste wurden wir von schwe- ren Regengüssen und heftigen Windstössen empfangen, welches eben kein freundlicher Willkomm zu nennen war. Ueberhaupt hatte die Jahreszeit, unter dem hiesigen rauhen Himmelsstrich, jetzt noch wenig Anmuth. Die Bäume stan- den zum Theil noch im traurigen Gewand des abgewichnen Herbstes da, und kaum zeigte sich hin und wieder nur eine entfernte Spur des wiederkehrenden Früh- lings! Nachmittags fuhren wir nach derjenigen Gegend des Ufers hin, wo schon an beyden vorigen mahlen die Zelte gestanden hatten. Un- sre Hauptabsicht war, daß wir nachsehen wolten, ob die Flasche noch da sey, welche, mit einem Briefe an Capitain Furneaux, unter einem Baume vergraben zurückgelassen worden war. Beym Aussteigen fanden wir ein Häufgen See- raben (Shags) die auf einem über dem Wasser hangenden Baume genistet hatten. Dies dünkte uns vorläufig kein gutes Merkmahl; wir schlossen nem- lich daraus, daß die Bucht seit langer Zeit nicht von Menschen, wenigstens nicht von Europäern, müsse besucht worden seyn. In Absicht der Wilden war dies sehr wohl möglich, denn die halten sich, den Winter über, gemeiniglich an den innersten Ufern der Bayen auf, weil um diese Jahrszeit die Fische, als ihr vor- züglichstes Nahrungsmittel, sich eben dorthin zurück zu ziehn pflegen. Nachdem wir die See-Raben verscheucht und einige ihrer Jungen, die aus Dummheit nicht wegflogen, mit Händen gegriffen hatten, stiegen wir ans Land. Nun än- derte sich unsre Vermuthung auf einmahl; wir durften nicht zehn Schritt weit gehen um überall deutlich wahrzunehmen, daß sich, seit unsrer Abreise im vori- gen November ein europäisches Schiff hier müsse aufgehalten haben. Eine Menge von Bäumen, die bey unsrer Abreise noch auf dem Stamme waren, fanden wir jetzt, theils mit Sägen theils mit andern den Indianern unbekannten Werk- zeugen, niedergefällt. Auch die Flasche war fort, und andre untrügliche Merkmahle mehr vorhanden, daß Europäer hier gewesen. Die Gärten, welche wir angelegt, waren fast gänzlich verwildert, die Gewächse theils ausgerottet, theils durch Un-
kraut
Forſter’s Reiſe um die Welt
Achtes Hauptſtuͤck. Dritter und letzter Aufenthalt zu Koͤnigin-Charlotten’s Sund in Neu-Seeland.
1774. October.
Bey unſrer Ankunft auf der Neu-Seelaͤndiſchen Kuͤſte wurden wir von ſchwe- ren Regenguͤſſen und heftigen Windſtoͤſſen empfangen, welches eben kein freundlicher Willkomm zu nennen war. Ueberhaupt hatte die Jahreszeit, unter dem hieſigen rauhen Himmelsſtrich, jetzt noch wenig Anmuth. Die Baͤume ſtan- den zum Theil noch im traurigen Gewand des abgewichnen Herbſtes da, und kaum zeigte ſich hin und wieder nur eine entfernte Spur des wiederkehrenden Fruͤh- lings! Nachmittags fuhren wir nach derjenigen Gegend des Ufers hin, wo ſchon an beyden vorigen mahlen die Zelte geſtanden hatten. Un- ſre Hauptabſicht war, daß wir nachſehen wolten, ob die Flaſche noch da ſey, welche, mit einem Briefe an Capitain Furneaux, unter einem Baume vergraben zuruͤckgelaſſen worden war. Beym Ausſteigen fanden wir ein Haͤufgen See- raben (Shags) die auf einem uͤber dem Waſſer hangenden Baume geniſtet hatten. Dies duͤnkte uns vorlaͤufig kein gutes Merkmahl; wir ſchloſſen nem- lich daraus, daß die Bucht ſeit langer Zeit nicht von Menſchen, wenigſtens nicht von Europaͤern, muͤſſe beſucht worden ſeyn. In Abſicht der Wilden war dies ſehr wohl moͤglich, denn die halten ſich, den Winter uͤber, gemeiniglich an den innerſten Ufern der Bayen auf, weil um dieſe Jahrszeit die Fiſche, als ihr vor- zuͤglichſtes Nahrungsmittel, ſich eben dorthin zuruͤck zu ziehn pflegen. Nachdem wir die See-Raben verſcheucht und einige ihrer Jungen, die aus Dummheit nicht wegflogen, mit Haͤnden gegriffen hatten, ſtiegen wir ans Land. Nun aͤn- derte ſich unſre Vermuthung auf einmahl; wir durften nicht zehn Schritt weit gehen um uͤberall deutlich wahrzunehmen, daß ſich, ſeit unſrer Abreiſe im vori- gen November ein europaͤiſches Schiff hier muͤſſe aufgehalten haben. Eine Menge von Baͤumen, die bey unſrer Abreiſe noch auf dem Stamme waren, fanden wir jetzt, theils mit Saͤgen theils mit andern den Indianern unbekannten Werk- zeugen, niedergefaͤllt. Auch die Flaſche war fort, und andre untruͤgliche Merkmahle mehr vorhanden, daß Europaͤer hier geweſen. Die Gaͤrten, welche wir angelegt, waren faſt gaͤnzlich verwildert, die Gewaͤchſe theils ausgerottet, theils durch Un-
kraut
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[352/0370]
Forſter’s Reiſe um die Welt
Achtes Hauptſtuͤck.
Dritter und letzter Aufenthalt zu Koͤnigin-Charlotten’s
Sund in Neu-Seeland.
Bey unſrer Ankunft auf der Neu-Seelaͤndiſchen Kuͤſte wurden wir von ſchwe-
ren Regenguͤſſen und heftigen Windſtoͤſſen empfangen, welches eben kein
freundlicher Willkomm zu nennen war. Ueberhaupt hatte die Jahreszeit, unter dem
hieſigen rauhen Himmelsſtrich, jetzt noch wenig Anmuth. Die Baͤume ſtan-
den zum Theil noch im traurigen Gewand des abgewichnen Herbſtes da, und
kaum zeigte ſich hin und wieder nur eine entfernte Spur des wiederkehrenden Fruͤh-
lings! Nachmittags fuhren wir nach derjenigen Gegend des Ufers hin, wo
ſchon an beyden vorigen mahlen die Zelte geſtanden hatten. Un-
ſre Hauptabſicht war, daß wir nachſehen wolten, ob die Flaſche noch da ſey,
welche, mit einem Briefe an Capitain Furneaux, unter einem Baume vergraben
zuruͤckgelaſſen worden war. Beym Ausſteigen fanden wir ein Haͤufgen See-
raben (Shags) die auf einem uͤber dem Waſſer hangenden Baume geniſtet
hatten. Dies duͤnkte uns vorlaͤufig kein gutes Merkmahl; wir ſchloſſen nem-
lich daraus, daß die Bucht ſeit langer Zeit nicht von Menſchen, wenigſtens nicht
von Europaͤern, muͤſſe beſucht worden ſeyn. In Abſicht der Wilden war dies
ſehr wohl moͤglich, denn die halten ſich, den Winter uͤber, gemeiniglich an den
innerſten Ufern der Bayen auf, weil um dieſe Jahrszeit die Fiſche, als ihr vor-
zuͤglichſtes Nahrungsmittel, ſich eben dorthin zuruͤck zu ziehn pflegen. Nachdem
wir die See-Raben verſcheucht und einige ihrer Jungen, die aus Dummheit
nicht wegflogen, mit Haͤnden gegriffen hatten, ſtiegen wir ans Land. Nun aͤn-
derte ſich unſre Vermuthung auf einmahl; wir durften nicht zehn Schritt weit
gehen um uͤberall deutlich wahrzunehmen, daß ſich, ſeit unſrer Abreiſe im vori-
gen November ein europaͤiſches Schiff hier muͤſſe aufgehalten haben. Eine
Menge von Baͤumen, die bey unſrer Abreiſe noch auf dem Stamme waren, fanden
wir jetzt, theils mit Saͤgen theils mit andern den Indianern unbekannten Werk-
zeugen, niedergefaͤllt. Auch die Flaſche war fort, und andre untruͤgliche Merkmahle
mehr vorhanden, daß Europaͤer hier geweſen. Die Gaͤrten, welche wir angelegt,
waren faſt gaͤnzlich verwildert, die Gewaͤchſe theils ausgerottet, theils durch Un-
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/370>, abgerufen am 21.12.2024.
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