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Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 3. Berlin, 1794.

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dem ersten hiesigen Schauspieler, zu mono-
tonisch, und bei Holman (wie man versi-
chert, denn ich habe ihn noch nicht gese-
hen) zu wild und ranting. Garrick und
seine Schule hatten mehr wahres Feuer der
Empfindung, oder wußten es besser zu spie-
len
; hier ist zu viel Kälte, und zu viel ge-
suchter Nachdruck im Hersagen. Dennoch
spielt Kemble verhältnißmäßig sehr gut,
und was ihm, besonders wo es auf Würde
ankommt, sehr nützt: er spricht langsam,
wenn der Affekt keine schnelle Sprache for-
dert. Seine Deklamation ist nicht Gesang,
aber mehr als gemeines Reden. Diese Wür-
de, diesen Anstand in Königs- und Helden-
rollen, sah ich auf den Deutschen Theatern
nie, weil man dort bei diesen Gelegenheiten
nicht natürlich genug, oder auch wohl zu
natürlich ist; mit Einem Worte: weil man
den Sinn eines großen Menschen nicht hat.

dem ersten hiesigen Schauspieler, zu mono-
tonisch, und bei Holman (wie man versi-
chert, denn ich habe ihn noch nicht gese-
hen) zu wild und ranting. Garrick und
seine Schule hatten mehr wahres Feuer der
Empfindung, oder wußten es besser zu spie-
len
; hier ist zu viel Kälte, und zu viel ge-
suchter Nachdruck im Hersagen. Dennoch
spielt Kemble verhältnißmäßig sehr gut,
und was ihm, besonders wo es auf Würde
ankommt, sehr nützt: er spricht langsam,
wenn der Affekt keine schnelle Sprache for-
dert. Seine Deklamation ist nicht Gesang,
aber mehr als gemeines Reden. Diese Wür-
de, diesen Anstand in Königs- und Helden-
rollen, sah ich auf den Deutschen Theatern
nie, weil man dort bei diesen Gelegenheiten
nicht natürlich genug, oder auch wohl zu
natürlich ist; mit Einem Worte: weil man
den Sinn eines großen Menschen nicht hat.

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[24/0047] dem ersten hiesigen Schauspieler, zu mono- tonisch, und bei Holman (wie man versi- chert, denn ich habe ihn noch nicht gese- hen) zu wild und ranting. Garrick und seine Schule hatten mehr wahres Feuer der Empfindung, oder wußten es besser zu spie- len; hier ist zu viel Kälte, und zu viel ge- suchter Nachdruck im Hersagen. Dennoch spielt Kemble verhältnißmäßig sehr gut, und was ihm, besonders wo es auf Würde ankommt, sehr nützt: er spricht langsam, wenn der Affekt keine schnelle Sprache for- dert. Seine Deklamation ist nicht Gesang, aber mehr als gemeines Reden. Diese Wür- de, diesen Anstand in Königs- und Helden- rollen, sah ich auf den Deutschen Theatern nie, weil man dort bei diesen Gelegenheiten nicht natürlich genug, oder auch wohl zu natürlich ist; mit Einem Worte: weil man den Sinn eines großen Menschen nicht hat.

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 3. Berlin, 1794, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein03_1794/47>, abgerufen am 27.04.2024.