Hainstraße zu verlassen und in ihre Wohnung in der Poststraße zu übersiedeln, wo trockne, helle Räume waren. Das leuchtete mir denn auch ein und da man im Neubertschen Hause froh war, einen Kranken, der sich doch nicht erholen konnte, mit guter Manier los zu werden, so zog ich in den ersten Apriltagen in die Poststraßen-Wohnung.
Aber eh ich berichte, wie mir's da erging, muß ich, um eine ganze Reihe von Jahren zurückgreifend, zuvor noch ein Genaueres von meinem rettenden Engel "Tante Pinchen" erzählen und vor allem von ihrem Manne, meinem "Onkel August".
Mein "Onkel August".
Onkel August und Tante Pinchen waren ein sehr merkwürdiges Paar, dem ich mich, trotzdem ich nicht viel Rühmliches von ihnen zu vermelden habe, persönlich doch zu großem Danke verpflichtet fühle. Solche Gegensätze beziehungsweise Gefühls-Konflikte sind nichts Seltenes. Als ich im Oktober 1870 als Kriegsgefangener nach der Insel Oleron gebracht wurde, begleitete mich dienstlich ein Gensdarmerie-Brigadier, mit dem ich mich in jener freien Weise, drauf sich die Franzosen und nun gar erst die französischen Soldaten so gut verstehen, über
Hainstraße zu verlassen und in ihre Wohnung in der Poststraße zu übersiedeln, wo trockne, helle Räume waren. Das leuchtete mir denn auch ein und da man im Neubertschen Hause froh war, einen Kranken, der sich doch nicht erholen konnte, mit guter Manier los zu werden, so zog ich in den ersten Apriltagen in die Poststraßen-Wohnung.
Aber eh ich berichte, wie mir’s da erging, muß ich, um eine ganze Reihe von Jahren zurückgreifend, zuvor noch ein Genaueres von meinem rettenden Engel „Tante Pinchen“ erzählen und vor allem von ihrem Manne, meinem „Onkel August“.
Mein „Onkel August“.
Onkel August und Tante Pinchen waren ein sehr merkwürdiges Paar, dem ich mich, trotzdem ich nicht viel Rühmliches von ihnen zu vermelden habe, persönlich doch zu großem Danke verpflichtet fühle. Solche Gegensätze beziehungsweise Gefühls-Konflikte sind nichts Seltenes. Als ich im Oktober 1870 als Kriegsgefangener nach der Insel Oleron gebracht wurde, begleitete mich dienstlich ein Gensdarmerie-Brigadier, mit dem ich mich in jener freien Weise, drauf sich die Franzosen und nun gar erst die französischen Soldaten so gut verstehen, über
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Hainstraße zu verlassen und in ihre Wohnung in der Poststraße zu übersiedeln, wo trockne, helle Räume waren. Das leuchtete mir denn auch ein und da man im Neubertschen Hause froh war, einen Kranken, der sich doch nicht erholen konnte, mit guter Manier los zu werden, so zog ich in den ersten Apriltagen in die Poststraßen-Wohnung.</p><lb/><p>Aber eh ich berichte, wie mir’s da erging, muß ich, um eine ganze Reihe von Jahren zurückgreifend, zuvor noch ein Genaueres von meinem rettenden Engel „Tante Pinchen“ erzählen und vor allem von ihrem Manne, meinem „Onkel August“.</p><lb/><divn="3"><head><hirendition="#b #c">Mein „Onkel August“.</hi></head><p>Onkel August und Tante Pinchen waren ein sehr merkwürdiges Paar, dem ich mich, trotzdem ich nicht viel Rühmliches von ihnen zu vermelden habe, persönlich doch zu großem Danke verpflichtet fühle. Solche Gegensätze beziehungsweise Gefühls-Konflikte sind nichts Seltenes. Als ich im Oktober 1870 als Kriegsgefangener nach der Insel Oleron gebracht wurde, begleitete mich dienstlich ein Gensdarmerie-Brigadier, mit dem ich mich in jener freien Weise, drauf sich die Franzosen und nun gar erst die französischen Soldaten so gut verstehen, über<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
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Hainstraße zu verlassen und in ihre Wohnung in der Poststraße zu übersiedeln, wo trockne, helle Räume waren. Das leuchtete mir denn auch ein und da man im Neubertschen Hause froh war, einen Kranken, der sich doch nicht erholen konnte, mit guter Manier los zu werden, so zog ich in den ersten Apriltagen in die Poststraßen-Wohnung.
Aber eh ich berichte, wie mir’s da erging, muß ich, um eine ganze Reihe von Jahren zurückgreifend, zuvor noch ein Genaueres von meinem rettenden Engel „Tante Pinchen“ erzählen und vor allem von ihrem Manne, meinem „Onkel August“.
Mein „Onkel August“.Onkel August und Tante Pinchen waren ein sehr merkwürdiges Paar, dem ich mich, trotzdem ich nicht viel Rühmliches von ihnen zu vermelden habe, persönlich doch zu großem Danke verpflichtet fühle. Solche Gegensätze beziehungsweise Gefühls-Konflikte sind nichts Seltenes. Als ich im Oktober 1870 als Kriegsgefangener nach der Insel Oleron gebracht wurde, begleitete mich dienstlich ein Gensdarmerie-Brigadier, mit dem ich mich in jener freien Weise, drauf sich die Franzosen und nun gar erst die französischen Soldaten so gut verstehen, über
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Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/177>, abgerufen am 03.03.2025.
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