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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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Vierundvierzigstes Kapitel.

Melusine war aus der Kirche mit in das Herren¬
haus zurückgekehrt und widmete sich hier auf eine kurze
Weile zunächst ihren Freunden, den Berchtesgadens, dann
Rex und Czako. Danach ging sie in die Pfarre hin¬
über, um Lorenzen zu danken und noch ein kurzes Ge¬
spräch mit ihm über Woldemar und Armgard zu haben,
im wesentlichen eine Wiederholung alles dessen, was sie
schon während ihres Weihnachtsbesuches mit ihm durch¬
gesprochen hatte. Sie verplauderte sich dabei wider
Wunsch und Willen, und als sie schließlich nach dem
Herrenhause zurückkehrte, begegnete sie bereits jener Auf¬
bruchsunruhe, die kein ernstes Eingehen auf irgend ein
Thema mehr zuläßt. Sie beschränkte sich deshalb auf
ein paar Worte mit Tante Adelheid. Daß man sich
gegenseitig nicht mochte, war der einen so gewiß wie
der andern. Sie waren eben Antipoden: Stiftsdame
und Weltdame, Wutz und Windsor, vor allem enge und
weite Seele.

"Welch ein Mann, Ihr Pastor Lorenzen," sagte
Melusine. "Und zum Glück auch noch unverheiratet."

"Ich möchte das nicht so betonen und noch weniger
es beloben. Es widerspricht dem Beispiele, das unser
Gottesmann gegeben, und widerspricht auch wohl der
Natur."

"Ja, der Durchschnittsnatur. Es giebt aber, Gott

Vierundvierzigſtes Kapitel.

Meluſine war aus der Kirche mit in das Herren¬
haus zurückgekehrt und widmete ſich hier auf eine kurze
Weile zunächſt ihren Freunden, den Berchtesgadens, dann
Rex und Czako. Danach ging ſie in die Pfarre hin¬
über, um Lorenzen zu danken und noch ein kurzes Ge¬
ſpräch mit ihm über Woldemar und Armgard zu haben,
im weſentlichen eine Wiederholung alles deſſen, was ſie
ſchon während ihres Weihnachtsbeſuches mit ihm durch¬
geſprochen hatte. Sie verplauderte ſich dabei wider
Wunſch und Willen, und als ſie ſchließlich nach dem
Herrenhauſe zurückkehrte, begegnete ſie bereits jener Auf¬
bruchsunruhe, die kein ernſtes Eingehen auf irgend ein
Thema mehr zuläßt. Sie beſchränkte ſich deshalb auf
ein paar Worte mit Tante Adelheid. Daß man ſich
gegenſeitig nicht mochte, war der einen ſo gewiß wie
der andern. Sie waren eben Antipoden: Stiftsdame
und Weltdame, Wutz und Windſor, vor allem enge und
weite Seele.

„Welch ein Mann, Ihr Paſtor Lorenzen,“ ſagte
Meluſine. „Und zum Glück auch noch unverheiratet.“

„Ich möchte das nicht ſo betonen und noch weniger
es beloben. Es widerſpricht dem Beiſpiele, das unſer
Gottesmann gegeben, und widerſpricht auch wohl der
Natur.“

„Ja, der Durchſchnittsnatur. Es giebt aber, Gott

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[[505]/0512] Vierundvierzigſtes Kapitel. Meluſine war aus der Kirche mit in das Herren¬ haus zurückgekehrt und widmete ſich hier auf eine kurze Weile zunächſt ihren Freunden, den Berchtesgadens, dann Rex und Czako. Danach ging ſie in die Pfarre hin¬ über, um Lorenzen zu danken und noch ein kurzes Ge¬ ſpräch mit ihm über Woldemar und Armgard zu haben, im weſentlichen eine Wiederholung alles deſſen, was ſie ſchon während ihres Weihnachtsbeſuches mit ihm durch¬ geſprochen hatte. Sie verplauderte ſich dabei wider Wunſch und Willen, und als ſie ſchließlich nach dem Herrenhauſe zurückkehrte, begegnete ſie bereits jener Auf¬ bruchsunruhe, die kein ernſtes Eingehen auf irgend ein Thema mehr zuläßt. Sie beſchränkte ſich deshalb auf ein paar Worte mit Tante Adelheid. Daß man ſich gegenſeitig nicht mochte, war der einen ſo gewiß wie der andern. Sie waren eben Antipoden: Stiftsdame und Weltdame, Wutz und Windſor, vor allem enge und weite Seele. „Welch ein Mann, Ihr Paſtor Lorenzen,“ ſagte Meluſine. „Und zum Glück auch noch unverheiratet.“ „Ich möchte das nicht ſo betonen und noch weniger es beloben. Es widerſpricht dem Beiſpiele, das unſer Gottesmann gegeben, und widerſpricht auch wohl der Natur.“ „Ja, der Durchſchnittsnatur. Es giebt aber, Gott

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. [505]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/512>, abgerufen am 19.11.2024.