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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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Engelke nickte bloß und legte die Zeitungen, die
gekommen waren, auf einen neben dem Frühstückstisch
stehenden Gartenstuhl, zu unterst die "Kreuzzeitung" als
Fundament, auf diese dann die "Post" und zuletzt die
Briefe. Die meisten waren offen, Anzeigen und An¬
preisungen, nur einer war geschlossen, ja sogar ge¬
siegelt. Poststempel: Berlin. "Gieb mir mal das Papier¬
messer, daß ich ihn manierlich aufschneiden kann. Er
sieht nach was aus, und die Handschrift is wie von
'ner Dame, bloß ein bißchen zu dicke Grundstriche."

"Is am Ende von der Gräfin."

"Engelke," sagte Dubslav, "du wirst mir zu
klug. Natürlich is er von der Gräfin. Hier is ja die
Krone."

Wirklich es war ein Brief von Melusine, samt
einer Einlage. Melusinens Zeilen aber lauteten am
Schluß: "Und nun bitt' ich, Ihnen einen Brief bei¬
legen zu dürfen, den unsre liebe Baronin Berchtes¬
gaden gestern aus Rom erhalten hat und zwar von
Armgard, deren volles Glück ich aus diesem Brief und
allerhand kleinen, ihrem Charakter eigentlich fernliegenden
Übermütigkeiten erst so recht ersehn habe."

Dubslav nickte. Dann nahm er die Einlage
und las:


Teuerste Baronin!

An wen könnt' ich von hier aus lieber schreiben
als an Sie? Vatikan und Lateran und Grabmal
Pio Nonos, und wenn ich Glück habe, bin ich
auch noch mit dabei, wenn am Gründonnerstage der
große Segen gespendet wird. Man muß eben alles
mitnehmen. Von Rom zu schwärmen ist geschmacklos
und überflüssig dazu, weil man an die Schwärmerei seiner
Vorgänger doch nie heranreicht. Aber von unserer

Engelke nickte bloß und legte die Zeitungen, die
gekommen waren, auf einen neben dem Frühſtückstiſch
ſtehenden Gartenſtuhl, zu unterſt die „Kreuzzeitung“ als
Fundament, auf dieſe dann die „Poſt“ und zuletzt die
Briefe. Die meiſten waren offen, Anzeigen und An¬
preiſungen, nur einer war geſchloſſen, ja ſogar ge¬
ſiegelt. Poſtſtempel: Berlin. „Gieb mir mal das Papier¬
meſſer, daß ich ihn manierlich aufſchneiden kann. Er
ſieht nach was aus, und die Handſchrift is wie von
'ner Dame, bloß ein bißchen zu dicke Grundſtriche.“

„Is am Ende von der Gräfin.“

„Engelke,“ ſagte Dubslav, „du wirſt mir zu
klug. Natürlich is er von der Gräfin. Hier is ja die
Krone.“

Wirklich es war ein Brief von Meluſine, ſamt
einer Einlage. Meluſinens Zeilen aber lauteten am
Schluß: „Und nun bitt' ich, Ihnen einen Brief bei¬
legen zu dürfen, den unſre liebe Baronin Berchtes¬
gaden geſtern aus Rom erhalten hat und zwar von
Armgard, deren volles Glück ich aus dieſem Brief und
allerhand kleinen, ihrem Charakter eigentlich fernliegenden
Übermütigkeiten erſt ſo recht erſehn habe.“

Dubslav nickte. Dann nahm er die Einlage
und las:


Teuerſte Baronin!

An wen könnt' ich von hier aus lieber ſchreiben
als an Sie? Vatikan und Lateran und Grabmal
Pio Nonos, und wenn ich Glück habe, bin ich
auch noch mit dabei, wenn am Gründonnerſtage der
große Segen geſpendet wird. Man muß eben alles
mitnehmen. Von Rom zu ſchwärmen iſt geſchmacklos
und überflüſſig dazu, weil man an die Schwärmerei ſeiner
Vorgänger doch nie heranreicht. Aber von unſerer

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[446/0453] Engelke nickte bloß und legte die Zeitungen, die gekommen waren, auf einen neben dem Frühſtückstiſch ſtehenden Gartenſtuhl, zu unterſt die „Kreuzzeitung“ als Fundament, auf dieſe dann die „Poſt“ und zuletzt die Briefe. Die meiſten waren offen, Anzeigen und An¬ preiſungen, nur einer war geſchloſſen, ja ſogar ge¬ ſiegelt. Poſtſtempel: Berlin. „Gieb mir mal das Papier¬ meſſer, daß ich ihn manierlich aufſchneiden kann. Er ſieht nach was aus, und die Handſchrift is wie von 'ner Dame, bloß ein bißchen zu dicke Grundſtriche.“ „Is am Ende von der Gräfin.“ „Engelke,“ ſagte Dubslav, „du wirſt mir zu klug. Natürlich is er von der Gräfin. Hier is ja die Krone.“ Wirklich es war ein Brief von Meluſine, ſamt einer Einlage. Meluſinens Zeilen aber lauteten am Schluß: „Und nun bitt' ich, Ihnen einen Brief bei¬ legen zu dürfen, den unſre liebe Baronin Berchtes¬ gaden geſtern aus Rom erhalten hat und zwar von Armgard, deren volles Glück ich aus dieſem Brief und allerhand kleinen, ihrem Charakter eigentlich fernliegenden Übermütigkeiten erſt ſo recht erſehn habe.“ Dubslav nickte. Dann nahm er die Einlage und las: „Rom, im März. Teuerſte Baronin! An wen könnt' ich von hier aus lieber ſchreiben als an Sie? Vatikan und Lateran und Grabmal Pio Nonos, und wenn ich Glück habe, bin ich auch noch mit dabei, wenn am Gründonnerſtage der große Segen geſpendet wird. Man muß eben alles mitnehmen. Von Rom zu ſchwärmen iſt geſchmacklos und überflüſſig dazu, weil man an die Schwärmerei ſeiner Vorgänger doch nie heranreicht. Aber von unſerer

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 446. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/453>, abgerufen am 19.11.2024.