Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite
Dreiundzwanzigstes Kapitel.

Botho sah in die Asche. "Wie wenig und wie
viel." Und dann schob er den eleganten Kamin¬
schirm wieder vor, in dessen Mitte sich die Nach¬
bildung einer pompejanischen Wandfigur befand.
Hundertmal war sein Auge darüber hinweg geglitten,
ohne zu beachten, was es eigentlich sei, heute sah
er es und sagte: "Minerva mit Schild und Speer.
Aber Speer bei Fuß. Vielleicht bedeutet es Ruhe . . .
Wär' es so." Und dann stand er auf, schloß das
um seinen besten Schatz ärmer gewordene Geheim¬
fach und ging wieder nach vorn.

Unterwegs, auf dem ebenso schmalen wie langen
Korridore, traf er Köchin und Hausmädchen, die
diesen Augenblick erst von einem Thiergartenspazier¬
gange zurückkamen. Als er Beide verlegen und
ängstlich dastehen sah, überkam ihn ein menschlich

Dreiundzwanzigſtes Kapitel.

Botho ſah in die Aſche. „Wie wenig und wie
viel.“ Und dann ſchob er den eleganten Kamin¬
ſchirm wieder vor, in deſſen Mitte ſich die Nach¬
bildung einer pompejaniſchen Wandfigur befand.
Hundertmal war ſein Auge darüber hinweg geglitten,
ohne zu beachten, was es eigentlich ſei, heute ſah
er es und ſagte: „Minerva mit Schild und Speer.
Aber Speer bei Fuß. Vielleicht bedeutet es Ruhe . . .
Wär' es ſo.“ Und dann ſtand er auf, ſchloß das
um ſeinen beſten Schatz ärmer gewordene Geheim¬
fach und ging wieder nach vorn.

Unterwegs, auf dem ebenſo ſchmalen wie langen
Korridore, traf er Köchin und Hausmädchen, die
dieſen Augenblick erſt von einem Thiergartenſpazier¬
gange zurückkamen. Als er Beide verlegen und
ängſtlich daſtehen ſah, überkam ihn ein menſchlich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0260" n="[250]"/>
      <div n="1">
        <head>Dreiundzwanzig&#x017F;tes Kapitel.<lb/></head>
        <p><hi rendition="#in">B</hi>otho &#x017F;ah in die A&#x017F;che. &#x201E;Wie wenig und wie<lb/>
viel.&#x201C; Und dann &#x017F;chob er den eleganten Kamin¬<lb/>
&#x017F;chirm wieder vor, in de&#x017F;&#x017F;en Mitte &#x017F;ich die Nach¬<lb/>
bildung einer pompejani&#x017F;chen Wandfigur befand.<lb/>
Hundertmal war &#x017F;ein Auge darüber hinweg geglitten,<lb/>
ohne zu beachten, was es eigentlich &#x017F;ei, heute &#x017F;ah<lb/>
er es und &#x017F;agte: &#x201E;Minerva mit Schild und Speer.<lb/>
Aber Speer bei Fuß. Vielleicht bedeutet es Ruhe . . .<lb/>
Wär' es &#x017F;o.&#x201C; Und dann &#x017F;tand er auf, &#x017F;chloß das<lb/>
um &#x017F;einen be&#x017F;ten Schatz ärmer gewordene Geheim¬<lb/>
fach und ging wieder nach vorn.</p><lb/>
        <p>Unterwegs, auf dem eben&#x017F;o &#x017F;chmalen wie langen<lb/>
Korridore, traf er Köchin und Hausmädchen, die<lb/>
die&#x017F;en Augenblick er&#x017F;t von einem Thiergarten&#x017F;pazier¬<lb/>
gange zurückkamen. Als er Beide verlegen und<lb/>
äng&#x017F;tlich da&#x017F;tehen &#x017F;ah, überkam ihn ein men&#x017F;chlich<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[250]/0260] Dreiundzwanzigſtes Kapitel. Botho ſah in die Aſche. „Wie wenig und wie viel.“ Und dann ſchob er den eleganten Kamin¬ ſchirm wieder vor, in deſſen Mitte ſich die Nach¬ bildung einer pompejaniſchen Wandfigur befand. Hundertmal war ſein Auge darüber hinweg geglitten, ohne zu beachten, was es eigentlich ſei, heute ſah er es und ſagte: „Minerva mit Schild und Speer. Aber Speer bei Fuß. Vielleicht bedeutet es Ruhe . . . Wär' es ſo.“ Und dann ſtand er auf, ſchloß das um ſeinen beſten Schatz ärmer gewordene Geheim¬ fach und ging wieder nach vorn. Unterwegs, auf dem ebenſo ſchmalen wie langen Korridore, traf er Köchin und Hausmädchen, die dieſen Augenblick erſt von einem Thiergartenſpazier¬ gange zurückkamen. Als er Beide verlegen und ängſtlich daſtehen ſah, überkam ihn ein menſchlich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/260
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. [250]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/260>, abgerufen am 03.12.2024.