Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite
Dreißigstes Kapitel.

Effi und die Geheimrätin Zwicker waren seit
fast drei Wochen in Ems und bewohnten daselbst
das Erdgeschoß einer reizenden kleinen Villa. In
ihrem zwischen ihren zwei Wohnzimmern gelegenen
gemeinschaftlichen Salon mit Blick auf den Garten
stand ein Polysanderflügel, auf dem Effi dann und
wann eine Sonate, die Zwicker dann und wann
einen Walzer spielte; sie war ganz unmusikalisch und
beschränkte sich im wesentlichen darauf, für Niemann
als Tannhäuser zu schwärmen.

Es war ein herrlicher Morgen; in dem kleinen
Garten zwitscherten die Vögel, und aus dem an¬
grenzenden Hause, drin sich ein ,Lokal' befand, hörte
man, trotz der frühen Stunde, bereits das Zusammen¬
schlagen der Billardbälle. Beide Damen hatten ihr
Frühstück nicht im Salon selbst, sondern auf einem
ein paar Fuß hoch aufgemauerten und mit Kies be¬
streuten Vorplatz eingenommen, von dem aus drei

Dreißigſtes Kapitel.

Effi und die Geheimrätin Zwicker waren ſeit
faſt drei Wochen in Ems und bewohnten daſelbſt
das Erdgeſchoß einer reizenden kleinen Villa. In
ihrem zwiſchen ihren zwei Wohnzimmern gelegenen
gemeinſchaftlichen Salon mit Blick auf den Garten
ſtand ein Polyſanderflügel, auf dem Effi dann und
wann eine Sonate, die Zwicker dann und wann
einen Walzer ſpielte; ſie war ganz unmuſikaliſch und
beſchränkte ſich im weſentlichen darauf, für Niemann
als Tannhäuſer zu ſchwärmen.

Es war ein herrlicher Morgen; in dem kleinen
Garten zwitſcherten die Vögel, und aus dem an¬
grenzenden Hauſe, drin ſich ein ,Lokal‛ befand, hörte
man, trotz der frühen Stunde, bereits das Zuſammen¬
ſchlagen der Billardbälle. Beide Damen hatten ihr
Frühſtück nicht im Salon ſelbſt, ſondern auf einem
ein paar Fuß hoch aufgemauerten und mit Kies be¬
ſtreuten Vorplatz eingenommen, von dem aus drei

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0445" n="[436]"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#g">Dreißig&#x017F;tes Kapitel.</hi><lb/>
        </head>
        <p>Effi und die Geheimrätin Zwicker waren &#x017F;eit<lb/>
fa&#x017F;t drei Wochen in Ems und bewohnten da&#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
das Erdge&#x017F;choß einer reizenden kleinen Villa. In<lb/>
ihrem zwi&#x017F;chen ihren zwei Wohnzimmern gelegenen<lb/>
gemein&#x017F;chaftlichen Salon mit Blick auf den Garten<lb/>
&#x017F;tand ein Poly&#x017F;anderflügel, auf dem Effi dann und<lb/>
wann eine Sonate, die Zwicker dann und wann<lb/>
einen Walzer &#x017F;pielte; &#x017F;ie war ganz unmu&#x017F;ikali&#x017F;ch und<lb/>
be&#x017F;chränkte &#x017F;ich im we&#x017F;entlichen darauf, für Niemann<lb/>
als Tannhäu&#x017F;er zu &#x017F;chwärmen.</p><lb/>
        <p>Es war ein herrlicher Morgen; in dem kleinen<lb/>
Garten zwit&#x017F;cherten die Vögel, und aus dem an¬<lb/>
grenzenden Hau&#x017F;e, drin &#x017F;ich ein ,Lokal&#x201B; befand, hörte<lb/>
man, trotz der frühen Stunde, bereits das Zu&#x017F;ammen¬<lb/>
&#x017F;chlagen der Billardbälle. Beide Damen hatten ihr<lb/>
Früh&#x017F;tück nicht im Salon &#x017F;elb&#x017F;t, &#x017F;ondern auf einem<lb/>
ein paar Fuß hoch aufgemauerten und mit Kies be¬<lb/>
&#x017F;treuten Vorplatz eingenommen, von dem aus drei<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[436]/0445] Dreißigſtes Kapitel. Effi und die Geheimrätin Zwicker waren ſeit faſt drei Wochen in Ems und bewohnten daſelbſt das Erdgeſchoß einer reizenden kleinen Villa. In ihrem zwiſchen ihren zwei Wohnzimmern gelegenen gemeinſchaftlichen Salon mit Blick auf den Garten ſtand ein Polyſanderflügel, auf dem Effi dann und wann eine Sonate, die Zwicker dann und wann einen Walzer ſpielte; ſie war ganz unmuſikaliſch und beſchränkte ſich im weſentlichen darauf, für Niemann als Tannhäuſer zu ſchwärmen. Es war ein herrlicher Morgen; in dem kleinen Garten zwitſcherten die Vögel, und aus dem an¬ grenzenden Hauſe, drin ſich ein ,Lokal‛ befand, hörte man, trotz der frühen Stunde, bereits das Zuſammen¬ ſchlagen der Billardbälle. Beide Damen hatten ihr Frühſtück nicht im Salon ſelbſt, ſondern auf einem ein paar Fuß hoch aufgemauerten und mit Kies be¬ ſtreuten Vorplatz eingenommen, von dem aus drei

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/445
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. [436]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/445>, abgerufen am 03.12.2024.