himmlischen, umgeben von Hoffnung, Liebe, Glaube und Treue, und in tiefe Trauer versinken Brennus und Borussia." Wir haben hier Kunstmengerei und Religionsmengerei, Alles beieinander. Die Verdienste der Arbeit sind nichtsdesto- weniger bedeutend, aber sie sind mehr technischer Natur und greifen zum Theil auf das Gebiet der Kunstindustrie hinüber.
Die anderweitigen Schätze, die die paretzer Kirche, weit über diese großen Schildereien hinaus, in ihrer Mitte birgt, sind zwei Erinnerungsstücke, alt und neu, das eine aus der Zeit der kirchlichen, das andere aus der Zeit der politischen Umgestaltung, die dieses Land erfuhr, -- beinahe dreihundert Jahre liegen dazwischen. Aus dem Jahre 1539 (wie die ein- gebrannte Jahreszahl zeigt) stammt das Bildniß des heiligen Mauritius, das aus dem Spitzbogen des Chorfensters in die Kirche hinein grüßt; zu Füßen des alten Schutzpatrons dieser Lande aber steht ein zierlicher, mit Tapisseriebildern versehener Kasten, in dem ein blauseidenes, silbergesticktes Tuch zusammen- gefaltet liegt. Es ist das Tuch, das Königin Louise bei ihrem letzten Besuch an dieser Stelle trug. Der König, nach ihrem Tode, breitete es, als das Liebste, was er hatte, über den Altartisch, bis es, halb zerfallend in seinem leichten Gewebe, durch den Damast abgelöst wurde, der, mit goldenen griechi- schen Kreuzen geschmückt, jetzt dieselbe Stelle ziert.
Aber in dem Kästchen liegen doch, wie verkörpert, die Erinnerungen dieser Stätte.
Der "Tempel."
Die Kirche von Paretz ist ein Platz reicher Erinnerungen, aber Paretz hat der Erinnerungsplätze mehr. Speziell der Er- innerung geweiht ist der "Tempel." Er befindet sich in einer verschwiegenen Ecke des Parks, wo dieser die Havel berührt, und bildet einen Theil des an dieser Stelle künstlich aufgewor- fenen Aussichtshügels, der auf seiner Spitze einen japanischen Tempel, an seiner westlichen Seite eine Rokokogrotte und nach Süden hin eben diesen "Tempel" trägt.
22*
himmliſchen, umgeben von Hoffnung, Liebe, Glaube und Treue, und in tiefe Trauer verſinken Brennus und Boruſſia.“ Wir haben hier Kunſtmengerei und Religionsmengerei, Alles beieinander. Die Verdienſte der Arbeit ſind nichtsdeſto- weniger bedeutend, aber ſie ſind mehr techniſcher Natur und greifen zum Theil auf das Gebiet der Kunſtinduſtrie hinüber.
Die anderweitigen Schätze, die die paretzer Kirche, weit über dieſe großen Schildereien hinaus, in ihrer Mitte birgt, ſind zwei Erinnerungsſtücke, alt und neu, das eine aus der Zeit der kirchlichen, das andere aus der Zeit der politiſchen Umgeſtaltung, die dieſes Land erfuhr, — beinahe dreihundert Jahre liegen dazwiſchen. Aus dem Jahre 1539 (wie die ein- gebrannte Jahreszahl zeigt) ſtammt das Bildniß des heiligen Mauritius, das aus dem Spitzbogen des Chorfenſters in die Kirche hinein grüßt; zu Füßen des alten Schutzpatrons dieſer Lande aber ſteht ein zierlicher, mit Tapiſſeriebildern verſehener Kaſten, in dem ein blauſeidenes, ſilbergeſticktes Tuch zuſammen- gefaltet liegt. Es iſt das Tuch, das Königin Louiſe bei ihrem letzten Beſuch an dieſer Stelle trug. Der König, nach ihrem Tode, breitete es, als das Liebſte, was er hatte, über den Altartiſch, bis es, halb zerfallend in ſeinem leichten Gewebe, durch den Damaſt abgelöſt wurde, der, mit goldenen griechi- ſchen Kreuzen geſchmückt, jetzt dieſelbe Stelle ziert.
Aber in dem Käſtchen liegen doch, wie verkörpert, die Erinnerungen dieſer Stätte.
Der „Tempel.“
Die Kirche von Paretz iſt ein Platz reicher Erinnerungen, aber Paretz hat der Erinnerungsplätze mehr. Speziell der Er- innerung geweiht iſt der „Tempel.“ Er befindet ſich in einer verſchwiegenen Ecke des Parks, wo dieſer die Havel berührt, und bildet einen Theil des an dieſer Stelle künſtlich aufgewor- fenen Ausſichtshügels, der auf ſeiner Spitze einen japaniſchen Tempel, an ſeiner weſtlichen Seite eine Rokokogrotte und nach Süden hin eben dieſen „Tempel“ trägt.
22*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0357"n="339"/>
himmliſchen, umgeben von Hoffnung, Liebe, Glaube und<lb/>
Treue, und in tiefe Trauer verſinken Brennus und Boruſſia.“<lb/>
Wir haben hier <hirendition="#g">Kunſtm</hi>engerei und <hirendition="#g">Religionsm</hi>engerei,<lb/>
Alles beieinander. Die Verdienſte der Arbeit ſind nichtsdeſto-<lb/>
weniger bedeutend, aber ſie ſind mehr techniſcher Natur und<lb/>
greifen zum Theil auf das Gebiet der Kunſtinduſtrie hinüber.</p><lb/><p>Die anderweitigen Schätze, die die paretzer Kirche, weit<lb/>
über dieſe großen Schildereien hinaus, in ihrer Mitte birgt,<lb/>ſind zwei Erinnerungsſtücke, alt und neu, das eine aus der<lb/>
Zeit der kirchlichen, das andere aus der Zeit der politiſchen<lb/>
Umgeſtaltung, die dieſes Land erfuhr, — beinahe dreihundert<lb/>
Jahre liegen dazwiſchen. Aus dem Jahre 1539 (wie die ein-<lb/>
gebrannte Jahreszahl zeigt) ſtammt das Bildniß des heiligen<lb/>
Mauritius, das aus dem Spitzbogen des Chorfenſters in die<lb/>
Kirche hinein grüßt; zu Füßen des alten Schutzpatrons dieſer<lb/>
Lande aber ſteht ein zierlicher, mit Tapiſſeriebildern verſehener<lb/>
Kaſten, in dem ein blauſeidenes, ſilbergeſticktes Tuch zuſammen-<lb/>
gefaltet liegt. Es iſt das Tuch, das Königin Louiſe bei ihrem<lb/>
letzten Beſuch an dieſer Stelle trug. Der König, nach ihrem<lb/>
Tode, breitete es, als das Liebſte, was er hatte, über den<lb/>
Altartiſch, bis es, halb zerfallend in ſeinem leichten Gewebe,<lb/>
durch den Damaſt abgelöſt wurde, der, mit goldenen griechi-<lb/>ſchen Kreuzen geſchmückt, jetzt dieſelbe Stelle ziert.</p><lb/><p>Aber in dem Käſtchen liegen doch, wie verkörpert, die<lb/>
Erinnerungen dieſer Stätte.</p></div><lb/><divn="3"><head><hirendition="#g">Der „Tempel.“</hi></head><lb/><p>Die Kirche von Paretz iſt ein Platz reicher Erinnerungen,<lb/>
aber Paretz hat der Erinnerungsplätze mehr. Speziell der Er-<lb/>
innerung geweiht iſt der „Tempel.“ Er befindet ſich in einer<lb/>
verſchwiegenen Ecke des Parks, wo dieſer die Havel berührt,<lb/>
und bildet einen Theil des an dieſer Stelle künſtlich aufgewor-<lb/>
fenen Ausſichtshügels, der auf ſeiner Spitze einen japaniſchen<lb/>
Tempel, an ſeiner weſtlichen Seite eine Rokokogrotte und nach<lb/>
Süden hin eben dieſen „Tempel“ trägt.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">22*</fw><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[339/0357]
himmliſchen, umgeben von Hoffnung, Liebe, Glaube und
Treue, und in tiefe Trauer verſinken Brennus und Boruſſia.“
Wir haben hier Kunſtmengerei und Religionsmengerei,
Alles beieinander. Die Verdienſte der Arbeit ſind nichtsdeſto-
weniger bedeutend, aber ſie ſind mehr techniſcher Natur und
greifen zum Theil auf das Gebiet der Kunſtinduſtrie hinüber.
Die anderweitigen Schätze, die die paretzer Kirche, weit
über dieſe großen Schildereien hinaus, in ihrer Mitte birgt,
ſind zwei Erinnerungsſtücke, alt und neu, das eine aus der
Zeit der kirchlichen, das andere aus der Zeit der politiſchen
Umgeſtaltung, die dieſes Land erfuhr, — beinahe dreihundert
Jahre liegen dazwiſchen. Aus dem Jahre 1539 (wie die ein-
gebrannte Jahreszahl zeigt) ſtammt das Bildniß des heiligen
Mauritius, das aus dem Spitzbogen des Chorfenſters in die
Kirche hinein grüßt; zu Füßen des alten Schutzpatrons dieſer
Lande aber ſteht ein zierlicher, mit Tapiſſeriebildern verſehener
Kaſten, in dem ein blauſeidenes, ſilbergeſticktes Tuch zuſammen-
gefaltet liegt. Es iſt das Tuch, das Königin Louiſe bei ihrem
letzten Beſuch an dieſer Stelle trug. Der König, nach ihrem
Tode, breitete es, als das Liebſte, was er hatte, über den
Altartiſch, bis es, halb zerfallend in ſeinem leichten Gewebe,
durch den Damaſt abgelöſt wurde, der, mit goldenen griechi-
ſchen Kreuzen geſchmückt, jetzt dieſelbe Stelle ziert.
Aber in dem Käſtchen liegen doch, wie verkörpert, die
Erinnerungen dieſer Stätte.
Der „Tempel.“
Die Kirche von Paretz iſt ein Platz reicher Erinnerungen,
aber Paretz hat der Erinnerungsplätze mehr. Speziell der Er-
innerung geweiht iſt der „Tempel.“ Er befindet ſich in einer
verſchwiegenen Ecke des Parks, wo dieſer die Havel berührt,
und bildet einen Theil des an dieſer Stelle künſtlich aufgewor-
fenen Ausſichtshügels, der auf ſeiner Spitze einen japaniſchen
Tempel, an ſeiner weſtlichen Seite eine Rokokogrotte und nach
Süden hin eben dieſen „Tempel“ trägt.
22*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/357>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.