In edlem Zorn erhebe dich, blick' auf, Beschäme, strafe den unwürdigen Zweifel. Schiller.
Nach des Feldmarschalls Tode fiel Tamsel an den einzigen Sohn desselben, der muthmaßlich schon bei Lebzeiten des Vaters, die Verwaltung der Familiengüter übernommen hatte. Aber das schöne Schloß, das die Hand Griechischer Künstler geschmückt hatte, schien kein Glück, keine Fülle des Lebens für alle diejenigen zu beher- bergen, die den Namen Schöning führten, und kaum anderthalb Jahrzehnte nach dem Tode des berühmten Vaters, folgte ihm der unberühmte Sohn in die Gruft.
Dieser Sohn war der letzte Schöning der Linie Tamsel. Er hinterließ nur eine einzige Tochter Louise Eleonore, die, damals ein Kind noch, unter Vormundschaft ihrer Mutter, die reiche Erb- schaft antrat. Louise Eleonore war mit 4 Jahren die Erbin von Tamsel und mit 14 Jahren die Gemahlin des Obersten Adam Friedrich v. Wreech. Sie war 7 Jahre mit diesem vermählt, also 21 Jahre alt, als der damals neunzehnjährige Kronprinz Friedrich, muthmaßlich in den letzten Tagen des August 1731 (bis dahin hatte er die Festung Küstrin nicht verlassen dürfen) seinen ersten Besuch in Tamsel machte.
Es ist bekannt, daß der Prinz diesem ersten Besuche weitere Besuche folgen ließ und alsbald ein intimes Verhältniß mit der schönen Frau v. Wreech anknüpfte, das bis in die letzten Tage seines Küstriner Aufenthaltes hinein, also bis Ende Februar 1732, fortgesetzt wurde.
Die Frage drängt sich auf, welcher Art waren diese Be- ziehungen? War es ein intimes Freundschaftsverhältniß, oder war
Kronprinz Friedrich und Frau v. Wreech.
In edlem Zorn erhebe dich, blick’ auf, Beſchäme, ſtrafe den unwürdigen Zweifel. Schiller.
Nach des Feldmarſchalls Tode fiel Tamſel an den einzigen Sohn deſſelben, der muthmaßlich ſchon bei Lebzeiten des Vaters, die Verwaltung der Familiengüter übernommen hatte. Aber das ſchöne Schloß, das die Hand Griechiſcher Künſtler geſchmückt hatte, ſchien kein Glück, keine Fülle des Lebens für alle diejenigen zu beher- bergen, die den Namen Schöning führten, und kaum anderthalb Jahrzehnte nach dem Tode des berühmten Vaters, folgte ihm der unberühmte Sohn in die Gruft.
Dieſer Sohn war der letzte Schöning der Linie Tamſel. Er hinterließ nur eine einzige Tochter Louiſe Eleonore, die, damals ein Kind noch, unter Vormundſchaft ihrer Mutter, die reiche Erb- ſchaft antrat. Louiſe Eleonore war mit 4 Jahren die Erbin von Tamſel und mit 14 Jahren die Gemahlin des Oberſten Adam Friedrich v. Wreech. Sie war 7 Jahre mit dieſem vermählt, alſo 21 Jahre alt, als der damals neunzehnjährige Kronprinz Friedrich, muthmaßlich in den letzten Tagen des Auguſt 1731 (bis dahin hatte er die Feſtung Küſtrin nicht verlaſſen dürfen) ſeinen erſten Beſuch in Tamſel machte.
Es iſt bekannt, daß der Prinz dieſem erſten Beſuche weitere Beſuche folgen ließ und alsbald ein intimes Verhältniß mit der ſchönen Frau v. Wreech anknüpfte, das bis in die letzten Tage ſeines Küſtriner Aufenthaltes hinein, alſo bis Ende Februar 1732, fortgeſetzt wurde.
Die Frage drängt ſich auf, welcher Art waren dieſe Be- ziehungen? War es ein intimes Freundſchaftsverhältniß, oder war
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0055"n="[43]"/><divn="2"><head><hirendition="#b">Kronprinz Friedrich und Frau v. Wreech.</hi></head><lb/><citrendition="#et"><quote> In edlem Zorn erhebe dich, blick’ auf,<lb/>
Beſchäme, ſtrafe den unwürdigen Zweifel.</quote><lb/><bibl><hirendition="#b">Schiller.</hi></bibl></cit><lb/><p>Nach des Feldmarſchalls Tode fiel Tamſel an den einzigen<lb/>
Sohn deſſelben, der muthmaßlich ſchon bei Lebzeiten des Vaters, die<lb/>
Verwaltung der Familiengüter übernommen hatte. Aber das ſchöne<lb/>
Schloß, das die Hand Griechiſcher Künſtler geſchmückt hatte, ſchien<lb/>
kein Glück, keine Fülle des Lebens für alle diejenigen zu beher-<lb/>
bergen, die den Namen Schöning führten, und kaum anderthalb<lb/>
Jahrzehnte nach dem Tode des berühmten Vaters, folgte ihm der<lb/>
unberühmte Sohn in die Gruft.</p><lb/><p>Dieſer Sohn war der letzte Schöning der Linie Tamſel. Er<lb/>
hinterließ nur eine einzige Tochter Louiſe Eleonore, die, damals<lb/>
ein Kind noch, unter Vormundſchaft ihrer Mutter, die reiche Erb-<lb/>ſchaft antrat. Louiſe Eleonore war mit 4 Jahren die Erbin von<lb/>
Tamſel und mit 14 Jahren die Gemahlin des Oberſten Adam<lb/>
Friedrich v. <hirendition="#g">Wreech</hi>. Sie war 7 Jahre mit dieſem vermählt, alſo<lb/>
21 Jahre alt, als der damals neunzehnjährige <hirendition="#g">Kronprinz<lb/>
Friedrich</hi>, muthmaßlich in den letzten Tagen des Auguſt 1731<lb/>
(bis dahin hatte er die Feſtung Küſtrin nicht verlaſſen dürfen)<lb/>ſeinen erſten Beſuch in Tamſel machte.</p><lb/><p>Es iſt bekannt, daß der Prinz dieſem erſten Beſuche weitere<lb/>
Beſuche folgen ließ und alsbald ein intimes Verhältniß mit der<lb/>ſchönen Frau v. Wreech anknüpfte, das bis in die letzten Tage<lb/>ſeines Küſtriner Aufenthaltes hinein, alſo bis Ende Februar 1732,<lb/>
fortgeſetzt wurde.</p><lb/><p>Die Frage drängt ſich auf, welcher Art waren dieſe Be-<lb/>
ziehungen? War es ein intimes Freundſchaftsverhältniß, oder war<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[[43]/0055]
Kronprinz Friedrich und Frau v. Wreech.
In edlem Zorn erhebe dich, blick’ auf,
Beſchäme, ſtrafe den unwürdigen Zweifel.
Schiller.
Nach des Feldmarſchalls Tode fiel Tamſel an den einzigen
Sohn deſſelben, der muthmaßlich ſchon bei Lebzeiten des Vaters, die
Verwaltung der Familiengüter übernommen hatte. Aber das ſchöne
Schloß, das die Hand Griechiſcher Künſtler geſchmückt hatte, ſchien
kein Glück, keine Fülle des Lebens für alle diejenigen zu beher-
bergen, die den Namen Schöning führten, und kaum anderthalb
Jahrzehnte nach dem Tode des berühmten Vaters, folgte ihm der
unberühmte Sohn in die Gruft.
Dieſer Sohn war der letzte Schöning der Linie Tamſel. Er
hinterließ nur eine einzige Tochter Louiſe Eleonore, die, damals
ein Kind noch, unter Vormundſchaft ihrer Mutter, die reiche Erb-
ſchaft antrat. Louiſe Eleonore war mit 4 Jahren die Erbin von
Tamſel und mit 14 Jahren die Gemahlin des Oberſten Adam
Friedrich v. Wreech. Sie war 7 Jahre mit dieſem vermählt, alſo
21 Jahre alt, als der damals neunzehnjährige Kronprinz
Friedrich, muthmaßlich in den letzten Tagen des Auguſt 1731
(bis dahin hatte er die Feſtung Küſtrin nicht verlaſſen dürfen)
ſeinen erſten Beſuch in Tamſel machte.
Es iſt bekannt, daß der Prinz dieſem erſten Beſuche weitere
Beſuche folgen ließ und alsbald ein intimes Verhältniß mit der
ſchönen Frau v. Wreech anknüpfte, das bis in die letzten Tage
ſeines Küſtriner Aufenthaltes hinein, alſo bis Ende Februar 1732,
fortgeſetzt wurde.
Die Frage drängt ſich auf, welcher Art waren dieſe Be-
ziehungen? War es ein intimes Freundſchaftsverhältniß, oder war
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. [43]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/55>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.