Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

Bild:
<< vorherige Seite
Friedrich August Ludwig von der Marwitz.
Er hats verschmäht sich um den Kranz zu mühen,
Den unsre Zeit, die feile Modedirne,
Geschäftig flicht für jede flache Stirne, --
Er sah nach oben, wo die Sterne blühen.

Die Marwitze haben dem Lande manchen braven Soldaten,
manchen festen Charakter gegeben, keinen aber braver und fester,
als Friedrich August Ludwig von der Marwitz, dessen Leben und
Auftreten einen Wendepunkt in unserem staatlichen Leben bedeutet.
Erst von Marwitzs Zeiten ab existirt in unserem Lande ein politi-
scher Meinungskampf, eine principielle Opposition. Das acht-
zehnte Jahrhundert mit seinem rocher de bronze hatte in mär-
kischen Landen überhaupt keinen Widerstand, keine Auflehnung
irgend welcher Art gekannt, und die Opposition, die während der
drei vorhergehenden Jahrhunderte, von den Tagen der Quitzows
an bis zum Regierungsausgang des großen Kurfürsten existirt
hatte, war einfach eine Opposition des Rechts oder der Selbstsucht
gewesen. Ein Ideenkampf auf politischem Gebiet lag jenen Tagen
fern. Das geistige Leben der Reformationszeit und der Epoche,
die ihr folgte, lag innerhalb der Kirche. Erst die französische Re-
volution (die englische war ohne Einfluß auf unser Land geblieben)
schuf politische Ideen und aus der Auflehnung gegen den siegreichen
Strom derselben, aus dem ernsten Unternehmen (allerdings von einem
bestimmten Rechtsfundament ausgehend), Idee mit Idee und gei-
stige Dinge mit geistigen Waffen bekämpfen zu wollen, gingen wahr-
haft politische Parteien und ein wirklich politisches Leben hervor.

Derjenige, der vielleicht zuerst den Muth hatte, diesen Kampf
aufzunehmen, war Marwitz. Ich gedenke (zum Theil nach seinen
eigenen Worten und Aufzeichnungen) zunächst die äußern Fakten

Friedrich Auguſt Ludwig von der Marwitz.
Er hats verſchmäht ſich um den Kranz zu mühen,
Den unſre Zeit, die feile Modedirne,
Geſchäftig flicht für jede flache Stirne, —
Er ſah nach oben, wo die Sterne blühen.

Die Marwitze haben dem Lande manchen braven Soldaten,
manchen feſten Charakter gegeben, keinen aber braver und feſter,
als Friedrich Auguſt Ludwig von der Marwitz, deſſen Leben und
Auftreten einen Wendepunkt in unſerem ſtaatlichen Leben bedeutet.
Erſt von Marwitzs Zeiten ab exiſtirt in unſerem Lande ein politi-
ſcher Meinungskampf, eine principielle Oppoſition. Das acht-
zehnte Jahrhundert mit ſeinem rocher de bronze hatte in mär-
kiſchen Landen überhaupt keinen Widerſtand, keine Auflehnung
irgend welcher Art gekannt, und die Oppoſition, die während der
drei vorhergehenden Jahrhunderte, von den Tagen der Quitzows
an bis zum Regierungsausgang des großen Kurfürſten exiſtirt
hatte, war einfach eine Oppoſition des Rechts oder der Selbſtſucht
geweſen. Ein Ideenkampf auf politiſchem Gebiet lag jenen Tagen
fern. Das geiſtige Leben der Reformationszeit und der Epoche,
die ihr folgte, lag innerhalb der Kirche. Erſt die franzöſiſche Re-
volution (die engliſche war ohne Einfluß auf unſer Land geblieben)
ſchuf politiſche Ideen und aus der Auflehnung gegen den ſiegreichen
Strom derſelben, aus dem ernſten Unternehmen (allerdings von einem
beſtimmten Rechtsfundament ausgehend), Idee mit Idee und gei-
ſtige Dinge mit geiſtigen Waffen bekämpfen zu wollen, gingen wahr-
haft politiſche Parteien und ein wirklich politiſches Leben hervor.

Derjenige, der vielleicht zuerſt den Muth hatte, dieſen Kampf
aufzunehmen, war Marwitz. Ich gedenke (zum Theil nach ſeinen
eigenen Worten und Aufzeichnungen) zunächſt die äußern Fakten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0372" n="[360]"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Friedrich Augu&#x017F;t Ludwig von der Marwitz.</hi> </head><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Er hats ver&#x017F;chmäht &#x017F;ich um den Kranz zu mühen,</l><lb/>
            <l>Den un&#x017F;re Zeit, die feile Modedirne,</l><lb/>
            <l>Ge&#x017F;chäftig flicht für jede flache Stirne, &#x2014;</l><lb/>
            <l>Er &#x017F;ah nach oben, wo die Sterne blühen.</l>
          </lg><lb/>
          <p><hi rendition="#in">D</hi>ie Marwitze haben dem Lande manchen braven Soldaten,<lb/>
manchen fe&#x017F;ten Charakter gegeben, keinen aber braver und fe&#x017F;ter,<lb/>
als Friedrich Augu&#x017F;t <hi rendition="#g">Ludwig</hi> von der Marwitz, de&#x017F;&#x017F;en Leben und<lb/>
Auftreten einen Wendepunkt in un&#x017F;erem &#x017F;taatlichen Leben bedeutet.<lb/>
Er&#x017F;t von Marwitzs Zeiten ab exi&#x017F;tirt in un&#x017F;erem Lande ein politi-<lb/>
&#x017F;cher <hi rendition="#g">Meinungsk</hi>ampf, eine <hi rendition="#g">principielle</hi> Oppo&#x017F;ition. Das acht-<lb/>
zehnte Jahrhundert mit &#x017F;einem <hi rendition="#aq">rocher de bronze</hi> hatte in mär-<lb/>
ki&#x017F;chen Landen überhaupt keinen Wider&#x017F;tand, keine Auflehnung<lb/>
irgend welcher Art gekannt, und die Oppo&#x017F;ition, die während der<lb/>
drei vorhergehenden Jahrhunderte, von den Tagen der Quitzows<lb/>
an bis zum Regierungsausgang des großen Kurfür&#x017F;ten exi&#x017F;tirt<lb/>
hatte, war einfach eine Oppo&#x017F;ition des Rechts oder der Selb&#x017F;t&#x017F;ucht<lb/>
gewe&#x017F;en. Ein <hi rendition="#g">Ideenk</hi>ampf auf politi&#x017F;chem Gebiet lag jenen Tagen<lb/>
fern. Das gei&#x017F;tige Leben der Reformationszeit und der Epoche,<lb/>
die ihr folgte, lag innerhalb der <hi rendition="#g">Kirche</hi>. Er&#x017F;t die franzö&#x017F;i&#x017F;che Re-<lb/>
volution (die engli&#x017F;che war ohne Einfluß auf un&#x017F;er Land geblieben)<lb/>
&#x017F;chuf politi&#x017F;che Ideen und aus der Auflehnung gegen den &#x017F;iegreichen<lb/>
Strom der&#x017F;elben, aus dem ern&#x017F;ten Unternehmen (allerdings von einem<lb/>
be&#x017F;timmten <hi rendition="#g">Rechtsfundament</hi> ausgehend), Idee mit Idee und gei-<lb/>
&#x017F;tige Dinge mit gei&#x017F;tigen Waffen bekämpfen zu wollen, gingen wahr-<lb/>
haft politi&#x017F;che Parteien und ein wirklich politi&#x017F;ches Leben hervor.</p><lb/>
          <p>Derjenige, der vielleicht zuer&#x017F;t den Muth hatte, die&#x017F;en Kampf<lb/>
aufzunehmen, war <hi rendition="#g">Marwitz</hi>. Ich gedenke (zum Theil nach &#x017F;einen<lb/>
eigenen Worten und Aufzeichnungen) zunäch&#x017F;t die äußern Fakten<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[360]/0372] Friedrich Auguſt Ludwig von der Marwitz. Er hats verſchmäht ſich um den Kranz zu mühen, Den unſre Zeit, die feile Modedirne, Geſchäftig flicht für jede flache Stirne, — Er ſah nach oben, wo die Sterne blühen. Die Marwitze haben dem Lande manchen braven Soldaten, manchen feſten Charakter gegeben, keinen aber braver und feſter, als Friedrich Auguſt Ludwig von der Marwitz, deſſen Leben und Auftreten einen Wendepunkt in unſerem ſtaatlichen Leben bedeutet. Erſt von Marwitzs Zeiten ab exiſtirt in unſerem Lande ein politi- ſcher Meinungskampf, eine principielle Oppoſition. Das acht- zehnte Jahrhundert mit ſeinem rocher de bronze hatte in mär- kiſchen Landen überhaupt keinen Widerſtand, keine Auflehnung irgend welcher Art gekannt, und die Oppoſition, die während der drei vorhergehenden Jahrhunderte, von den Tagen der Quitzows an bis zum Regierungsausgang des großen Kurfürſten exiſtirt hatte, war einfach eine Oppoſition des Rechts oder der Selbſtſucht geweſen. Ein Ideenkampf auf politiſchem Gebiet lag jenen Tagen fern. Das geiſtige Leben der Reformationszeit und der Epoche, die ihr folgte, lag innerhalb der Kirche. Erſt die franzöſiſche Re- volution (die engliſche war ohne Einfluß auf unſer Land geblieben) ſchuf politiſche Ideen und aus der Auflehnung gegen den ſiegreichen Strom derſelben, aus dem ernſten Unternehmen (allerdings von einem beſtimmten Rechtsfundament ausgehend), Idee mit Idee und gei- ſtige Dinge mit geiſtigen Waffen bekämpfen zu wollen, gingen wahr- haft politiſche Parteien und ein wirklich politiſches Leben hervor. Derjenige, der vielleicht zuerſt den Muth hatte, dieſen Kampf aufzunehmen, war Marwitz. Ich gedenke (zum Theil nach ſeinen eigenen Worten und Aufzeichnungen) zunächſt die äußern Fakten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/372
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. [360]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/372>, abgerufen am 03.12.2024.