Ich habe schon wieder auf Lieder gedacht, Ich fühle so frisch mich, so jung. Chamisso.
Die Straßen in Freienwalde sind Hügelstraßen und führen berg- auf und bergab. Die belebteste derselben, die Berliner Straße, ha- ben wir eben ihrer ganzen Länge nach passirt und noch immer nicht gefunden, was wir suchen. Aber das muß es sein -- es ist das letzte Haus. Ein Berg und eine Kirche bilden den Hintergrund, nach der Straße zu stehen drei Linden und inmitten dieser Land- schafts-Requisiten erhebt sich ein alter Fachwerkbau, an dem ein erkerartig vorspringendes Fenster und zwei Rosenbäume so ziemlich das Beste sind. Die Rosenbäume fassen das Fenster ein, aber sie müssen den schmalen Raum mit zwei Aushänge-Brettern theilen, auf denen wir im Lapidar-Styl lesen: "Schirme reparirt; Drechs- lerarbeit in Holz und Horn." Dazu eine große, in Holz geschnit- tene Tabackspfeife, die als Ornament deutungsreich über dem Ganzen schwebt.
Das ist allerdings, was wir suchen. Hier wohnt Carl Weise, Poeta und Drechslermeister von Freienwalde,
Drechselt Pfeifen in guter Ruh Und macht auch wohl 'nen Vers dazu.
Das Ganze hat das Anheimelnde einer Poetenwohnung alten
6. Hans Sachs von Freienwalde.
Ich habe ſchon wieder auf Lieder gedacht, Ich fühle ſo friſch mich, ſo jung. Chamiſſo.
Die Straßen in Freienwalde ſind Hügelſtraßen und führen berg- auf und bergab. Die belebteſte derſelben, die Berliner Straße, ha- ben wir eben ihrer ganzen Länge nach paſſirt und noch immer nicht gefunden, was wir ſuchen. Aber das muß es ſein — es iſt das letzte Haus. Ein Berg und eine Kirche bilden den Hintergrund, nach der Straße zu ſtehen drei Linden und inmitten dieſer Land- ſchafts-Requiſiten erhebt ſich ein alter Fachwerkbau, an dem ein erkerartig vorſpringendes Fenſter und zwei Roſenbäume ſo ziemlich das Beſte ſind. Die Roſenbäume faſſen das Fenſter ein, aber ſie müſſen den ſchmalen Raum mit zwei Aushänge-Brettern theilen, auf denen wir im Lapidar-Styl leſen: „Schirme reparirt; Drechs- lerarbeit in Holz und Horn.“ Dazu eine große, in Holz geſchnit- tene Tabackspfeife, die als Ornament deutungsreich über dem Ganzen ſchwebt.
Das iſt allerdings, was wir ſuchen. Hier wohnt Carl Weiſe, Poeta und Drechslermeiſter von Freienwalde,
Drechſelt Pfeifen in guter Ruh Und macht auch wohl ’nen Vers dazu.
Das Ganze hat das Anheimelnde einer Poetenwohnung alten
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6.
Hans Sachs von Freienwalde.
Ich habe ſchon wieder auf Lieder gedacht,
Ich fühle ſo friſch mich, ſo jung.
Chamiſſo.
Die Straßen in Freienwalde ſind Hügelſtraßen und führen berg-
auf und bergab. Die belebteſte derſelben, die Berliner Straße, ha-
ben wir eben ihrer ganzen Länge nach paſſirt und noch immer
nicht gefunden, was wir ſuchen. Aber das muß es ſein — es iſt
das letzte Haus. Ein Berg und eine Kirche bilden den Hintergrund,
nach der Straße zu ſtehen drei Linden und inmitten dieſer Land-
ſchafts-Requiſiten erhebt ſich ein alter Fachwerkbau, an dem ein
erkerartig vorſpringendes Fenſter und zwei Roſenbäume ſo ziemlich
das Beſte ſind. Die Roſenbäume faſſen das Fenſter ein, aber ſie
müſſen den ſchmalen Raum mit zwei Aushänge-Brettern theilen,
auf denen wir im Lapidar-Styl leſen: „Schirme reparirt; Drechs-
lerarbeit in Holz und Horn.“ Dazu eine große, in Holz geſchnit-
tene Tabackspfeife, die als Ornament deutungsreich über dem
Ganzen ſchwebt.
Das iſt allerdings, was wir ſuchen. Hier wohnt Carl Weiſe,
Poeta und Drechslermeiſter von Freienwalde,
Drechſelt Pfeifen in guter Ruh
Und macht auch wohl ’nen Vers dazu.
Das Ganze hat das Anheimelnde einer Poetenwohnung alten
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. [295]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/307>, abgerufen am 30.12.2024.
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