Wasser, Wasser überall, Die Tiefe selbst verfaulte, Schlammthiere krabbeln zahllos rings Auf schlammiger Moderflut. Freiligrath, nach Samuel Taylor Coleridge.
Am West-Ufer der Oder, nach rechts hin vom Flusse selber be- grenzt, nach links hin von den Abhängen des Barnim-Plateau's wie von einem gebogenen Arm umfaßt, liegt das Oderbruch. Es ist eine 7 Meilen lange und etwa 2 Meilen breite Niederung, die, ihrem Hauptbestandtheil nach, in ein hohes und niederes Bruch (das Ober-Bruch und das Nieder-Bruch) zerfällt. An diese beiden schließt sich noch, nach Norden hin, (also flußabwärts) das Mittelbruch. Diese Bezeichnung ist schlecht gewählt und wird die Ursache beständiger Verwechselungen. Als "Mittelbruch" vermuthet man es zwischen dem Ober- und Niederbruch gelegen, während es doch umgekehrt, am äußersten Flügel des Bruches liegt. Seinen Namen, der besser einem andern Platz machte, hat es wahrscheinlich daher, weil es inmitten zweier Oderarme sich aus- breitet. Neueren Arbeiten, namentlich dem vorzüglichen Aufsatz des Geh. Rath Wehrmann "die Eindeichung des Oderbruches" ent- nehme ich, daß man angefangen hat, diese schlechte Bezeichnung
Das Oderbruch.
1. Wie es in alten Zeiten war.
Waſſer, Waſſer überall, Die Tiefe ſelbſt verfaulte, Schlammthiere krabbeln zahllos rings Auf ſchlammiger Moderflut. Freiligrath, nach Samuel Taylor Coleridge.
Am Weſt-Ufer der Oder, nach rechts hin vom Fluſſe ſelber be- grenzt, nach links hin von den Abhängen des Barnim-Plateau’s wie von einem gebogenen Arm umfaßt, liegt das Oderbruch. Es iſt eine 7 Meilen lange und etwa 2 Meilen breite Niederung, die, ihrem Hauptbeſtandtheil nach, in ein hohes und niederes Bruch (das Ober-Bruch und das Nieder-Bruch) zerfällt. An dieſe beiden ſchließt ſich noch, nach Norden hin, (alſo flußabwärts) das Mittelbruch. Dieſe Bezeichnung iſt ſchlecht gewählt und wird die Urſache beſtändiger Verwechſelungen. Als „Mittelbruch“ vermuthet man es zwiſchen dem Ober- und Niederbruch gelegen, während es doch umgekehrt, am äußerſten Flügel des Bruches liegt. Seinen Namen, der beſſer einem andern Platz machte, hat es wahrſcheinlich daher, weil es inmitten zweier Oderarme ſich aus- breitet. Neueren Arbeiten, namentlich dem vorzüglichen Aufſatz des Geh. Rath Wehrmann „die Eindeichung des Oderbruches“ ent- nehme ich, daß man angefangen hat, dieſe ſchlechte Bezeichnung
<TEI><text><body><pbfacs="#f0202"n="[190]"/><divn="1"><head><hirendition="#b">Das Oderbruch.</hi></head><lb/><divn="2"><head>1.<lb/><hirendition="#g">Wie es in alten Zeiten war</hi>.</head><lb/><citrendition="#et"><quote> Waſſer, Waſſer überall,<lb/>
Die Tiefe ſelbſt verfaulte,<lb/>
Schlammthiere krabbeln zahllos rings<lb/>
Auf ſchlammiger Moderflut.</quote><lb/><bibl><hirendition="#b">Freiligrath,</hi> nach Samuel Taylor Coleridge.</bibl></cit><lb/><p><hirendition="#in">A</hi>m Weſt-Ufer der Oder, nach rechts hin vom Fluſſe ſelber be-<lb/>
grenzt, nach links hin von den Abhängen des Barnim-Plateau’s<lb/>
wie von einem gebogenen Arm umfaßt, liegt das <hirendition="#g">Oderbruch</hi>.<lb/>
Es iſt eine 7 Meilen lange und etwa 2 Meilen breite Niederung,<lb/>
die, ihrem Hauptbeſtandtheil nach, in ein <hirendition="#g">hohes</hi> und <hirendition="#g">niederes</hi><lb/>
Bruch (das Ober-Bruch und das Nieder-Bruch) zerfällt. An dieſe<lb/>
beiden ſchließt ſich noch, nach Norden hin, (alſo flußabwärts) das<lb/><hirendition="#g">Mittelbruch</hi>. Dieſe Bezeichnung iſt ſchlecht gewählt und wird die<lb/>
Urſache beſtändiger Verwechſelungen. Als „Mittelbruch“ vermuthet<lb/>
man es <hirendition="#g">zwiſchen</hi> dem Ober- und Niederbruch gelegen, während<lb/>
es doch umgekehrt, am <hirendition="#g">äußerſten Flügel</hi> des Bruches liegt.<lb/>
Seinen Namen, der beſſer einem andern Platz machte, hat es<lb/>
wahrſcheinlich daher, weil es <hirendition="#g">inmitten</hi> zweier Oderarme ſich aus-<lb/>
breitet. Neueren Arbeiten, namentlich dem vorzüglichen Aufſatz des<lb/>
Geh. Rath Wehrmann „die Eindeichung des Oderbruches“ ent-<lb/>
nehme ich, daß man angefangen hat, dieſe ſchlechte Bezeichnung<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[[190]/0202]
Das Oderbruch.
1.
Wie es in alten Zeiten war.
Waſſer, Waſſer überall,
Die Tiefe ſelbſt verfaulte,
Schlammthiere krabbeln zahllos rings
Auf ſchlammiger Moderflut.
Freiligrath, nach Samuel Taylor Coleridge.
Am Weſt-Ufer der Oder, nach rechts hin vom Fluſſe ſelber be-
grenzt, nach links hin von den Abhängen des Barnim-Plateau’s
wie von einem gebogenen Arm umfaßt, liegt das Oderbruch.
Es iſt eine 7 Meilen lange und etwa 2 Meilen breite Niederung,
die, ihrem Hauptbeſtandtheil nach, in ein hohes und niederes
Bruch (das Ober-Bruch und das Nieder-Bruch) zerfällt. An dieſe
beiden ſchließt ſich noch, nach Norden hin, (alſo flußabwärts) das
Mittelbruch. Dieſe Bezeichnung iſt ſchlecht gewählt und wird die
Urſache beſtändiger Verwechſelungen. Als „Mittelbruch“ vermuthet
man es zwiſchen dem Ober- und Niederbruch gelegen, während
es doch umgekehrt, am äußerſten Flügel des Bruches liegt.
Seinen Namen, der beſſer einem andern Platz machte, hat es
wahrſcheinlich daher, weil es inmitten zweier Oderarme ſich aus-
breitet. Neueren Arbeiten, namentlich dem vorzüglichen Aufſatz des
Geh. Rath Wehrmann „die Eindeichung des Oderbruches“ ent-
nehme ich, daß man angefangen hat, dieſe ſchlechte Bezeichnung
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. [190]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/202>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.