Glatt ist der See, stumm liegt die Fluth So still als ob sie schliefe, Der Abend ruht wie dunkles Blut Rings auf der finstern Tiefe; Die Binsen im Kreise nur leise Flüstern verstohlener Weise. Schnezler.
Die Spree, auf ihrem Unterlauf, sobald sie sich angesichts der Müggelsberge befindet, bildet (oder durchfließt) ein weites Wasser- becken; -- dies Wasserbecken heißt der Müggelsee, oder die Müggel. Ob erst die Spree war und auf ihrem Laufe diesen See schuf, oder ob beide zu gleicher Zeit geboren wurden und die Spree nur als bloßer Passant, ihren Lauf durch das nahm, was schon da war, muß ich dahingestellt sein lassen. Genug, die Müggel ist einer der größten unter allen märkischen Seen und ein eigner Zauber webt um ihn her. Man kann seine Ufer und das Waldland, das ihn einfaßt, nicht durchwandern, ohne an Sinn und Herz zu empfinden, daß dies ein Boden ist, der seine Sagen ge- tragen haben muß.
Wo die Spree in den Müggelsee tritt und wo sie ihn wieder verläßt, also durch die ganze Länge des See's (fast eine Meile) von einander getrennt, erheben sich die beiden einzigen Dörfer die- ses weiten See-Distrikts, Rahnsdorf und Friedrichshagen, jenes ein altes Dorf, das muthmaßlich bis in die Wendenzeit zurückreicht, dies eine Colonie aus der Zeit des großen Königs,
Der Müggelſee.
Glatt iſt der See, ſtumm liegt die Fluth So ſtill als ob ſie ſchliefe, Der Abend ruht wie dunkles Blut Rings auf der finſtern Tiefe; Die Binſen im Kreiſe nur leiſe Flüſtern verſtohlener Weiſe. Schnezler.
Die Spree, auf ihrem Unterlauf, ſobald ſie ſich angeſichts der Müggelsberge befindet, bildet (oder durchfließt) ein weites Waſſer- becken; — dies Waſſerbecken heißt der Müggelſee, oder die Müggel. Ob erſt die Spree war und auf ihrem Laufe dieſen See ſchuf, oder ob beide zu gleicher Zeit geboren wurden und die Spree nur als bloßer Paſſant, ihren Lauf durch das nahm, was ſchon da war, muß ich dahingeſtellt ſein laſſen. Genug, die Müggel iſt einer der größten unter allen märkiſchen Seen und ein eigner Zauber webt um ihn her. Man kann ſeine Ufer und das Waldland, das ihn einfaßt, nicht durchwandern, ohne an Sinn und Herz zu empfinden, daß dies ein Boden iſt, der ſeine Sagen ge- tragen haben muß.
Wo die Spree in den Müggelſee tritt und wo ſie ihn wieder verläßt, alſo durch die ganze Länge des See’s (faſt eine Meile) von einander getrennt, erheben ſich die beiden einzigen Dörfer die- ſes weiten See-Diſtrikts, Rahnsdorf und Friedrichshagen, jenes ein altes Dorf, das muthmaßlich bis in die Wendenzeit zurückreicht, dies eine Colonie aus der Zeit des großen Königs,
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0390"n="[372]"/><divn="2"><head><hirendition="#b">Der Müggelſee.</hi></head><lb/><cit><quote><hirendition="#et">Glatt iſt der See, ſtumm liegt die Fluth<lb/>
So ſtill als ob ſie ſchliefe,<lb/>
Der Abend ruht wie dunkles Blut<lb/>
Rings auf der finſtern Tiefe;<lb/>
Die Binſen im Kreiſe nur leiſe<lb/>
Flüſtern verſtohlener Weiſe.</hi></quote><lb/><bibl><hirendition="#b #et">Schnezler.</hi></bibl></cit><lb/><p><hirendition="#in">D</hi>ie Spree, auf ihrem Unterlauf, ſobald ſie ſich angeſichts der<lb/>
Müggelsberge befindet, bildet (oder durchfließt) ein weites Waſſer-<lb/>
becken; — dies Waſſerbecken heißt der <hirendition="#g">Müggelſee</hi>, oder die<lb/><hirendition="#g">Müggel</hi>. Ob erſt die Spree war und auf ihrem Laufe dieſen<lb/>
See ſchuf, oder ob beide zu gleicher Zeit geboren wurden und<lb/>
die Spree nur als bloßer Paſſant, ihren Lauf durch das nahm,<lb/>
was ſchon da war, muß ich dahingeſtellt ſein laſſen. Genug, die<lb/>
Müggel iſt einer der größten unter allen märkiſchen Seen und ein<lb/>
eigner Zauber webt um ihn her. Man kann ſeine Ufer und das<lb/>
Waldland, das ihn einfaßt, nicht durchwandern, ohne an Sinn und<lb/>
Herz zu empfinden, daß dies ein Boden iſt, der ſeine Sagen ge-<lb/>
tragen haben muß.</p><lb/><p>Wo die Spree in den Müggelſee tritt und wo ſie ihn wieder<lb/>
verläßt, alſo durch die ganze Länge des See’s (faſt eine Meile)<lb/>
von einander getrennt, erheben ſich die beiden einzigen Dörfer die-<lb/>ſes weiten See-Diſtrikts, <hirendition="#g">Rahnsdorf</hi> und <hirendition="#g">Friedrichshagen</hi>,<lb/>
jenes ein altes Dorf, das muthmaßlich bis in die Wendenzeit<lb/>
zurückreicht, dies eine Colonie aus der Zeit des großen Königs,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[[372]/0390]
Der Müggelſee.
Glatt iſt der See, ſtumm liegt die Fluth
So ſtill als ob ſie ſchliefe,
Der Abend ruht wie dunkles Blut
Rings auf der finſtern Tiefe;
Die Binſen im Kreiſe nur leiſe
Flüſtern verſtohlener Weiſe.
Schnezler.
Die Spree, auf ihrem Unterlauf, ſobald ſie ſich angeſichts der
Müggelsberge befindet, bildet (oder durchfließt) ein weites Waſſer-
becken; — dies Waſſerbecken heißt der Müggelſee, oder die
Müggel. Ob erſt die Spree war und auf ihrem Laufe dieſen
See ſchuf, oder ob beide zu gleicher Zeit geboren wurden und
die Spree nur als bloßer Paſſant, ihren Lauf durch das nahm,
was ſchon da war, muß ich dahingeſtellt ſein laſſen. Genug, die
Müggel iſt einer der größten unter allen märkiſchen Seen und ein
eigner Zauber webt um ihn her. Man kann ſeine Ufer und das
Waldland, das ihn einfaßt, nicht durchwandern, ohne an Sinn und
Herz zu empfinden, daß dies ein Boden iſt, der ſeine Sagen ge-
tragen haben muß.
Wo die Spree in den Müggelſee tritt und wo ſie ihn wieder
verläßt, alſo durch die ganze Länge des See’s (faſt eine Meile)
von einander getrennt, erheben ſich die beiden einzigen Dörfer die-
ſes weiten See-Diſtrikts, Rahnsdorf und Friedrichshagen,
jenes ein altes Dorf, das muthmaßlich bis in die Wendenzeit
zurückreicht, dies eine Colonie aus der Zeit des großen Königs,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. [372]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/390>, abgerufen am 30.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.