[Spaltenumbruch]
Bauer unter dem Arm bekommt, und schreyet, daß die Nachbarn zulauffen, und den rasenden Hund todt schmeissen. Die- sen Mann ließ der Churfürst zu Stolberg heilen, daß er wieder gehen konte, allein er blieb immer melancholisch, und starb darauf in kurtzer Zeit.
§. 4.
Jn Böhmen haben einstens die Wölffe und Luchse in einem gewissen Strich und Walde in kurtzer Zeit eine sol- che Wüsteney um sich gemacht, daß kein Hase, kein Reh, kein Vogel, nicht ein- mahl auf viele Meilweges gesehen wor- den. Balbin. Miscell. Histor. Regn. Bo- hem. p. 141. Jn den morgenländischen Provintzen giebt es eine gewisse Art Wölf- fe, die sind kleiner als unsere, und doch grösser als die Füchse, von Farbe gantz dunckel, halten sich Heerdenweise zusam- men, schaden den Menschen und Vieh eben nicht sonderlich, heulen des Nachts er- schrecklich, und wiederholen offters den Klang Wau, Wau, wenn der eine an- fängt, antworten die andern alle mit glei- cher Stimme, ist der eine getödtet, so la- gern sich die andern alle um ihn herum, und klagen mit entsetzlichem Heulen ihren Todten. Jhre Kost holen sie mehr mit List, als mit Gewalt. Des Nachts drin- gen sie in der Türcken ihre Zelte, und ver- zehren, was sie daselbst von Speise-Waa- ren antreffen. Finden sie sonst nichts, machen sie sich an das Lederwerck, an Schuh, Stiefeln, Degen-Gehencke, u. s. w. Sie haben alle Requisita, die zum Rauben nöthig sind, als nur, daß sie sich selbst verrathen. Denn wenn einer von ihren Cameraden haussen geblieben, und zu heulen anfängt, so thun die andern al- le dergleichen, uneingedenck, wo sie sich aufhalten. Uber dieses Geschrey erwa- chen nun die Menschen, und schlagen die- se kundgewordenen Diebe todt.
§. 5.
Kircherus meldet l. 3. de arte Magnetica Part. VIII. p. 753. daß er ein- stens gesehen, wie ein Wolff mit den Scha- fen so fleißig und freundlich umgegangen, und ihnen nicht das geringste gethan, nicht anders, als ein Hund. Die Ursach ist viel- leicht diese, weil er, wie im vorhergehenden bereits erwehnet worden, etwan gantz jung bey den Schafen aufgezogen wor- den, oder weil ein Schäffer-Hund vielleicht Vater von ihm gewesen. Man trifft auch dergleichen Historien in den Ephe- meridibus Naturae Curiosorum an Dec. [Spaltenumbruch]
2. An. 15. in Append. p. 55. Es stehen eini- ge in den Gedancken, als ob es möglich sey, daß sich böse Menschen in Wölffe verstel- len könten, und will man auch hin und wieder dergleichen Historien wissen, daß solches würcklich geschehen sey. Allein dieselbe Verwandlung ist wohl niemahls würcklich vorgegangen, sondern rühret entweder aus einer verdorbenen Phanta- sie her, da sich die Leute bey hitzigen Haupt- Kranckheiten und Rasereyen eingebildet, sie wären zu Wölffen geworden, und ge- bärden sich dahero wie die Wölffe, blei- ben aber, in den Augen anderer Leute, Menschen, oder sie wird durch des Sa- tans Gauckeleyen, da er andern Leuten die Augen verblendet, zuwege gebracht. S. Thomasii Dissertationem de Trans- formatione hominum in bruta.
§. 6.
Jn Engelland, und auf der Jnsul Sardinien werden keine Wölffe angetroffen. Wenn die Aegyptier die gantz nahe bevorstehende Gefahr durch ein Bild haben vorstellig machen wollen, so haben sie einen Wolff und einen Stein gemahlet, denn er fürchtet nicht so sehr Eisen und Geschoß, als die Steine. Da- fern einer seinen Leib mit einer Salbe, so von den Nieren eines Löwen zuberei- tet, schmieret, und der Wolff wittert die- se Salbe, so soll er nach dem Zeugniß AEsculapii alsobald fliehen, und den Men- schen unbeschädiget lassen. So begierig als die Wölffe auf den Fraß sind, so hat man doch selten erfahren, daß sie sich an Menschen gemacht, wenn sie Gelegen- heit gehabt, Thiere zu zerreissen, und wenn es sich zugetragen, daß durch eine Ver- unglückung ein Mensch und ein Wolff zu- sammen gekommen, wie man einige Hi- storien hat, daß ein Wolff und ein Mensch in einen Graben gefallen, so ist der Wolff hierdurch in solch Schrecken gerathen, daß er auf einer Stelle stehen blieben, und vor Furcht dem Menschen nicht das ge- ringste zu Leyde gethan. Aus der Rö- mischen Historie ist sonst bekandt, daß ei- ne Wölffin die beyden Brüder Romulum und Remum, die zur Erbauung der Stadt Rom den ersten Grundstein geleget, eine Zeitlang gesäuget, und gedencket Plinius, daß auf dem Marckt zu Rom der Fei- genbaum, unter welchem die beyden Kin- der nebst der Wölffin gefunden worden, göttlich verehret worden.
§. 7.
Die Wolffs-Zähne werden in Silber eingefasset, und denen Kindern
ange-
Hiſtoriſche Anmerckungen von Woͤlffen.
[Spaltenumbruch]
Bauer unter dem Arm bekommt, und ſchreyet, daß die Nachbarn zulauffen, und den raſenden Hund todt ſchmeiſſen. Die- ſen Mann ließ der Churfuͤrſt zu Stolberg heilen, daß er wieder gehen konte, allein er blieb immer melancholiſch, und ſtarb darauf in kurtzer Zeit.
§. 4.
Jn Boͤhmen haben einſtens die Woͤlffe und Luchſe in einem gewiſſen Strich und Walde in kurtzer Zeit eine ſol- che Wuͤſteney um ſich gemacht, daß kein Haſe, kein Reh, kein Vogel, nicht ein- mahl auf viele Meilweges geſehen wor- den. Balbin. Miſcell. Hiſtor. Regn. Bo- hem. p. 141. Jn den morgenlaͤndiſchen Provintzen giebt es eine gewiſſe Art Woͤlf- fe, die ſind kleiner als unſere, und doch groͤſſer als die Fuͤchſe, von Farbe gantz dunckel, halten ſich Heerdenweiſe zuſam- men, ſchaden den Menſchen und Vieh eben nicht ſonderlich, heulen des Nachts er- ſchrecklich, und wiederholen offters den Klang Wau, Wau, wenn der eine an- faͤngt, antworten die andern alle mit glei- cher Stimme, iſt der eine getoͤdtet, ſo la- gern ſich die andern alle um ihn herum, und klagen mit entſetzlichem Heulen ihren Todten. Jhre Koſt holen ſie mehr mit Liſt, als mit Gewalt. Des Nachts drin- gen ſie in der Tuͤrcken ihre Zelte, und ver- zehren, was ſie daſelbſt von Speiſe-Waa- ren antreffen. Finden ſie ſonſt nichts, machen ſie ſich an das Lederwerck, an Schuh, Stiefeln, Degen-Gehencke, u. ſ. w. Sie haben alle Requiſita, die zum Rauben noͤthig ſind, als nur, daß ſie ſich ſelbſt verrathen. Denn wenn einer von ihren Cameraden hauſſen geblieben, und zu heulen anfaͤngt, ſo thun die andern al- le dergleichen, uneingedenck, wo ſie ſich aufhalten. Uber dieſes Geſchrey erwa- chen nun die Menſchen, und ſchlagen die- ſe kundgewordenen Diebe todt.
§. 5.
Kircherus meldet l. 3. de arte Magnetica Part. VIII. p. 753. daß er ein- ſtens geſehen, wie ein Wolff mit den Scha- fen ſo fleißig und freundlich umgegangen, und ihnen nicht das geringſte gethan, nicht anders, als ein Hund. Die Urſach iſt viel- leicht dieſe, weil er, wie im vorhergehenden bereits erwehnet worden, etwan gantz jung bey den Schafen aufgezogen wor- den, oder weil ein Schaͤffer-Hund vielleicht Vater von ihm geweſen. Man trifft auch dergleichen Hiſtorien in den Ephe- meridibus Naturæ Curioſorum an Dec. [Spaltenumbruch]
2. An. 15. in Append. p. 55. Es ſtehen eini- ge in den Gedancken, als ob es moͤglich ſey, daß ſich boͤſe Menſchen in Woͤlffe verſtel- len koͤnten, und will man auch hin und wieder dergleichen Hiſtorien wiſſen, daß ſolches wuͤrcklich geſchehen ſey. Allein dieſelbe Verwandlung iſt wohl niemahls wuͤrcklich vorgegangen, ſondern ruͤhret entweder aus einer verdorbenen Phanta- ſie her, da ſich die Leute bey hitzigen Haupt- Kranckheiten und Raſereyen eingebildet, ſie waͤren zu Woͤlffen geworden, und ge- baͤrden ſich dahero wie die Woͤlffe, blei- ben aber, in den Augen anderer Leute, Menſchen, oder ſie wird durch des Sa- tans Gauckeleyen, da er andern Leuten die Augen verblendet, zuwege gebracht. S. Thomaſii Diſſertationem de Trans- formatione hominum in bruta.
§. 6.
Jn Engelland, und auf der Jnſul Sardinien werden keine Woͤlffe angetroffen. Wenn die Aegyptier die gantz nahe bevorſtehende Gefahr durch ein Bild haben vorſtellig machen wollen, ſo haben ſie einen Wolff und einen Stein gemahlet, denn er fuͤrchtet nicht ſo ſehr Eiſen und Geſchoß, als die Steine. Da- fern einer ſeinen Leib mit einer Salbe, ſo von den Nieren eines Loͤwen zuberei- tet, ſchmieret, und der Wolff wittert die- ſe Salbe, ſo ſoll er nach dem Zeugniß Æſculapii alſobald fliehen, und den Men- ſchen unbeſchaͤdiget laſſen. So begierig als die Woͤlffe auf den Fraß ſind, ſo hat man doch ſelten erfahren, daß ſie ſich an Menſchen gemacht, wenn ſie Gelegen- heit gehabt, Thiere zu zerreiſſen, und wenn es ſich zugetragen, daß durch eine Ver- ungluͤckung ein Menſch und ein Wolff zu- ſammen gekommen, wie man einige Hi- ſtorien hat, daß ein Wolff und ein Menſch in einen Graben gefallen, ſo iſt der Wolff hierdurch in ſolch Schrecken gerathen, daß er auf einer Stelle ſtehen blieben, und vor Furcht dem Menſchen nicht das ge- ringſte zu Leyde gethan. Aus der Roͤ- miſchen Hiſtorie iſt ſonſt bekandt, daß ei- ne Woͤlffin die beyden Bruͤder Romulum und Remum, die zur Erbauung der Stadt Rom den erſten Grundſtein geleget, eine Zeitlang geſaͤuget, und gedencket Plinius, daß auf dem Marckt zu Rom der Fei- genbaum, unter welchem die beyden Kin- der nebſt der Woͤlffin gefunden worden, goͤttlich verehret worden.
§. 7.
Die Wolffs-Zaͤhne werden in Silber eingefaſſet, und denen Kindern
ange-
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[143/0231]
Hiſtoriſche Anmerckungen von Woͤlffen.
Bauer unter dem Arm bekommt, und
ſchreyet, daß die Nachbarn zulauffen, und
den raſenden Hund todt ſchmeiſſen. Die-
ſen Mann ließ der Churfuͤrſt zu Stolberg
heilen, daß er wieder gehen konte, allein er
blieb immer melancholiſch, und ſtarb
darauf in kurtzer Zeit.
§. 4. Jn Boͤhmen haben einſtens
die Woͤlffe und Luchſe in einem gewiſſen
Strich und Walde in kurtzer Zeit eine ſol-
che Wuͤſteney um ſich gemacht, daß kein
Haſe, kein Reh, kein Vogel, nicht ein-
mahl auf viele Meilweges geſehen wor-
den. Balbin. Miſcell. Hiſtor. Regn. Bo-
hem. p. 141. Jn den morgenlaͤndiſchen
Provintzen giebt es eine gewiſſe Art Woͤlf-
fe, die ſind kleiner als unſere, und doch
groͤſſer als die Fuͤchſe, von Farbe gantz
dunckel, halten ſich Heerdenweiſe zuſam-
men, ſchaden den Menſchen und Vieh eben
nicht ſonderlich, heulen des Nachts er-
ſchrecklich, und wiederholen offters den
Klang Wau, Wau, wenn der eine an-
faͤngt, antworten die andern alle mit glei-
cher Stimme, iſt der eine getoͤdtet, ſo la-
gern ſich die andern alle um ihn herum,
und klagen mit entſetzlichem Heulen ihren
Todten. Jhre Koſt holen ſie mehr mit
Liſt, als mit Gewalt. Des Nachts drin-
gen ſie in der Tuͤrcken ihre Zelte, und ver-
zehren, was ſie daſelbſt von Speiſe-Waa-
ren antreffen. Finden ſie ſonſt nichts,
machen ſie ſich an das Lederwerck, an
Schuh, Stiefeln, Degen-Gehencke, u. ſ.
w. Sie haben alle Requiſita, die zum
Rauben noͤthig ſind, als nur, daß ſie ſich
ſelbſt verrathen. Denn wenn einer von
ihren Cameraden hauſſen geblieben, und
zu heulen anfaͤngt, ſo thun die andern al-
le dergleichen, uneingedenck, wo ſie ſich
aufhalten. Uber dieſes Geſchrey erwa-
chen nun die Menſchen, und ſchlagen die-
ſe kundgewordenen Diebe todt.
§. 5. Kircherus meldet l. 3. de arte
Magnetica Part. VIII. p. 753. daß er ein-
ſtens geſehen, wie ein Wolff mit den Scha-
fen ſo fleißig und freundlich umgegangen,
und ihnen nicht das geringſte gethan, nicht
anders, als ein Hund. Die Urſach iſt viel-
leicht dieſe, weil er, wie im vorhergehenden
bereits erwehnet worden, etwan gantz
jung bey den Schafen aufgezogen wor-
den, oder weil ein Schaͤffer-Hund vielleicht
Vater von ihm geweſen. Man trifft
auch dergleichen Hiſtorien in den Ephe-
meridibus Naturæ Curioſorum an Dec.
2. An. 15. in Append. p. 55. Es ſtehen eini-
ge in den Gedancken, als ob es moͤglich ſey,
daß ſich boͤſe Menſchen in Woͤlffe verſtel-
len koͤnten, und will man auch hin und
wieder dergleichen Hiſtorien wiſſen, daß
ſolches wuͤrcklich geſchehen ſey. Allein
dieſelbe Verwandlung iſt wohl niemahls
wuͤrcklich vorgegangen, ſondern ruͤhret
entweder aus einer verdorbenen Phanta-
ſie her, da ſich die Leute bey hitzigen Haupt-
Kranckheiten und Raſereyen eingebildet,
ſie waͤren zu Woͤlffen geworden, und ge-
baͤrden ſich dahero wie die Woͤlffe, blei-
ben aber, in den Augen anderer Leute,
Menſchen, oder ſie wird durch des Sa-
tans Gauckeleyen, da er andern Leuten
die Augen verblendet, zuwege gebracht.
S. Thomaſii Diſſertationem de Trans-
formatione hominum in bruta.
§. 6. Jn Engelland, und auf der
Jnſul Sardinien werden keine Woͤlffe
angetroffen. Wenn die Aegyptier die
gantz nahe bevorſtehende Gefahr durch
ein Bild haben vorſtellig machen wollen,
ſo haben ſie einen Wolff und einen Stein
gemahlet, denn er fuͤrchtet nicht ſo ſehr
Eiſen und Geſchoß, als die Steine. Da-
fern einer ſeinen Leib mit einer Salbe,
ſo von den Nieren eines Loͤwen zuberei-
tet, ſchmieret, und der Wolff wittert die-
ſe Salbe, ſo ſoll er nach dem Zeugniß
Æſculapii alſobald fliehen, und den Men-
ſchen unbeſchaͤdiget laſſen. So begierig
als die Woͤlffe auf den Fraß ſind, ſo hat
man doch ſelten erfahren, daß ſie ſich an
Menſchen gemacht, wenn ſie Gelegen-
heit gehabt, Thiere zu zerreiſſen, und wenn
es ſich zugetragen, daß durch eine Ver-
ungluͤckung ein Menſch und ein Wolff zu-
ſammen gekommen, wie man einige Hi-
ſtorien hat, daß ein Wolff und ein Menſch
in einen Graben gefallen, ſo iſt der Wolff
hierdurch in ſolch Schrecken gerathen, daß
er auf einer Stelle ſtehen blieben, und
vor Furcht dem Menſchen nicht das ge-
ringſte zu Leyde gethan. Aus der Roͤ-
miſchen Hiſtorie iſt ſonſt bekandt, daß ei-
ne Woͤlffin die beyden Bruͤder Romulum
und Remum, die zur Erbauung der Stadt
Rom den erſten Grundſtein geleget, eine
Zeitlang geſaͤuget, und gedencket Plinius,
daß auf dem Marckt zu Rom der Fei-
genbaum, unter welchem die beyden Kin-
der nebſt der Woͤlffin gefunden worden,
goͤttlich verehret worden.
§. 7. Die Wolffs-Zaͤhne werden in
Silber eingefaſſet, und denen Kindern
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Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 2. Leipzig, 1724, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger02_1724/231>, abgerufen am 30.12.2024.
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