[Spaltenumbruch]
erholen. Die Frantzosen haben von den alten Hasen ein Sprichwort: Les vieus lievres & oisons sont une viande des de- mons; Die alten Hasen und Gänse wären eine Speise der Teufel.
§. 2.
Auf dem Churfürstlichen Schlos- se zur Augustusburg, welches droben im Gebürge ein paar Meilen von Freyberg und Chemnitz gelegen, trifft man nicht al- lein einige Gehörne an von Hasen, fon- dern man siehet auch daselbst in allen Zim- mern theils an der Decke, theils über den Thüren, sehr viel Hasen-Historien ange- mahlt, deren Erfindung bißweilen lächer- lich, bißweilen aber einfältig, und auch wohl gar sündlich ist; An einem Orte halten sie Gerichte, am andern machen sie Hochzeit, am dritten halten sie eine Jagd, ja die gemahlten Hasen nehmen daselbst fast alles vor, was von vernünfftigen Leuten in der Welt hier und da zu ge- schehen pflegt. Sonst ist auch an vielen Orten unsers Sachsen-Landes bey dem gemeinen Volck die Meynung eingerissen, daß sie, wenn sie einen Hasen zumahl an dem Orte, wo dieselben eben nicht so gar dicke sind, in ein Städtgen lauffen sehen, solches vor ein Omen einer Feuers-Brunst halten, und will man hin und wieder un- terschiedene Historien erzehlen, daß, nach- dem diese Thiere an ungewöhnlichen Or- ten sich hätten sehen lassen, Feuers-Brün- ste darauf erfolget wären. Allein ver- nünfftige Leute erkennen gar lelcht, daß solches ein purer Aberglauben sey.
§. 3.
Aus dem 51. Epigr. des I. Buchs des Martialis ist zu muthmassen, daß die Alten mehr Vergnügen gehabt an der Hasen, als an der Hirsche, wilden Schwei- ne, und anderer Thiere Jagd. An. 1694. war die Hasen-Jagd dem Türckischen Groß-Vezier Achmet Bassa so gefährlich, daß er dieser halber von dem Groß-Sul- tan seiner Charge entsetzet, und ein ande- rer an dessen Stelle, nemlich der Ali Bassa von Tripoli erwehlet wurde, weil man dem Groß-Sultan vorgebracht, daß der Achmet Bassa die Reichs-Geschäffte fah- ren liesse, und die Zeit mit nichts anders, als Hasen-Jagden zubrächte. S. den XIII. Theil des Theatr. Europ. p. 717.
§. 4.
Jenisius erzehlet in seiner Be- schreibung von Annaberg, daß man zu unterschiedenen mahlen um die Annaber- gische Gegend gehörnte Hasen gefangen. Anno 1613. ließ auch Churfürst Johann Georg der I. auf dem Zuckmantel und Geyerischen Walde abschiessen, und die [Spaltenumbruch]
Geweyhe im Crotendorfischen Jäger- Hause aufhängen, da unter andern son- derlich merckwürdig gewesen ein Gehör- ne von einem Hasen mit zwey Zincken forne heraus. Anno 1643. ist eine wilde Katze zu Scheibenberg im Spital gefan- gen, gestreifft, und in die Stube gehan- gen worden. Diese hat ein Soldat von einer Schwedischen Raub-Parthey vor einen Hasen mitgenommen, und verzeh- ret, und setzet der Herr Lehmann in sei- ner Ertzgebürgischen Chronicke p. 603. Solchen Jägern gehöret auch solch Wild- präth. Lyncaeus erzehlet in seiner Me- xicanischen Historie, f. 812. daß er nebst Julio Sinibaldo in einem Jahre unter hundert und mehr Hasen, die er accurat anatomiret gehabt, kaum vier Männli- che angetroffen, die andern wären alle Häsin, und welches zu verwundern, mehrentheils trächtig gewesen.
§. 5.
Balbinus gedencket in den Miscel- lan. Histor. Bohem. Dec. 1. l. 1. c. 58. p. 173. daß einstens ein Jäger des Clatovischen Collegii, so in Böhmen den Jesuiten zu- ständig ist, als er früh morgens auf die Jagd gegangen, einen sehr grossen Hasen aufgestossen, der, wenn er gelauffen, nicht anders geschienen, als ob er auf dem Rü- cken etwas aufgepackt, und solches mit sich schleppte. Der Jäger wurde wegen die- ser neuen Invention vom Hasen sehr cou- rieus, ihn zu fangen, und nahm deswe- gen Hunde mit sich. Der Hase war aber seiner auf dem Rücken habenden Last un- geachtet so schnell auf die Läuffte, daß er den Hunden allezeit entwischte. Der Jä- ger hielte dieses lange Zeit vor ein Geäffe des Teufels. Als man aber den gantzen Platz mit Netzen und Garnen umstellet hatte, so fing man dieses Monstrum, und wurde gewahr, daß er seinen Bruder, der in dem Bauch seiner Mutter ange- wachsen war, und sich von ihm nicht hatte absondern können, auf dem Rücken trug, und dieses beyde Hasen-Geschwister wu- ste das Futter und Geträncke so mit ein- ander zu theilen, daß bald dieser, bald je- ner fraß, bald dieser, bald jener tranck. Balbinus sagt, daß diese Erzehlung un- gläublich schiene, wenn er nicht so viel re- ligiöse und glaubwürdige Zeugen aus dem Jesuiter-Collegio vor sich hätte. Es machen auch diese Historie mit glaub- würdig die Geschichte und beygefügten Risse von allerhand monströsen Hasen, die man in den Ephemeridibus Acade-
miae
Des Andern Theils 46. Capitel/
[Spaltenumbruch]
erholen. Die Frantzoſen haben von den alten Haſen ein Sprichwort: Les vieus lievres & oiſons ſont une viande des de- mons; Die alten Haſen und Gaͤnſe waͤren eine Speiſe der Teufel.
§. 2.
Auf dem Churfuͤrſtlichen Schloſ- ſe zur Auguſtusburg, welches droben im Gebuͤrge ein paar Meilen von Freyberg und Chemnitz gelegen, trifft man nicht al- lein einige Gehoͤrne an von Haſen, fon- dern man ſiehet auch daſelbſt in allen Zim- mern theils an der Decke, theils uͤber den Thuͤren, ſehr viel Haſen-Hiſtorien ange- mahlt, deren Erfindung bißweilen laͤcher- lich, bißweilen aber einfaͤltig, und auch wohl gar ſuͤndlich iſt; An einem Orte halten ſie Gerichte, am andern machen ſie Hochzeit, am dritten halten ſie eine Jagd, ja die gemahlten Haſen nehmen daſelbſt faſt alles vor, was von vernuͤnfftigen Leuten in der Welt hier und da zu ge- ſchehen pflegt. Sonſt iſt auch an vielen Orten unſers Sachſen-Landes bey dem gemeinen Volck die Meynung eingeriſſen, daß ſie, wenn ſie einen Haſen zumahl an dem Orte, wo dieſelben eben nicht ſo gar dicke ſind, in ein Staͤdtgen lauffen ſehen, ſolches voꝛ ein Omen einer Feuers-Brunſt halten, und will man hin und wieder un- terſchiedene Hiſtorien erzehlen, daß, nach- dem dieſe Thiere an ungewoͤhnlichen Or- ten ſich haͤtten ſehen laſſen, Feuers-Bruͤn- ſte darauf erfolget waͤren. Allein ver- nuͤnfftige Leute erkennen gar lelcht, daß ſolches ein purer Aberglauben ſey.
§. 3.
Aus dem 51. Epigr. des I. Buchs des Martialis iſt zu muthmaſſen, daß die Alten mehr Vergnuͤgen gehabt an der Haſen, als an der Hirſche, wilden Schwei- ne, und anderer Thiere Jagd. An. 1694. war die Haſen-Jagd dem Tuͤrckiſchen Groß-Vezier Achmet Baſſa ſo gefaͤhrlich, daß er dieſer halber von dem Groß-Sul- tan ſeiner Charge entſetzet, und ein ande- rer an deſſen Stelle, nemlich der Ali Baſſa von Tripoli erwehlet wurde, weil man dem Groß-Sultan vorgebracht, daß der Achmet Baſſa die Reichs-Geſchaͤffte fah- ren lieſſe, und die Zeit mit nichts anders, als Haſen-Jagden zubraͤchte. S. den XIII. Theil des Theatr. Europ. p. 717.
§. 4.
Jeniſius erzehlet in ſeiner Be- ſchreibung von Annaberg, daß man zu unterſchiedenen mahlen um die Annaber- giſche Gegend gehoͤrnte Haſen gefangen. Anno 1613. ließ auch Churfuͤrſt Johann Georg der I. auf dem Zuckmantel und Geyeriſchen Walde abſchieſſen, und die [Spaltenumbruch]
Geweyhe im Crotendorfiſchen Jaͤger- Hauſe aufhaͤngen, da unter andern ſon- derlich merckwuͤrdig geweſen ein Gehoͤr- ne von einem Haſen mit zwey Zincken forne heraus. Anno 1643. iſt eine wilde Katze zu Scheibenberg im Spital gefan- gen, geſtreifft, und in die Stube gehan- gen worden. Dieſe hat ein Soldat von einer Schwediſchen Raub-Parthey vor einen Haſen mitgenommen, und verzeh- ret, und ſetzet der Herr Lehmann in ſei- ner Ertzgebuͤrgiſchen Chronicke p. 603. Solchen Jaͤgern gehoͤret auch ſolch Wild- praͤth. Lyncæus erzehlet in ſeiner Me- xicaniſchen Hiſtorie, f. 812. daß er nebſt Julio Sinibaldo in einem Jahre unter hundert und mehr Haſen, die er accurat anatomiret gehabt, kaum vier Maͤnnli- che angetroffen, die andern waͤren alle Haͤſin, und welches zu verwundern, mehrentheils traͤchtig geweſen.
§. 5.
Balbinus gedencket in den Miſcel- lan. Hiſtor. Bohem. Dec. 1. l. 1. c. 58. p. 173. daß einſtens ein Jaͤger des Clatoviſchen Collegii, ſo in Boͤhmen den Jeſuiten zu- ſtaͤndig iſt, als er fruͤh morgens auf die Jagd gegangen, einen ſehr groſſen Haſen aufgeſtoſſen, der, wenn er gelauffen, nicht anders geſchienen, als ob er auf dem Ruͤ- cken etwas aufgepackt, und ſolches mit ſich ſchleppte. Der Jaͤger wurde wegen die- ſer neuen Invention vom Haſen ſehr cou- rieus, ihn zu fangen, und nahm deswe- gen Hunde mit ſich. Der Haſe war aber ſeiner auf dem Ruͤcken habenden Laſt un- geachtet ſo ſchnell auf die Laͤuffte, daß er den Hunden allezeit entwiſchte. Der Jaͤ- ger hielte dieſes lange Zeit vor ein Geaͤffe des Teufels. Als man aber den gantzen Platz mit Netzen und Garnen umſtellet hatte, ſo fing man dieſes Monſtrum, und wurde gewahr, daß er ſeinen Bruder, der in dem Bauch ſeiner Mutter ange- wachſen war, und ſich von ihm nicht hatte abſondern koͤnnen, auf dem Ruͤcken trug, und dieſes beyde Haſen-Geſchwiſter wu- ſte das Futter und Getraͤncke ſo mit ein- ander zu theilen, daß bald dieſer, bald je- ner fraß, bald dieſer, bald jener tranck. Balbinus ſagt, daß dieſe Erzehlung un- glaͤublich ſchiene, wenn er nicht ſo viel re- ligiöſe und glaubwuͤrdige Zeugen aus dem Jeſuiter-Collegio vor ſich haͤtte. Es machen auch dieſe Hiſtorie mit glaub- wuͤrdig die Geſchichte und beygefuͤgten Riſſe von allerhand monſtröſen Haſen, die man in den Ephemeridibus Acade-
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[134/0222]
Des Andern Theils 46. Capitel/
erholen. Die Frantzoſen haben von den
alten Haſen ein Sprichwort: Les vieus
lievres & oiſons ſont une viande des de-
mons; Die alten Haſen und Gaͤnſe waͤren
eine Speiſe der Teufel.
§. 2. Auf dem Churfuͤrſtlichen Schloſ-
ſe zur Auguſtusburg, welches droben im
Gebuͤrge ein paar Meilen von Freyberg
und Chemnitz gelegen, trifft man nicht al-
lein einige Gehoͤrne an von Haſen, fon-
dern man ſiehet auch daſelbſt in allen Zim-
mern theils an der Decke, theils uͤber den
Thuͤren, ſehr viel Haſen-Hiſtorien ange-
mahlt, deren Erfindung bißweilen laͤcher-
lich, bißweilen aber einfaͤltig, und auch
wohl gar ſuͤndlich iſt; An einem Orte
halten ſie Gerichte, am andern machen ſie
Hochzeit, am dritten halten ſie eine Jagd,
ja die gemahlten Haſen nehmen daſelbſt
faſt alles vor, was von vernuͤnfftigen
Leuten in der Welt hier und da zu ge-
ſchehen pflegt. Sonſt iſt auch an vielen
Orten unſers Sachſen-Landes bey dem
gemeinen Volck die Meynung eingeriſſen,
daß ſie, wenn ſie einen Haſen zumahl an
dem Orte, wo dieſelben eben nicht ſo gar
dicke ſind, in ein Staͤdtgen lauffen ſehen,
ſolches voꝛ ein Omen einer Feuers-Brunſt
halten, und will man hin und wieder un-
terſchiedene Hiſtorien erzehlen, daß, nach-
dem dieſe Thiere an ungewoͤhnlichen Or-
ten ſich haͤtten ſehen laſſen, Feuers-Bruͤn-
ſte darauf erfolget waͤren. Allein ver-
nuͤnfftige Leute erkennen gar lelcht, daß
ſolches ein purer Aberglauben ſey.
§. 3. Aus dem 51. Epigr. des I. Buchs
des Martialis iſt zu muthmaſſen, daß die
Alten mehr Vergnuͤgen gehabt an der
Haſen, als an der Hirſche, wilden Schwei-
ne, und anderer Thiere Jagd. An. 1694.
war die Haſen-Jagd dem Tuͤrckiſchen
Groß-Vezier Achmet Baſſa ſo gefaͤhrlich,
daß er dieſer halber von dem Groß-Sul-
tan ſeiner Charge entſetzet, und ein ande-
rer an deſſen Stelle, nemlich der Ali Baſſa
von Tripoli erwehlet wurde, weil man
dem Groß-Sultan vorgebracht, daß der
Achmet Baſſa die Reichs-Geſchaͤffte fah-
ren lieſſe, und die Zeit mit nichts anders,
als Haſen-Jagden zubraͤchte. S. den
XIII. Theil des Theatr. Europ. p. 717.
§. 4. Jeniſius erzehlet in ſeiner Be-
ſchreibung von Annaberg, daß man zu
unterſchiedenen mahlen um die Annaber-
giſche Gegend gehoͤrnte Haſen gefangen.
Anno 1613. ließ auch Churfuͤrſt Johann
Georg der I. auf dem Zuckmantel und
Geyeriſchen Walde abſchieſſen, und die
Geweyhe im Crotendorfiſchen Jaͤger-
Hauſe aufhaͤngen, da unter andern ſon-
derlich merckwuͤrdig geweſen ein Gehoͤr-
ne von einem Haſen mit zwey Zincken
forne heraus. Anno 1643. iſt eine wilde
Katze zu Scheibenberg im Spital gefan-
gen, geſtreifft, und in die Stube gehan-
gen worden. Dieſe hat ein Soldat von
einer Schwediſchen Raub-Parthey vor
einen Haſen mitgenommen, und verzeh-
ret, und ſetzet der Herr Lehmann in ſei-
ner Ertzgebuͤrgiſchen Chronicke p. 603.
Solchen Jaͤgern gehoͤret auch ſolch Wild-
praͤth. Lyncæus erzehlet in ſeiner Me-
xicaniſchen Hiſtorie, f. 812. daß er nebſt
Julio Sinibaldo in einem Jahre unter
hundert und mehr Haſen, die er accurat
anatomiret gehabt, kaum vier Maͤnnli-
che angetroffen, die andern waͤren alle
Haͤſin, und welches zu verwundern,
mehrentheils traͤchtig geweſen.
§. 5. Balbinus gedencket in den Miſcel-
lan. Hiſtor. Bohem. Dec. 1. l. 1. c. 58. p. 173.
daß einſtens ein Jaͤger des Clatoviſchen
Collegii, ſo in Boͤhmen den Jeſuiten zu-
ſtaͤndig iſt, als er fruͤh morgens auf die
Jagd gegangen, einen ſehr groſſen Haſen
aufgeſtoſſen, der, wenn er gelauffen, nicht
anders geſchienen, als ob er auf dem Ruͤ-
cken etwas aufgepackt, und ſolches mit ſich
ſchleppte. Der Jaͤger wurde wegen die-
ſer neuen Invention vom Haſen ſehr cou-
rieus, ihn zu fangen, und nahm deswe-
gen Hunde mit ſich. Der Haſe war aber
ſeiner auf dem Ruͤcken habenden Laſt un-
geachtet ſo ſchnell auf die Laͤuffte, daß er
den Hunden allezeit entwiſchte. Der Jaͤ-
ger hielte dieſes lange Zeit vor ein Geaͤffe
des Teufels. Als man aber den gantzen
Platz mit Netzen und Garnen umſtellet
hatte, ſo fing man dieſes Monſtrum, und
wurde gewahr, daß er ſeinen Bruder,
der in dem Bauch ſeiner Mutter ange-
wachſen war, und ſich von ihm nicht hatte
abſondern koͤnnen, auf dem Ruͤcken trug,
und dieſes beyde Haſen-Geſchwiſter wu-
ſte das Futter und Getraͤncke ſo mit ein-
ander zu theilen, daß bald dieſer, bald je-
ner fraß, bald dieſer, bald jener tranck.
Balbinus ſagt, daß dieſe Erzehlung un-
glaͤublich ſchiene, wenn er nicht ſo viel re-
ligiöſe und glaubwuͤrdige Zeugen aus
dem Jeſuiter-Collegio vor ſich haͤtte.
Es machen auch dieſe Hiſtorie mit glaub-
wuͤrdig die Geſchichte und beygefuͤgten
Riſſe von allerhand monſtröſen Haſen,
die man in den Ephemeridibus Acade-
miæ
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Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 2. Leipzig, 1724, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger02_1724/222>, abgerufen am 22.02.2025.
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