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Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719.

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Erster Theil/
[Spaltenumbruch]
Von der Buche.

Nach der Eiche ist die Buche auch
ein fruchtbarer Baum, davon die wil-
den und zahmen Thiere ihre Mast genies-
sen, auch wegen viel anmuthigern süs-
sern Geschmacks und sonderbahrer öh-
lichter Krafft, fetter und besser, als von
Eicheln, wegen der hitzigen Eigenschafft
aber recht toll kühne, und die Menschen
gleichsam truncken und schläffrig wer-
den. Es giebt die Buche des Sommers-
zeit einen angenehmen Schatten, dar-
von beym Virgilio zu lesen, wie die Hir-
ten der alten Welt unter derer Schat-
ten bey ihren Heerden ein Wald-Liedlein
nach dem andern angestimmet. Sie wäch-
set viel mastiger in der Tieffe und Winter-
als Sommer-Seiten. Es sind zwey-
erley Buchen, als die Roth-Buche und
Weiß-Buche. Die Roth-Buche trä-
get Mast von süßlichter Frucht in drey-
eckigten Schaalen, welche in rauchen
stachlichten Knöpfflein verwachsen, und
haben von solchen Buch-Eckern die Be-
lagerten in der Stadt Chio aus Man-
gel des Proviants sich lange Zeit erhal-
ten. Sonsten machet es den Menschen
schlafftruncken und giebt zum Verspei-
sen gut Oehl; Hat ein röthliches Holtz
und glatt Laub von einer anmuthigen
gelblichtgrünen Farbe. Jn Franck-
reich und der Schweitz brauchen die
Einwohner das Laub statt des Bett-
Strohes. Aus Buchen-Holtze hat man
vorzeiten unterschiedene Gefäße geschnit-
zet, die bey denen Opffern gebrauchet
worden sind, dergleichen auch bey Ein-
führung des Christl. Glaubens, wie
S. Bonifacius hiervon geschrieben: Die
Kelche waren höltzern und die Priester
gülden; Jetzo aber sind die Kelche gül-
den und die Priester höltzern. Die al-
ten Poeten haben nach Virgilii Mey-
nung ihre Verse auf deren Rinde ge-
schrieben. Vorzeiten, ehe noch das Pa-
pier erfunden wurde, hat man von Bu-
chen höltzerne Bretlein gemachet, seine
Meynung mit einem Griffel darauff ge-
kratzt, die Bretlein zusammen versiegelt,
und durch einen Bothen dem andern
zugeschicket, dahero solche Bothen Ta-
bellarii
genennet worden, und hat das
Teutsche wort Buch, qvasi ex derivatio-
ne
der Buche, hiervon seinen Namen.
Es werden auch sonst allerhand Hauß-
Geräthe, als Kannen, Teller und Löf-
fel, Schauffeln, Flachsbrechen, Rollen,
[Spaltenumbruch] Kumpter, Sattelbäume, Spaden, He-
cheln, ja Mäusefallen und dergleichen,
aus solchem Holtze gemachet. Die Koh-
len sind die besten, wodurch man die
harten Metalle am füglichsten zu schmel-
tzen zwingen, und aus deren Asche gute
Potasche sieden und Glaß machen kan.
Es wurtzelt die Buche breit und vielfäl-
tig auf der Erden flach umb sich, ist nicht
gar tauerhafft vor dem Wetter, sondern
stocket leichte und hecken die Spechte in
deren abgebrochener Aeste Löcher. Das
Wasser vom Regen, so in alten Buchen
stehet, soll dem Menschen und Viehe vor
den bösen Grind helffen. Die Weiß-
oder Stein-Buche aber, welche ein Horn-
hartes Holtz und von ungemeiner Festig-
keit, auch im Wetter sehr tauerhafftig
ist, giebt der Eiche nicht viel nach, wird
auch Häyn-Buche genennet. Mag den
Namen wohl vom Häyn oder Lust-
Wald haben, weil solche nicht in grossen
Heyden, sondern kleinen Wäldgen am
liebsten wachsen; Jst von weißlichtem
Holtz und Rinde, das Laub von mitteln
Blättern, weich und gekerbt, von dun-
ckelgrüner Farbe, träget aber keine
Mastung, sondern wirfft nur Saamen,
welcher in länglichten Hülsen, als ein
Träublein, eingefasset. Die Cramets-
Vögel ziehen sehr darnach, so verschlep-
pen auch solches die Hasel-Mäuse: Die
Weiß-Buche breitet umb sich ihre Aeste
und Wurtzeln, wodurch sie grossen Schat-
ten verursachet, und pfleget darunter
nichts als Mooß zu wachsen; Sie be-
nimmt auch allen andern Bäumen umb
sich herum ihre Krafft, und ziehet alle
Geilheit und Safft des Wachßthumbs
an sich, dahero auch, wann sie abgehau-
en wird, derselben Stock nachhero lange
Zeit mit Wasser belauffet. Das Weiß-
büchene Holtz brauchen die Zimmerleute
und Müller gern wegen seiner Festigkeit
zu Schrauben, Axthelmen, Pressen, For-
men der Buchdrucker und Färber, der
Mühl-Räder, Kämmen und Spillen,
Holtz-Keilen und andern festen und har-
ten Arbeit mehr. Die Gärtner lieben
am meisten die jungen Pflantzgen von
denen Weiß-Buchen wegen deren ange-
nehmen Farbe, damit sie in Lust-Gär-
ten die Alleen, Spatier-Lust-Gänge und
Jrr-Gärten bepflantzen, und solche glatt
verschneiden, weiln die Weiß-Buche, in-
dem ihre Blätter, wann sie im Herbste
abfallen, von dem Wind leichtlich ver-
streuet werden, es unter sich reinlich

hält,
Erſter Theil/
[Spaltenumbruch]
Von der Buche.

Nach der Eiche iſt die Buche auch
ein fruchtbarer Baum, davon die wil-
den und zahmen Thiere ihre Maſt genieſ-
ſen, auch wegen viel anmuthigern ſuͤſ-
ſern Geſchmacks und ſonderbahrer oͤh-
lichter Krafft, fetter und beſſer, als von
Eicheln, wegen der hitzigen Eigenſchafft
aber recht toll kuͤhne, und die Menſchen
gleichſam truncken und ſchlaͤffrig wer-
den. Es giebt die Buche des Sommers-
zeit einen angenehmen Schatten, dar-
von beym Virgilio zu leſen, wie die Hir-
ten der alten Welt unter derer Schat-
ten bey ihren Heerden ein Wald-Liedlein
nach dem andern angeſtimmet. Sie waͤch-
ſet viel maſtiger in der Tieffe und Winter-
als Sommer-Seiten. Es ſind zwey-
erley Buchen, als die Roth-Buche und
Weiß-Buche. Die Roth-Buche traͤ-
get Maſt von ſuͤßlichter Frucht in drey-
eckigten Schaalen, welche in rauchen
ſtachlichten Knoͤpfflein verwachſen, und
haben von ſolchen Buch-Eckern die Be-
lagerten in der Stadt Chio aus Man-
gel des Proviants ſich lange Zeit erhal-
ten. Sonſten machet es den Menſchen
ſchlafftruncken und giebt zum Verſpei-
ſen gut Oehl; Hat ein roͤthliches Holtz
und glatt Laub von einer anmuthigen
gelblichtgruͤnen Farbe. Jn Franck-
reich und der Schweitz brauchen die
Einwohner das Laub ſtatt des Bett-
Strohes. Aus Buchen-Holtze hat man
vorzeiten unterſchiedene Gefaͤße geſchnit-
zet, die bey denen Opffern gebrauchet
worden ſind, dergleichen auch bey Ein-
fuͤhrung des Chriſtl. Glaubens, wie
S. Bonifacius hiervon geſchrieben: Die
Kelche waren hoͤltzern und die Prieſter
guͤlden; Jetzo aber ſind die Kelche guͤl-
den und die Prieſter hoͤltzern. Die al-
ten Poëten haben nach Virgilii Mey-
nung ihre Verſe auf deren Rinde ge-
ſchrieben. Vorzeiten, ehe noch das Pa-
pier erfunden wurde, hat man von Bu-
chen hoͤltzerne Bretlein gemachet, ſeine
Meynung mit einem Griffel darauff ge-
kratzt, die Bretlein zuſammen verſiegelt,
und durch einen Bothen dem andern
zugeſchicket, dahero ſolche Bothen Ta-
bellarii
genennet worden, und hat das
Teutſche wort Buch, qvaſi ex derivatio-
ne
der Buche, hiervon ſeinen Namen.
Es werden auch ſonſt allerhand Hauß-
Geraͤthe, als Kannen, Teller und Loͤf-
fel, Schauffeln, Flachsbrechen, Rollen,
[Spaltenumbruch] Kumpter, Sattelbaͤume, Spaden, He-
cheln, ja Maͤuſefallen und dergleichen,
aus ſolchem Holtze gemachet. Die Koh-
len ſind die beſten, wodurch man die
harten Metalle am fuͤglichſten zu ſchmel-
tzen zwingen, und aus deren Aſche gute
Potaſche ſieden und Glaß machen kan.
Es wurtzelt die Buche breit und vielfaͤl-
tig auf der Erden flach umb ſich, iſt nicht
gar tauerhafft vor dem Wetter, ſondern
ſtocket leichte und hecken die Spechte in
deren abgebrochener Aeſte Loͤcher. Das
Waſſer vom Regen, ſo in alten Buchen
ſtehet, ſoll dem Menſchen und Viehe vor
den boͤſen Grind helffen. Die Weiß-
oder Stein-Buche aber, welche ein Horn-
hartes Holtz und von ungemeiner Feſtig-
keit, auch im Wetter ſehr tauerhafftig
iſt, giebt der Eiche nicht viel nach, wird
auch Haͤyn-Buche genennet. Mag den
Namen wohl vom Haͤyn oder Luſt-
Wald haben, weil ſolche nicht in groſſen
Heyden, ſondern kleinen Waͤldgen am
liebſten wachſen; Jſt von weißlichtem
Holtz und Rinde, das Laub von mitteln
Blaͤttern, weich und gekerbt, von dun-
ckelgruͤner Farbe, traͤget aber keine
Maſtung, ſondern wirfft nur Saamen,
welcher in laͤnglichten Huͤlſen, als ein
Traͤublein, eingefaſſet. Die Cramets-
Voͤgel ziehen ſehr darnach, ſo verſchlep-
pen auch ſolches die Haſel-Maͤuſe: Die
Weiß-Buche breitet umb ſich ihre Aeſte
und Wurtzeln, wodurch ſie groſſen Schat-
ten verurſachet, und pfleget darunter
nichts als Mooß zu wachſen; Sie be-
nimmt auch allen andern Baͤumen umb
ſich herum ihre Krafft, und ziehet alle
Geilheit und Safft des Wachßthumbs
an ſich, dahero auch, wann ſie abgehau-
en wird, derſelben Stock nachhero lange
Zeit mit Waſſer belauffet. Das Weiß-
buͤchene Holtz brauchen die Zimmerleute
und Muͤller gern wegen ſeiner Feſtigkeit
zu Schrauben, Axthelmen, Preſſen, For-
men der Buchdrucker und Faͤrber, der
Muͤhl-Raͤder, Kaͤmmen und Spillen,
Holtz-Keilen und andern feſten und har-
ten Arbeit mehr. Die Gaͤrtner lieben
am meiſten die jungen Pflantzgen von
denen Weiß-Buchen wegen deren ange-
nehmen Farbe, damit ſie in Luſt-Gaͤr-
ten die Alleen, Spatier-Luſt-Gaͤnge und
Jrr-Gaͤrten bepflantzen, und ſolche glatt
verſchneiden, weiln die Weiß-Buche, in-
dem ihre Blaͤtter, wann ſie im Herbſte
abfallen, von dem Wind leichtlich ver-
ſtreuet werden, es unter ſich reinlich

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[30/0092] Erſter Theil/ Von der Buche. Nach der Eiche iſt die Buche auch ein fruchtbarer Baum, davon die wil- den und zahmen Thiere ihre Maſt genieſ- ſen, auch wegen viel anmuthigern ſuͤſ- ſern Geſchmacks und ſonderbahrer oͤh- lichter Krafft, fetter und beſſer, als von Eicheln, wegen der hitzigen Eigenſchafft aber recht toll kuͤhne, und die Menſchen gleichſam truncken und ſchlaͤffrig wer- den. Es giebt die Buche des Sommers- zeit einen angenehmen Schatten, dar- von beym Virgilio zu leſen, wie die Hir- ten der alten Welt unter derer Schat- ten bey ihren Heerden ein Wald-Liedlein nach dem andern angeſtimmet. Sie waͤch- ſet viel maſtiger in der Tieffe und Winter- als Sommer-Seiten. Es ſind zwey- erley Buchen, als die Roth-Buche und Weiß-Buche. Die Roth-Buche traͤ- get Maſt von ſuͤßlichter Frucht in drey- eckigten Schaalen, welche in rauchen ſtachlichten Knoͤpfflein verwachſen, und haben von ſolchen Buch-Eckern die Be- lagerten in der Stadt Chio aus Man- gel des Proviants ſich lange Zeit erhal- ten. Sonſten machet es den Menſchen ſchlafftruncken und giebt zum Verſpei- ſen gut Oehl; Hat ein roͤthliches Holtz und glatt Laub von einer anmuthigen gelblichtgruͤnen Farbe. Jn Franck- reich und der Schweitz brauchen die Einwohner das Laub ſtatt des Bett- Strohes. Aus Buchen-Holtze hat man vorzeiten unterſchiedene Gefaͤße geſchnit- zet, die bey denen Opffern gebrauchet worden ſind, dergleichen auch bey Ein- fuͤhrung des Chriſtl. Glaubens, wie S. Bonifacius hiervon geſchrieben: Die Kelche waren hoͤltzern und die Prieſter guͤlden; Jetzo aber ſind die Kelche guͤl- den und die Prieſter hoͤltzern. Die al- ten Poëten haben nach Virgilii Mey- nung ihre Verſe auf deren Rinde ge- ſchrieben. Vorzeiten, ehe noch das Pa- pier erfunden wurde, hat man von Bu- chen hoͤltzerne Bretlein gemachet, ſeine Meynung mit einem Griffel darauff ge- kratzt, die Bretlein zuſammen verſiegelt, und durch einen Bothen dem andern zugeſchicket, dahero ſolche Bothen Ta- bellarii genennet worden, und hat das Teutſche wort Buch, qvaſi ex derivatio- ne der Buche, hiervon ſeinen Namen. Es werden auch ſonſt allerhand Hauß- Geraͤthe, als Kannen, Teller und Loͤf- fel, Schauffeln, Flachsbrechen, Rollen, Kumpter, Sattelbaͤume, Spaden, He- cheln, ja Maͤuſefallen und dergleichen, aus ſolchem Holtze gemachet. Die Koh- len ſind die beſten, wodurch man die harten Metalle am fuͤglichſten zu ſchmel- tzen zwingen, und aus deren Aſche gute Potaſche ſieden und Glaß machen kan. Es wurtzelt die Buche breit und vielfaͤl- tig auf der Erden flach umb ſich, iſt nicht gar tauerhafft vor dem Wetter, ſondern ſtocket leichte und hecken die Spechte in deren abgebrochener Aeſte Loͤcher. Das Waſſer vom Regen, ſo in alten Buchen ſtehet, ſoll dem Menſchen und Viehe vor den boͤſen Grind helffen. Die Weiß- oder Stein-Buche aber, welche ein Horn- hartes Holtz und von ungemeiner Feſtig- keit, auch im Wetter ſehr tauerhafftig iſt, giebt der Eiche nicht viel nach, wird auch Haͤyn-Buche genennet. Mag den Namen wohl vom Haͤyn oder Luſt- Wald haben, weil ſolche nicht in groſſen Heyden, ſondern kleinen Waͤldgen am liebſten wachſen; Jſt von weißlichtem Holtz und Rinde, das Laub von mitteln Blaͤttern, weich und gekerbt, von dun- ckelgruͤner Farbe, traͤget aber keine Maſtung, ſondern wirfft nur Saamen, welcher in laͤnglichten Huͤlſen, als ein Traͤublein, eingefaſſet. Die Cramets- Voͤgel ziehen ſehr darnach, ſo verſchlep- pen auch ſolches die Haſel-Maͤuſe: Die Weiß-Buche breitet umb ſich ihre Aeſte und Wurtzeln, wodurch ſie groſſen Schat- ten verurſachet, und pfleget darunter nichts als Mooß zu wachſen; Sie be- nimmt auch allen andern Baͤumen umb ſich herum ihre Krafft, und ziehet alle Geilheit und Safft des Wachßthumbs an ſich, dahero auch, wann ſie abgehau- en wird, derſelben Stock nachhero lange Zeit mit Waſſer belauffet. Das Weiß- buͤchene Holtz brauchen die Zimmerleute und Muͤller gern wegen ſeiner Feſtigkeit zu Schrauben, Axthelmen, Preſſen, For- men der Buchdrucker und Faͤrber, der Muͤhl-Raͤder, Kaͤmmen und Spillen, Holtz-Keilen und andern feſten und har- ten Arbeit mehr. Die Gaͤrtner lieben am meiſten die jungen Pflantzgen von denen Weiß-Buchen wegen deren ange- nehmen Farbe, damit ſie in Luſt-Gaͤr- ten die Alleen, Spatier-Luſt-Gaͤnge und Jrr-Gaͤrten bepflantzen, und ſolche glatt verſchneiden, weiln die Weiß-Buche, in- dem ihre Blaͤtter, wann ſie im Herbſte abfallen, von dem Wind leichtlich ver- ſtreuet werden, es unter ſich reinlich haͤlt,

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Zitationshilfe: Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger01_1719/92>, abgerufen am 30.12.2024.