ALs zweiffelhafftig vorgefallen, ob auch einer auff des andern Grund und Boden, da es seine Vor-Eltern also hergebracht, zu jagen befugt sey, und in künfftiger Zeit verbothen werden können.
Darauff so sage ich, mit vorher- hender Anruffung Göttlicher Gnade, daß die Menschen erstlich aus Versehung der Vernunfft, auch in Krafft und ver- möge des natürlichen und aller Völcker Rechtens gemeiniglich das, so ihnen nutz und zu Erhaltung ihrer Nahrung dien- lich seyn mag, zu überkommen trach- ten, und alle unvernünfftige wilde Thiere, auch alles Geflügel und Fisch, die auff dem Erdreich, in den Lüfften, in dem Meer gefangen werden, die wer- den alsbald des eigen, der sie gefangen hat, und irret nicht, ob gleich ein solcher Fang auff sein oder eines andern Grund und Boden geschehen, doch mag ein Je- der dem andern untersagen und verbie- then, daß er sich seines Grunds, Hol- tzes, Felder, und Wiesen-Gründe enthal- te, und von Jagens oder Weyde-Wercks wegen darauff nicht komme. Denn die wilden Thiere, Fische und Vögel, so- bald als sie von andern gefangen wer- den, fangen sie an, demjenigen zuzuhö- ren, der sich ihrer angemaast, denn was Niemanden zuständig ist, kan ein Jed- weder wegnehmen; Es ist auch nichts daran gelegen, ob einer die Vögel oder wilden Thiere, auf seinem eigenen Grund und Boden wegfängt, oder auff fremb- dem Gebiethe.
Unterstünde sich nun dieser Jäger, oder Weyde-Mann über angelegte Ge- both auff eines andern Grund und Bo- den zu jagen, oder Vögel zu fahen, so verliehret er dadurch den Fang, wie denn die Rechts-Lehrer bezeugen, in L. Si Fun- dum. & L. Certum. C. de Rei vind. Und ist zu wissen, was einer auff andern fremden Gründen vor Wildpräth fä- het, und überkommt, das ist und bleibt sein eigen, doch länger nicht, denn so lange es in seiner Gewalt und Behut- sam ist. Denn so es ihm nachfolgends en- trinnt und wieder seine natürliche Frey- heit bekommt, wer es dann fängt, dessel- ben ist es, es wäre denn ein solch entwi- chen wild Thier heimisch, und also ge- [Spaltenumbruch]
wehnet worden, daß es zu Zeiten aus- gieng, und gewöhnlich wiederkäme, al- so hat es einander auffzufahen, und ein- zuthun nicht Macht, und saget der Text in obangezogenem §. alles, was du weg- fängst, bleibt so lange deine, als du es in deiner Verwahrung erhälst, ist es dir aber entsprungen, und hat sich in seine natürliche Freyheit begeben, so hört es auff deine zu seyn.
Und ist bey diesem zu wissen, wenn gleich ein wild Thier geschossen, auff das- selbe mahl aber nicht gefangen wird, daß er zu solchem geschossenen oder sonst ver- wundeten wilden Thiere keine Gelegen- heit hätte, sondern welcher nachmahls dasselbe fähet oder fället, desselben ist es, ob es gleich von einen andern vorhin ge- jagt, oder hart verwundet worden; Daß aber das Weyde-Werck einem auff ei- nem fremden Grund könne verbothen werden, das bezeuget der Sachsen- Spiegel,lib. 2. art. 6. da er spricht: Al- les Wildpräth ist einem jeden frey zu fa- hen, nicht allein auff seinem, sondern auch eines andern Guth, doch mag Je- der das Wildpräth auff dem Seinigen hegen, mit deme, daß er auff das Sei- ne zu gehen oder zu jagen verbiethe. Dahero haben zu unsern Zeiten die Für- sten und Herren ihre Wildbahn und Ge- heg im Gebrauch, und ist die Jagd will- kührlich einem Jeden zu verstatten und zu verbiethen. Und in willkürlichen Din- gen, als Jagden, kan keine Verjährung lauffen oder angezogen werden.
Und wann einer das Seine heget, so heget er auch, was in dem Seinen ist, dieweil es in dem Geheg ist, kommts a- ber aus dem Geheg, ist es dessen, der es fähet, darwider sich der Weydemann nicht steuern oder schützen mag, daß er in Pos- session und Gewehr sey des Jagens, und solche Gewehr über verwehrte Zeit, die zu der Verjährung und Praescription die- ser Servitut in Rechten erfordert wird, ei- niglich geübt, und hergebracht habe, dann das geschicht aus Freyheit und Zulassung gemeines Rechten, nach welcher ein Jeder Macht hat, allenthalben wilde Thiere zu jagen, und zu fahen, und ist also ein frey zu- gelassen Wesen und Handel, welches wie offt und langwierig es geschicht, demjeni-
gen,
Anhang unterſchiedener nuͤtzlicher
WEHNERI
Conſilium LXXXVII.
[Spaltenumbruch]
ALs zweiffelhafftig vorgefallen, ob auch einer auff des andern Grund und Boden, da es ſeine Vor-Eltern alſo hergebracht, zu jagen befugt ſey, und in kuͤnfftiger Zeit verbothen werden koͤnnen.
Darauff ſo ſage ich, mit vorher- hender Anruffung Goͤttlicher Gnade, daß die Menſchen erſtlich aus Verſehung der Vernunfft, auch in Krafft und ver- moͤge des natuͤrlichen und aller Voͤlcker Rechtens gemeiniglich das, ſo ihnen nutz und zu Erhaltung ihrer Nahrung dien- lich ſeyn mag, zu uͤberkommen trach- ten, und alle unvernuͤnfftige wilde Thiere, auch alles Gefluͤgel und Fiſch, die auff dem Erdreich, in den Luͤfften, in dem Meer gefangen werden, die wer- den alsbald des eigen, der ſie gefangen hat, und irret nicht, ob gleich ein ſolcher Fang auff ſein oder eines andern Grund und Boden geſchehen, doch mag ein Je- der dem andern unterſagen und verbie- then, daß er ſich ſeines Grunds, Hol- tzes, Felder, und Wieſen-Gruͤnde enthal- te, und von Jagens oder Weyde-Wercks wegen darauff nicht komme. Denn die wilden Thiere, Fiſche und Voͤgel, ſo- bald als ſie von andern gefangen wer- den, fangen ſie an, demjenigen zuzuhoͤ- ren, der ſich ihrer angemaaſt, denn was Niemanden zuſtaͤndig iſt, kan ein Jed- weder wegnehmen; Es iſt auch nichts daran gelegen, ob einer die Voͤgel oder wilden Thiere, auf ſeinem eigenen Grund und Boden wegfaͤngt, oder auff fremb- dem Gebiethe.
Unterſtuͤnde ſich nun dieſer Jaͤger, oder Weyde-Mann uͤber angelegte Ge- both auff eines andern Grund und Bo- den zu jagen, oder Voͤgel zu fahen, ſo verliehret er dadurch den Fang, wie denn die Rechts-Lehrer bezeugen, in L. Si Fun- dum. & L. Certum. C. de Rei vind. Und iſt zu wiſſen, was einer auff andern fremden Gruͤnden vor Wildpraͤth faͤ- het, und uͤberkommt, das iſt und bleibt ſein eigen, doch laͤnger nicht, denn ſo lange es in ſeiner Gewalt und Behut- ſam iſt. Denn ſo es ihm nachfolgends en- trinnt und wieder ſeine natuͤrliche Frey- heit bekommt, wer es dann faͤngt, deſſel- ben iſt es, es waͤre denn ein ſolch entwi- chen wild Thier heimiſch, und alſo ge- [Spaltenumbruch]
wehnet worden, daß es zu Zeiten aus- gieng, und gewoͤhnlich wiederkaͤme, al- ſo hat es einander auffzufahen, und ein- zuthun nicht Macht, und ſaget der Text in obangezogenem §. alles, was du weg- faͤngſt, bleibt ſo lange deine, als du es in deiner Verwahrung erhaͤlſt, iſt es dir aber entſprungen, und hat ſich in ſeine natuͤrliche Freyheit begeben, ſo hoͤrt es auff deine zu ſeyn.
Und iſt bey dieſem zu wiſſen, wenn gleich ein wild Thier geſchoſſen, auff daſ- ſelbe mahl aber nicht gefangen wird, daß er zu ſolchem geſchoſſenen oder ſonſt ver- wundeten wilden Thiere keine Gelegen- heit haͤtte, ſondern welcher nachmahls daſſelbe faͤhet oder faͤllet, deſſelben iſt es, ob es gleich von einen andern vorhin ge- jagt, oder hart verwundet worden; Daß aber das Weyde-Werck einem auff ei- nem fremden Grund koͤnne verbothen werden, das bezeuget der Sachſen- Spiegel,lib. 2. art. 6. da er ſpricht: Al- les Wildpraͤth iſt einem jeden frey zu fa- hen, nicht allein auff ſeinem, ſondern auch eines andern Guth, doch mag Je- der das Wildpraͤth auff dem Seinigen hegen, mit deme, daß er auff das Sei- ne zu gehen oder zu jagen verbiethe. Dahero haben zu unſern Zeiten die Fuͤr- ſten und Herren ihre Wildbahn und Ge- heg im Gebrauch, und iſt die Jagd will- kuͤhrlich einem Jeden zu veꝛſtatten und zu verbiethen. Und in willkuͤrlichen Din- gen, als Jagden, kan keine Verjaͤhrung lauffen oder angezogen werden.
Und wann einer das Seine heget, ſo heget er auch, was in dem Seinen iſt, dieweil es in dem Geheg iſt, kommts a- ber aus dem Geheg, iſt es deſſen, der es faͤhet, daꝛwider ſich der Weydemann nicht ſteuern oder ſchuͤtzen mag, daß er in Poſ- ſeſſion und Gewehr ſey des Jagens, und ſolche Gewehr uͤber verwehrte Zeit, die zu der Verjaͤhrung und Præſcription die- ſer Servitut in Rechten erfordert wird, ei- niglich geuͤbt, und hergebracht habe, dann das geſchicht aus Freyheit und Zulaſſung gemeines Rechten, nach welcher ein Jeder Macht hat, allenthalben wilde Thiere zu jagen, und zu fahen, und iſt alſo ein fꝛey zu- gelaſſen Weſen und Handel, welches wie offt und langwierig es geſchicht, demjeni-
gen,
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Anhang unterſchiedener nuͤtzlicher
WEHNERI
Conſilium LXXXVII.
ALs zweiffelhafftig vorgefallen, ob
auch einer auff des andern Grund
und Boden, da es ſeine Vor-Eltern alſo
hergebracht, zu jagen befugt ſey, und in
kuͤnfftiger Zeit verbothen werden koͤnnen.
Darauff ſo ſage ich, mit vorher-
hender Anruffung Goͤttlicher Gnade,
daß die Menſchen erſtlich aus Verſehung
der Vernunfft, auch in Krafft und ver-
moͤge des natuͤrlichen und aller Voͤlcker
Rechtens gemeiniglich das, ſo ihnen nutz
und zu Erhaltung ihrer Nahrung dien-
lich ſeyn mag, zu uͤberkommen trach-
ten, und alle unvernuͤnfftige wilde
Thiere, auch alles Gefluͤgel und Fiſch,
die auff dem Erdreich, in den Luͤfften,
in dem Meer gefangen werden, die wer-
den alsbald des eigen, der ſie gefangen
hat, und irret nicht, ob gleich ein ſolcher
Fang auff ſein oder eines andern Grund
und Boden geſchehen, doch mag ein Je-
der dem andern unterſagen und verbie-
then, daß er ſich ſeines Grunds, Hol-
tzes, Felder, und Wieſen-Gruͤnde enthal-
te, und von Jagens oder Weyde-Wercks
wegen darauff nicht komme. Denn
die wilden Thiere, Fiſche und Voͤgel, ſo-
bald als ſie von andern gefangen wer-
den, fangen ſie an, demjenigen zuzuhoͤ-
ren, der ſich ihrer angemaaſt, denn was
Niemanden zuſtaͤndig iſt, kan ein Jed-
weder wegnehmen; Es iſt auch nichts
daran gelegen, ob einer die Voͤgel oder
wilden Thiere, auf ſeinem eigenen Grund
und Boden wegfaͤngt, oder auff fremb-
dem Gebiethe.
Unterſtuͤnde ſich nun dieſer Jaͤger,
oder Weyde-Mann uͤber angelegte Ge-
both auff eines andern Grund und Bo-
den zu jagen, oder Voͤgel zu fahen, ſo
verliehret er dadurch den Fang, wie denn
die Rechts-Lehrer bezeugen, in L. Si Fun-
dum. & L. Certum. C. de Rei vind. Und
iſt zu wiſſen, was einer auff andern
fremden Gruͤnden vor Wildpraͤth faͤ-
het, und uͤberkommt, das iſt und bleibt
ſein eigen, doch laͤnger nicht, denn ſo
lange es in ſeiner Gewalt und Behut-
ſam iſt. Denn ſo es ihm nachfolgends en-
trinnt und wieder ſeine natuͤrliche Frey-
heit bekommt, wer es dann faͤngt, deſſel-
ben iſt es, es waͤre denn ein ſolch entwi-
chen wild Thier heimiſch, und alſo ge-
wehnet worden, daß es zu Zeiten aus-
gieng, und gewoͤhnlich wiederkaͤme, al-
ſo hat es einander auffzufahen, und ein-
zuthun nicht Macht, und ſaget der Text
in obangezogenem §. alles, was du weg-
faͤngſt, bleibt ſo lange deine, als du es
in deiner Verwahrung erhaͤlſt, iſt es dir
aber entſprungen, und hat ſich in ſeine
natuͤrliche Freyheit begeben, ſo hoͤrt es
auff deine zu ſeyn.
Und iſt bey dieſem zu wiſſen, wenn
gleich ein wild Thier geſchoſſen, auff daſ-
ſelbe mahl aber nicht gefangen wird, daß
er zu ſolchem geſchoſſenen oder ſonſt ver-
wundeten wilden Thiere keine Gelegen-
heit haͤtte, ſondern welcher nachmahls
daſſelbe faͤhet oder faͤllet, deſſelben iſt es,
ob es gleich von einen andern vorhin ge-
jagt, oder hart verwundet worden; Daß
aber das Weyde-Werck einem auff ei-
nem fremden Grund koͤnne verbothen
werden, das bezeuget der Sachſen-
Spiegel, lib. 2. art. 6. da er ſpricht: Al-
les Wildpraͤth iſt einem jeden frey zu fa-
hen, nicht allein auff ſeinem, ſondern
auch eines andern Guth, doch mag Je-
der das Wildpraͤth auff dem Seinigen
hegen, mit deme, daß er auff das Sei-
ne zu gehen oder zu jagen verbiethe.
Dahero haben zu unſern Zeiten die Fuͤr-
ſten und Herren ihre Wildbahn und Ge-
heg im Gebrauch, und iſt die Jagd will-
kuͤhrlich einem Jeden zu veꝛſtatten und zu
verbiethen. Und in willkuͤrlichen Din-
gen, als Jagden, kan keine Verjaͤhrung
lauffen oder angezogen werden.
Und wann einer das Seine heget,
ſo heget er auch, was in dem Seinen iſt,
dieweil es in dem Geheg iſt, kommts a-
ber aus dem Geheg, iſt es deſſen, der es
faͤhet, daꝛwider ſich der Weydemann nicht
ſteuern oder ſchuͤtzen mag, daß er in Poſ-
ſeſſion und Gewehr ſey des Jagens, und
ſolche Gewehr uͤber verwehrte Zeit, die
zu der Verjaͤhrung und Præſcription die-
ſer Servitut in Rechten erfordert wird, ei-
niglich geuͤbt, und hergebracht habe, dann
das geſchicht aus Freyheit und Zulaſſung
gemeines Rechten, nach welcher ein Jeder
Macht hat, allenthalben wilde Thiere zu
jagen, und zu fahen, und iſt alſo ein fꝛey zu-
gelaſſen Weſen und Handel, welches wie
offt und langwierig es geſchicht, demjeni-
gen,
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Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger01_1719/640>, abgerufen am 21.11.2024.
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