Von der Milch/ deren Uhrsprung/ und sonderbahren Nutzen derselben.
[Spaltenumbruch]
Weil ich in vorhergehendem Capitel von der Hunde Aufferziehung gehandelt habe, hierzu aber die Milch als der wahr- haffte Safft aller Creaturen das meiste beytragen kan, so habe bey dieser Gele- genheit von derselben ein wenig weit- läufftiger handeln wollen, welches dem geneigten Leser nicht mißfallen wird. Es hat nemlich dem Allweisen Schöpffer Himmels und der Erden nach seinem weisen Rath und Willen gefallen, aus der Erden Schooß Graß und Kraut, fruchtbahre und andere Bäume, sowohl Menschen, als Thieren zur Speise und Nahrung wachsen zu lassen. Wann nun z. E. die Thiere solche Speise zu sich nehmen, so wird dieselbe durch stete Wür- ckung des Magens und des darin befind- lichen Ferments gleichsam gekochet, und in einen Brey verwandelt, sodann aus dem Magen in die Gedärme geführet, woselbst ein Milchähnlicher Safft ausgedrucket, und durch die Vasa lactea oder die im Ge- kröß befindliche Milch-Aederchen in die so genannte Cisternam Chyli, und aus dieser weiter durch das Hertze in die Blut- Adern geführet, allwo sich solches mit dem Geblüte vereiniget, aus welchem sich hernach die wahrhaffte Milch separiret. Und hat der Allerhöchste GOtt zur fer- neren Propagation dem weiblichen Ge- schlechte sowohl vernünfftiger, als un- vernünfftiger Creaturen die Brüste und Eyter verordnet, vermittelst welcher sie ihre Leibes-Früchte, wann sie zur Welt gebohren, mit der Milch erhalten und speisen sollen. Ja es hat der Allweise GOTT allen lebendigen Creaturen zu gut solchen herrlichen Safft in dem Schooß der Erden verborgen, woselbst vermit- telst der zarten Wurtzeln alle Kräuter und Gewächse solchen Safft an sich zie- hen, und denen Creaturen zur allgemei- nen Speise dienen müssen. Dieser gleich- sam himmlische Nahrungs-Safft und solche subtile Materie, welche ein inner- liches Elementarisches Feuer, und gleich- wohl auch eine wässerigte, sowohl eine fette und öhlichte Materie hat, davon die subtile Lebens-Geister eintzig und allein participiren, ist eigentlich ein wohl aus- gekochter weisser Safft, deren alle leben- dige vernünfftige und unvernünfftige [Spaltenumbruch]
Creaturen bey Ankunfft auff der Welt und ihrem Wachsthum nicht wohl ent- rathen können; Ja selbst das liebe Korn und Geträyde hat seine innerliche Milch, so von der Sonnen Hitze getrocknet wird. Ja wohl gar haben die Metalle unter der Erden selbst ihre Mutter, nemlich den Mercurium, welcher einen Milch-ähnli- chen Safft haben soll, dahero unstreitig zu schliessen, daß die Milch eine Univer- sal-Panacea aller Creaturen seyn müsse. Die Heyden haben mit gutem Fug und Recht der Milch eine wohlanständige Milch-Göttin, namentlich Galathea ge- nennet, gesetzet, damit sie anzeigen wol- len, daß sie diesen Göttlichen Nectar- Safft ihrer Auffsicht befohlen, überge- ben und zugeeignet haben wolten: Dar- gegen aber haben sie den versoffenen Ab- gott Bacchum gäntzlich verworffen, weil dieser die Sinnen der Menschen verwir- ret mache, und vieles Unheil stiffte, wie hiervon Hyppocrates, Celsus, Plinius, Varro und andere Autores mehr, Nach- richt geben; Ja es meldet Strabo von de- nen alten Galliern, daß dieselben jederzeit in denen wüsten und einsamen Oertern, wo kein Wasser zu finden, bey ihren Vieh-Heerden sich am nützlichsten des Milch-Trinckens bedienet haben. Und schreibet hiervon nicht unrecht der be- rühmte Plinius, daß die Kuh-Milch ein Universal-Remedium wider alle Kranck- heiten von denen Arcadern gehalten wür- de; Gestalt sie solcher Milch eine rechte Medicinische Krafft beylegten, weil des Frühlings die in der erneuerten Erde be- findliche Feuchtigkeit, und die Sonnen- Strahlen allen Vegetabilibus und Kräu- tern, wie andern Dingen mehr, eine neue Lebhafftigkeit mittheile und dieselbe er- neuere, solchen auch den besten Safft ge- ben solle, so wir Teutschen nunmehro die Mäy-Milch und Mäy-Butter nennen: Dergleichen auch Cornelius Celsus saget. Und Varro erzehlet, daß die Milch un- ter allen Speisen das nahrhaffteste Mit- tel sey, welches die verstopffte Gedärme, und alle Ductus der Eingeweyde eröffne, welches auch sonderlich der bekante Ste- phanus Blanckardus, ein berühmter Me- dicus zu Amsterdam, affirmiret, da er saget, die Milch ist eine überaus herrli-
che
Dritter Theil/
Von der Milch/ deren Uhrſprung/ und ſonderbahren Nutzen derſelben.
[Spaltenumbruch]
Weil ich in vorhergehendem Capitel von der Hunde Aufferziehung gehandelt habe, hierzu aber die Milch als der wahr- haffte Safft aller Creaturen das meiſte beytragen kan, ſo habe bey dieſer Gele- genheit von derſelben ein wenig weit- laͤufftiger handeln wollen, welches dem geneigten Leſer nicht mißfallen wird. Es hat nemlich dem Allweiſen Schoͤpffer Himmels und der Erden nach ſeinem weiſen Rath und Willen gefallen, aus der Erden Schooß Graß und Kraut, fruchtbahre und andere Baͤume, ſowohl Menſchen, als Thieren zur Speiſe und Nahrung wachſen zu laſſen. Wann nun z. E. die Thiere ſolche Speiſe zu ſich nehmen, ſo wird dieſelbe durch ſtete Wuͤr- ckung des Magens und des darin befind- lichen Ferments gleichſam gekochet, und in einen Brey verwandelt, ſodann aus dem Magen in die Gedaͤrme gefuͤhret, woſelbſt ein Milchaͤhnlicher Safft ausgedrucket, und durch die Vaſa lactea oder die im Ge- kroͤß befindliche Milch-Aederchen in die ſo genannte Ciſternam Chyli, und aus dieſer weiter durch das Hertze in die Blut- Adern gefuͤhret, allwo ſich ſolches mit dem Gebluͤte vereiniget, aus welchem ſich hernach die wahrhaffte Milch ſepariret. Und hat der Allerhoͤchſte GOtt zur fer- neren Propagation dem weiblichen Ge- ſchlechte ſowohl vernuͤnfftiger, als un- vernuͤnfftiger Creaturen die Bruͤſte und Eyter verordnet, vermittelſt welcher ſie ihre Leibes-Fruͤchte, wann ſie zur Welt gebohren, mit der Milch erhalten und ſpeiſen ſollen. Ja es hat der Allweiſe GOTT allen lebendigen Creaturen zu gut ſolchen heꝛꝛlichen Safft in dem Schooß der Erden verborgen, woſelbſt vermit- telſt der zarten Wurtzeln alle Kraͤuter und Gewaͤchſe ſolchen Safft an ſich zie- hen, und denen Creaturen zur allgemei- nen Speiſe dienen muͤſſen. Dieſer gleich- ſam himmliſche Nahrungs-Safft und ſolche ſubtile Materie, welche ein inner- liches Elementariſches Feuer, und gleich- wohl auch eine waͤſſerigte, ſowohl eine fette und oͤhlichte Materie hat, davon die ſubtile Lebens-Geiſter eintzig und allein participiren, iſt eigentlich ein wohl aus- gekochter weiſſer Safft, deren alle leben- dige vernuͤnfftige und unvernuͤnfftige [Spaltenumbruch]
Creaturen bey Ankunfft auff der Welt und ihrem Wachsthum nicht wohl ent- rathen koͤnnen; Ja ſelbſt das liebe Korn und Getraͤyde hat ſeine innerliche Milch, ſo von der Sonnen Hitze getrocknet wird. Ja wohl gar haben die Metalle unter der Erden ſelbſt ihre Mutter, nemlich den Mercurium, welcher einen Milch-aͤhnli- chen Safft haben ſoll, dahero unſtreitig zu ſchlieſſen, daß die Milch eine Univer- ſal-Panacea aller Creaturen ſeyn muͤſſe. Die Heyden haben mit gutem Fug und Recht der Milch eine wohlanſtaͤndige Milch-Goͤttin, namentlich Galathea ge- nennet, geſetzet, damit ſie anzeigen wol- len, daß ſie dieſen Goͤttlichen Nectar- Safft ihrer Auffſicht befohlen, uͤberge- ben und zugeeignet haben wolten: Dar- gegen aber haben ſie den verſoffenen Ab- gott Bacchum gaͤntzlich verworffen, weil dieſer die Sinnen der Menſchen verwir- ret mache, und vieles Unheil ſtiffte, wie hiervon Hyppocrates, Celſus, Plinius, Varro und andere Autores mehr, Nach- richt geben; Ja es meldet Strabo von de- nen alten Galliern, daß dieſelben jederzeit in denen wuͤſten und einſamen Oertern, wo kein Waſſer zu finden, bey ihren Vieh-Heerden ſich am nuͤtzlichſten des Milch-Trinckens bedienet haben. Und ſchreibet hiervon nicht unrecht der be- ruͤhmte Plinius, daß die Kuh-Milch ein Univerſal-Remedium wider alle Kranck- heiten von denen Arcadern gehalten wuͤr- de; Geſtalt ſie ſolcher Milch eine rechte Mediciniſche Krafft beylegten, weil des Fruͤhlings die in der erneuerten Erde be- findliche Feuchtigkeit, und die Sonnen- Strahlen allen Vegetabilibus und Kraͤu- tern, wie andern Dingen mehr, eine neue Lebhafftigkeit mittheile und dieſelbe er- neuere, ſolchen auch den beſten Safft ge- ben ſolle, ſo wir Teutſchen nunmehro die Maͤy-Milch und Maͤy-Butter nennen: Dergleichen auch Cornelius Celſus ſaget. Und Varro erzehlet, daß die Milch un- ter allen Speiſen das nahrhaffteſte Mit- tel ſey, welches die verſtopffte Gedaͤrme, und alle Ductus der Eingeweyde eroͤffne, welches auch ſonderlich der bekante Ste- phanus Blanckardus, ein beruͤhmter Me- dicus zu Amſterdam, affirmiret, da er ſaget, die Milch iſt eine uͤberaus herrli-
che
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[186/0316]
Dritter Theil/
Von der Milch/ deren Uhrſprung/ und ſonderbahren
Nutzen derſelben.
Weil ich in vorhergehendem Capitel
von der Hunde Aufferziehung gehandelt
habe, hierzu aber die Milch als der wahr-
haffte Safft aller Creaturen das meiſte
beytragen kan, ſo habe bey dieſer Gele-
genheit von derſelben ein wenig weit-
laͤufftiger handeln wollen, welches dem
geneigten Leſer nicht mißfallen wird. Es
hat nemlich dem Allweiſen Schoͤpffer
Himmels und der Erden nach ſeinem
weiſen Rath und Willen gefallen, aus
der Erden Schooß Graß und Kraut,
fruchtbahre und andere Baͤume, ſowohl
Menſchen, als Thieren zur Speiſe und
Nahrung wachſen zu laſſen. Wann
nun z. E. die Thiere ſolche Speiſe zu ſich
nehmen, ſo wird dieſelbe durch ſtete Wuͤr-
ckung des Magens und des darin befind-
lichen Ferments gleichſam gekochet, und in
einen Brey verwandelt, ſodann aus dem
Magen in die Gedaͤrme gefuͤhret, woſelbſt
ein Milchaͤhnlicher Safft ausgedrucket,
und durch die Vaſa lactea oder die im Ge-
kroͤß befindliche Milch-Aederchen in die
ſo genannte Ciſternam Chyli, und aus
dieſer weiter durch das Hertze in die Blut-
Adern gefuͤhret, allwo ſich ſolches mit
dem Gebluͤte vereiniget, aus welchem ſich
hernach die wahrhaffte Milch ſepariret.
Und hat der Allerhoͤchſte GOtt zur fer-
neren Propagation dem weiblichen Ge-
ſchlechte ſowohl vernuͤnfftiger, als un-
vernuͤnfftiger Creaturen die Bruͤſte und
Eyter verordnet, vermittelſt welcher ſie
ihre Leibes-Fruͤchte, wann ſie zur Welt
gebohren, mit der Milch erhalten und
ſpeiſen ſollen. Ja es hat der Allweiſe
GOTT allen lebendigen Creaturen zu
gut ſolchen heꝛꝛlichen Safft in dem Schooß
der Erden verborgen, woſelbſt vermit-
telſt der zarten Wurtzeln alle Kraͤuter
und Gewaͤchſe ſolchen Safft an ſich zie-
hen, und denen Creaturen zur allgemei-
nen Speiſe dienen muͤſſen. Dieſer gleich-
ſam himmliſche Nahrungs-Safft und
ſolche ſubtile Materie, welche ein inner-
liches Elementariſches Feuer, und gleich-
wohl auch eine waͤſſerigte, ſowohl eine
fette und oͤhlichte Materie hat, davon die
ſubtile Lebens-Geiſter eintzig und allein
participiren, iſt eigentlich ein wohl aus-
gekochter weiſſer Safft, deren alle leben-
dige vernuͤnfftige und unvernuͤnfftige
Creaturen bey Ankunfft auff der Welt
und ihrem Wachsthum nicht wohl ent-
rathen koͤnnen; Ja ſelbſt das liebe Korn
und Getraͤyde hat ſeine innerliche Milch,
ſo von der Sonnen Hitze getrocknet wird.
Ja wohl gar haben die Metalle unter der
Erden ſelbſt ihre Mutter, nemlich den
Mercurium, welcher einen Milch-aͤhnli-
chen Safft haben ſoll, dahero unſtreitig
zu ſchlieſſen, daß die Milch eine Univer-
ſal-Panacea aller Creaturen ſeyn muͤſſe.
Die Heyden haben mit gutem Fug und
Recht der Milch eine wohlanſtaͤndige
Milch-Goͤttin, namentlich Galathea ge-
nennet, geſetzet, damit ſie anzeigen wol-
len, daß ſie dieſen Goͤttlichen Nectar-
Safft ihrer Auffſicht befohlen, uͤberge-
ben und zugeeignet haben wolten: Dar-
gegen aber haben ſie den verſoffenen Ab-
gott Bacchum gaͤntzlich verworffen, weil
dieſer die Sinnen der Menſchen verwir-
ret mache, und vieles Unheil ſtiffte, wie
hiervon Hyppocrates, Celſus, Plinius,
Varro und andere Autores mehr, Nach-
richt geben; Ja es meldet Strabo von de-
nen alten Galliern, daß dieſelben jederzeit
in denen wuͤſten und einſamen Oertern,
wo kein Waſſer zu finden, bey ihren
Vieh-Heerden ſich am nuͤtzlichſten des
Milch-Trinckens bedienet haben. Und
ſchreibet hiervon nicht unrecht der be-
ruͤhmte Plinius, daß die Kuh-Milch ein
Univerſal-Remedium wider alle Kranck-
heiten von denen Arcadern gehalten wuͤr-
de; Geſtalt ſie ſolcher Milch eine rechte
Mediciniſche Krafft beylegten, weil des
Fruͤhlings die in der erneuerten Erde be-
findliche Feuchtigkeit, und die Sonnen-
Strahlen allen Vegetabilibus und Kraͤu-
tern, wie andern Dingen mehr, eine neue
Lebhafftigkeit mittheile und dieſelbe er-
neuere, ſolchen auch den beſten Safft ge-
ben ſolle, ſo wir Teutſchen nunmehro die
Maͤy-Milch und Maͤy-Butter nennen:
Dergleichen auch Cornelius Celſus ſaget.
Und Varro erzehlet, daß die Milch un-
ter allen Speiſen das nahrhaffteſte Mit-
tel ſey, welches die verſtopffte Gedaͤrme,
und alle Ductus der Eingeweyde eroͤffne,
welches auch ſonderlich der bekante Ste-
phanus Blanckardus, ein beruͤhmter Me-
dicus zu Amſterdam, affirmiret, da er
ſaget, die Milch iſt eine uͤberaus herrli-
che
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Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger01_1719/316>, abgerufen am 21.11.2024.
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