Immer gehören 3) gewisse Merkmale der äus- sern Handlung an und für sich selbst, zum Thatbestande eines Verbrechens.
§. 91.
Die Strafbarkeit einer concreten Handlung hängt davon ab, dass an ihr der Thatbestand eines Verbrechens vorhanden ist (§. 89.) Ein Strafgesetz, also auch eine Strafe, kann nicht zur Anwendung kommen, wenn nicht die vorkommende Handlung, unter einem Straf- gesetze steht oder eine unter dem Strafgesetz stehende Handlung nicht vorhanden ist. Die juridische Existenz einer Handlung hängt aber von dem juridischen Beweis derselben ab. Für den Richter als Richter ist eine Thatsache, die nicht juridisch erwiesen ist, gar nicht vorhan- den. Ein Mensch kann daher so wenig be- straft werden, wenn der Beweis der angeb- lich von ihm vollzogenen und unter einem Strafgesetz stehenden Handlung, juridisch un- vollständig ist, als er bestraft werden kann, wenn gar kein Grund für die Existenz der bedrohten That vorhanden ist. Strafe bey unvollkommenem Beweis ist rechtswidrig, gleichviel ob man die Strafe des Gesetzes
oder
des Verbrechens. Bey Verbrechen aber, die auch culpose begangen werden können, kann man den Dolus nicht zum Thatbestande rechnen. Er ist dann, so wie die Culpa, blos ein Grund, von welchem der Grad der Strafbarkeit abhängt. Alle solche subjectiven Gründe aber können nicht zu dem Thatbestande, vermöge seines Begriffs, ge- rechnet werden.
I. Buch. II. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt.
Immer gehören 3) gewiſſe Merkmale der äuſ- ſern Handlung an und für ſich ſelbſt, zum Thatbeſtande eines Verbrechens.
§. 91.
Die Strafbarkeit einer concreten Handlung hängt davon ab, daſs an ihr der Thatbeſtand eines Verbrechens vorhanden iſt (§. 89.) Ein Strafgeſetz, alſo auch eine Strafe, kann nicht zur Anwendung kommen, wenn nicht die vorkommende Handlung, unter einem Straf- geſetze ſteht oder eine unter dem Strafgeſetz ſtehende Handlung nicht vorhanden iſt. Die juridiſche Exiſtenz einer Handlung hängt aber von dem juridiſchen Beweis derſelben ab. Für den Richter als Richter iſt eine Thatſache, die nicht juridiſch erwieſen iſt, gar nicht vorhan- den. Ein Menſch kann daher ſo wenig be- ſtraft werden, wenn der Beweis der angeb- lich von ihm vollzogenen und unter einem Strafgeſetz ſtehenden Handlung, juridiſch un- vollſtändig iſt, als er beſtraft werden kann, wenn gar kein Grund für die Exiſtenz der bedrohten That vorhanden iſt. Strafe bey unvollkommenem Beweis iſt rechtswidrig, gleichviel ob man die Strafe des Geſetzes
oder
des Verbrechens. Bey Verbrechen aber, die auch culpoſe begangen werden können, kann man den Dolus nicht zum Thatbeſtande rechnen. Er iſt dann, ſo wie die Culpa, blos ein Grund, von welchem der Grad der Strafbarkeit abhängt. Alle ſolche ſubjectiven Gründe aber können nicht zu dem Thatbeſtande, vermöge ſeines Begriffs, ge- rechnet werden.
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I. Buch. II. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt.
Immer gehören 3) gewiſſe Merkmale der äuſ-
ſern Handlung an und für ſich ſelbſt, zum
Thatbeſtande eines Verbrechens.
§. 91.
Die Strafbarkeit einer concreten Handlung
hängt davon ab, daſs an ihr der Thatbeſtand
eines Verbrechens vorhanden iſt (§. 89.) Ein
Strafgeſetz, alſo auch eine Strafe, kann
nicht zur Anwendung kommen, wenn nicht
die vorkommende Handlung, unter einem Straf-
geſetze ſteht oder eine unter dem Strafgeſetz
ſtehende Handlung nicht vorhanden iſt. Die
juridiſche Exiſtenz einer Handlung hängt aber
von dem juridiſchen Beweis derſelben ab. Für
den Richter als Richter iſt eine Thatſache, die
nicht juridiſch erwieſen iſt, gar nicht vorhan-
den. Ein Menſch kann daher ſo wenig be-
ſtraft werden, wenn der Beweis der angeb-
lich von ihm vollzogenen und unter einem
Strafgeſetz ſtehenden Handlung, juridiſch un-
vollſtändig iſt, als er beſtraft werden kann,
wenn gar kein Grund für die Exiſtenz der
bedrohten That vorhanden iſt. Strafe bey
unvollkommenem Beweis iſt rechtswidrig,
gleichviel ob man die Strafe des Geſetzes
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***) des Verbrechens. Bey Verbrechen aber, die auch
culpoſe begangen werden können, kann man den
Dolus nicht zum Thatbeſtande rechnen. Er iſt
dann, ſo wie die Culpa, blos ein Grund, von
welchem der Grad der Strafbarkeit abhängt. Alle
ſolche ſubjectiven Gründe aber können nicht zu
dem Thatbeſtande, vermöge ſeines Begriffs, ge-
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Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/98>, abgerufen am 22.02.2025.
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