Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801.

Bild:
<< vorherige Seite

II. Buch. I. Theil. II. Titel. II. Abschnitt.
Verstossung in das Kloster müsste heut
zu Tage Zuchthaus treten, so dass wir,
nach den Gesetzen, folgendermassen stra-
fen müssten: I. Schwerd bey der Mannsper-
son
, sie sey ledig und concumbire mit einer
Ehegattin, oder sey Ehegatte und concumbire
mit einer ledigen Person. II. Zuchthaus mit
Willkomm sowohl dem Eheweib als der ledi-
gen Weibsperson, die mit einem Ehemanne
concumbirt.

§. 420.

Häuliches Glück ist die Stütze des Staats,
Familienzerrüttung führt auf Zerrüttung der
bürgerlichen Gesellschaft. Darum scheint
Todesstrafe in zweckmässigem Verhältniss mit
dem Ehebruch zu stehen. Aber Ehebruch
setzt schon Störung der häuslichen Ordnung
voraus, und nicht die Unterlassung der äussern
Handlung des Ehebruchs, sondern häuslicher
Sinn und gegenseitige Hingebung der Gemü-
ther, welche durch keine Strafe erzwungen
werden kann, ist jene Grundsäule des Staats.
Todesstrafe ist daher hier zwecklos. Nur kann
die Unklugheit der Gesetzgeber nicht die zahl-
losen Milderungsgründe rechtfertigen *), die

man
*) Besonders auf Leysers Ansehen Sp. 576. werden
hier zwey Hauptmilderungsgründe angenommen:
I. Erhöhte Schwäche der menschlichen Natur. Daher
soll die Strafe mildern 1) lange Abwesenheit des
Ehegatten 2) das Alter desselben 3) Hass gegen ihn,
4) Anreitzung zum Verbrechen durch den andern
concumbirenden Theil, 5) lange Verweigerung der
eheli-

II. Buch. I. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt.
Verſtoſsung in das Kloſter müſste heut
zu Tage Zuchthaus treten, ſo daſs wir,
nach den Geſetzen, folgendermaſsen ſtra-
fen müſsten: I. Schwerd bey der Mannsper-
ſon
, ſie ſey ledig und concumbire mit einer
Ehegattin, oder ſey Ehegatte und concumbire
mit einer ledigen Perſon. II. Zuchthaus mit
Willkomm ſowohl dem Eheweib als der ledi-
gen Weibsperſon, die mit einem Ehemanne
concumbirt.

§. 420.

Häuliches Glück iſt die Stütze des Staats,
Familienzerrüttung führt auf Zerrüttung der
bürgerlichen Geſellſchaft. Darum ſcheint
Todesſtrafe in zweckmäſsigem Verhältniſs mit
dem Ehebruch zu ſtehen. Aber Ehebruch
ſetzt ſchon Störung der häuslichen Ordnung
voraus, und nicht die Unterlaſſung der äuſſern
Handlung des Ehebruchs, ſondern häuslicher
Sinn und gegenſeitige Hingebung der Gemü-
ther, welche durch keine Strafe erzwungen
werden kann, iſt jene Grundſäule des Staats.
Todesſtrafe iſt daher hier zwecklos. Nur kann
die Unklugheit der Geſetzgeber nicht die zahl-
loſen Milderungsgründe rechtfertigen *), die

man
*) Beſonders auf Leyſers Anſehen Sp. 576. werden
hier zwey Hauptmilderungsgründe angenommen:
I. Erhöhte Schwäche der menſchlichen Natur. Daher
ſoll die Strafe mildern 1) lange Abweſenheit des
Ehegatten 2) das Alter deſſelben 3) Haſs gegen ihn,
4) Anreitzung zum Verbrechen durch den andern
concumbirenden Theil, 5) lange Verweigerung der
eheli-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <div n="8">
                      <div n="9">
                        <p><pb facs="#f0364" n="336"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#i">II. Buch. I. Theil. II. Titel. II. Ab&#x017F;chnitt.</hi></fw><lb/>
Ver&#x017F;to&#x017F;sung in das Klo&#x017F;ter mü&#x017F;ste heut<lb/>
zu Tage Zuchthaus treten, &#x017F;o da&#x017F;s wir,<lb/>
nach den Ge&#x017F;etzen, folgenderma&#x017F;sen &#x017F;tra-<lb/>
fen mü&#x017F;sten: I. <hi rendition="#i">Schwerd</hi> bey der <hi rendition="#i">Mannsper-<lb/>
&#x017F;on</hi>, &#x017F;ie &#x017F;ey ledig und concumbire mit einer<lb/>
Ehegattin, oder &#x017F;ey Ehegatte und concumbire<lb/>
mit einer ledigen Per&#x017F;on. II. <hi rendition="#i">Zuchthaus</hi> mit<lb/>
Willkomm &#x017F;owohl dem Eheweib als der ledi-<lb/>
gen Weibsper&#x017F;on, die mit einem Ehemanne<lb/>
concumbirt.</p>
                      </div><lb/>
                      <div n="9">
                        <head>§. 420.</head><lb/>
                        <p>Häuliches Glück i&#x017F;t die Stütze des Staats,<lb/>
Familienzerrüttung führt auf Zerrüttung der<lb/>
bürgerlichen Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft. Darum &#x017F;cheint<lb/>
Todes&#x017F;trafe in zweckmä&#x017F;sigem Verhältni&#x017F;s mit<lb/>
dem Ehebruch zu &#x017F;tehen. Aber Ehebruch<lb/>
&#x017F;etzt &#x017F;chon Störung der häuslichen Ordnung<lb/>
voraus, und nicht die Unterla&#x017F;&#x017F;ung der äu&#x017F;&#x017F;ern<lb/>
Handlung des Ehebruchs, &#x017F;ondern häuslicher<lb/>
Sinn und gegen&#x017F;eitige Hingebung der Gemü-<lb/>
ther, welche durch keine Strafe erzwungen<lb/>
werden kann, i&#x017F;t jene Grund&#x017F;äule des Staats.<lb/>
Todes&#x017F;trafe i&#x017F;t daher hier zwecklos. Nur kann<lb/>
die Unklugheit der Ge&#x017F;etzgeber nicht die zahl-<lb/>
lo&#x017F;en Milderungsgründe rechtfertigen <note xml:id="note-0364" next="#note-0365" place="foot" n="*)">Be&#x017F;onders auf <hi rendition="#g">Ley&#x017F;ers</hi> An&#x017F;ehen Sp. 576. werden<lb/>
hier zwey Hauptmilderungsgründe angenommen:<lb/>
I. <hi rendition="#i">Erhöhte Schwäche der men&#x017F;chlichen Natur</hi>. Daher<lb/>
&#x017F;oll die Strafe mildern 1) lange Abwe&#x017F;enheit des<lb/>
Ehegatten 2) das Alter de&#x017F;&#x017F;elben 3) Ha&#x017F;s gegen ihn,<lb/>
4) Anreitzung zum Verbrechen durch den andern<lb/>
concumbirenden Theil, 5) lange Verweigerung der<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">eheli-</fw></note>, die<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">man</fw><lb/></p>
                      </div>
                    </div>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[336/0364] II. Buch. I. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt. Verſtoſsung in das Kloſter müſste heut zu Tage Zuchthaus treten, ſo daſs wir, nach den Geſetzen, folgendermaſsen ſtra- fen müſsten: I. Schwerd bey der Mannsper- ſon, ſie ſey ledig und concumbire mit einer Ehegattin, oder ſey Ehegatte und concumbire mit einer ledigen Perſon. II. Zuchthaus mit Willkomm ſowohl dem Eheweib als der ledi- gen Weibsperſon, die mit einem Ehemanne concumbirt. §. 420. Häuliches Glück iſt die Stütze des Staats, Familienzerrüttung führt auf Zerrüttung der bürgerlichen Geſellſchaft. Darum ſcheint Todesſtrafe in zweckmäſsigem Verhältniſs mit dem Ehebruch zu ſtehen. Aber Ehebruch ſetzt ſchon Störung der häuslichen Ordnung voraus, und nicht die Unterlaſſung der äuſſern Handlung des Ehebruchs, ſondern häuslicher Sinn und gegenſeitige Hingebung der Gemü- ther, welche durch keine Strafe erzwungen werden kann, iſt jene Grundſäule des Staats. Todesſtrafe iſt daher hier zwecklos. Nur kann die Unklugheit der Geſetzgeber nicht die zahl- loſen Milderungsgründe rechtfertigen *), die man *) Beſonders auf Leyſers Anſehen Sp. 576. werden hier zwey Hauptmilderungsgründe angenommen: I. Erhöhte Schwäche der menſchlichen Natur. Daher ſoll die Strafe mildern 1) lange Abweſenheit des Ehegatten 2) das Alter deſſelben 3) Haſs gegen ihn, 4) Anreitzung zum Verbrechen durch den andern concumbirenden Theil, 5) lange Verweigerung der eheli-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/364
Zitationshilfe: Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/364>, abgerufen am 19.11.2024.