Verstossung in das Kloster müsste heut zu Tage Zuchthaus treten, so dass wir, nach den Gesetzen, folgendermassen stra- fen müssten: I. Schwerd bey der Mannsper- son, sie sey ledig und concumbire mit einer Ehegattin, oder sey Ehegatte und concumbire mit einer ledigen Person. II. Zuchthaus mit Willkomm sowohl dem Eheweib als der ledi- gen Weibsperson, die mit einem Ehemanne concumbirt.
§. 420.
Häuliches Glück ist die Stütze des Staats, Familienzerrüttung führt auf Zerrüttung der bürgerlichen Gesellschaft. Darum scheint Todesstrafe in zweckmässigem Verhältniss mit dem Ehebruch zu stehen. Aber Ehebruch setzt schon Störung der häuslichen Ordnung voraus, und nicht die Unterlassung der äussern Handlung des Ehebruchs, sondern häuslicher Sinn und gegenseitige Hingebung der Gemü- ther, welche durch keine Strafe erzwungen werden kann, ist jene Grundsäule des Staats. Todesstrafe ist daher hier zwecklos. Nur kann die Unklugheit der Gesetzgeber nicht die zahl- losen Milderungsgründe rechtfertigen *), die
man
*) Besonders auf Leysers Ansehen Sp. 576. werden hier zwey Hauptmilderungsgründe angenommen: I. Erhöhte Schwäche der menschlichen Natur. Daher soll die Strafe mildern 1) lange Abwesenheit des Ehegatten 2) das Alter desselben 3) Hass gegen ihn, 4) Anreitzung zum Verbrechen durch den andern concumbirenden Theil, 5) lange Verweigerung der
eheli-
II. Buch. I. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt.
Verſtoſsung in das Kloſter müſste heut zu Tage Zuchthaus treten, ſo daſs wir, nach den Geſetzen, folgendermaſsen ſtra- fen müſsten: I. Schwerd bey der Mannsper- ſon, ſie ſey ledig und concumbire mit einer Ehegattin, oder ſey Ehegatte und concumbire mit einer ledigen Perſon. II. Zuchthaus mit Willkomm ſowohl dem Eheweib als der ledi- gen Weibsperſon, die mit einem Ehemanne concumbirt.
§. 420.
Häuliches Glück iſt die Stütze des Staats, Familienzerrüttung führt auf Zerrüttung der bürgerlichen Geſellſchaft. Darum ſcheint Todesſtrafe in zweckmäſsigem Verhältniſs mit dem Ehebruch zu ſtehen. Aber Ehebruch ſetzt ſchon Störung der häuslichen Ordnung voraus, und nicht die Unterlaſſung der äuſſern Handlung des Ehebruchs, ſondern häuslicher Sinn und gegenſeitige Hingebung der Gemü- ther, welche durch keine Strafe erzwungen werden kann, iſt jene Grundſäule des Staats. Todesſtrafe iſt daher hier zwecklos. Nur kann die Unklugheit der Geſetzgeber nicht die zahl- loſen Milderungsgründe rechtfertigen *), die
man
*) Beſonders auf Leyſers Anſehen Sp. 576. werden hier zwey Hauptmilderungsgründe angenommen: I. Erhöhte Schwäche der menſchlichen Natur. Daher ſoll die Strafe mildern 1) lange Abweſenheit des Ehegatten 2) das Alter deſſelben 3) Haſs gegen ihn, 4) Anreitzung zum Verbrechen durch den andern concumbirenden Theil, 5) lange Verweigerung der
eheli-
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II. Buch. I. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt.
Verſtoſsung in das Kloſter müſste heut
zu Tage Zuchthaus treten, ſo daſs wir,
nach den Geſetzen, folgendermaſsen ſtra-
fen müſsten: I. Schwerd bey der Mannsper-
ſon, ſie ſey ledig und concumbire mit einer
Ehegattin, oder ſey Ehegatte und concumbire
mit einer ledigen Perſon. II. Zuchthaus mit
Willkomm ſowohl dem Eheweib als der ledi-
gen Weibsperſon, die mit einem Ehemanne
concumbirt.
§. 420.
Häuliches Glück iſt die Stütze des Staats,
Familienzerrüttung führt auf Zerrüttung der
bürgerlichen Geſellſchaft. Darum ſcheint
Todesſtrafe in zweckmäſsigem Verhältniſs mit
dem Ehebruch zu ſtehen. Aber Ehebruch
ſetzt ſchon Störung der häuslichen Ordnung
voraus, und nicht die Unterlaſſung der äuſſern
Handlung des Ehebruchs, ſondern häuslicher
Sinn und gegenſeitige Hingebung der Gemü-
ther, welche durch keine Strafe erzwungen
werden kann, iſt jene Grundſäule des Staats.
Todesſtrafe iſt daher hier zwecklos. Nur kann
die Unklugheit der Geſetzgeber nicht die zahl-
loſen Milderungsgründe rechtfertigen *), die
man
*) Beſonders auf Leyſers Anſehen Sp. 576. werden
hier zwey Hauptmilderungsgründe angenommen:
I. Erhöhte Schwäche der menſchlichen Natur. Daher
ſoll die Strafe mildern 1) lange Abweſenheit des
Ehegatten 2) das Alter deſſelben 3) Haſs gegen ihn,
4) Anreitzung zum Verbrechen durch den andern
concumbirenden Theil, 5) lange Verweigerung der
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Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/364>, abgerufen am 22.02.2025.
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