Unsre deutschen Strafgesetze setzen zum Begriff der Entwendung überall die Besitzer- greifung einer körperlichen Sache zum Nachtheil der Rechte eines Andern voraus. Es kann da- her bey uns nur die Entwendung der Sache selbst (furtum rei ipsius) und die Besitzentwen- dung, in wie ferne sie durch wirkliche Ergrei- fung einer körperlichen Sache geschieht, als Verbrechen den öffentlichen Strafen der Ent- wendung unterworfen werden. *) Die Ent- wendung des Gebrauchs kann daher blos die Klage auf die römischen Privatstrafen bewir- ken, wenn man anders noch die Gültigkeit dieser Privatstrafen annehmen kann.
§. 357.
II. Der Akt, durch welchen das Verbre- chen begangen wird, ist Zueignung im wei- tern Sinn, worunter Besitzergreifung, ver- bunden mit der Absicht, an der Sache ein Recht auszuüben, verstanden wird. Es wird daher erfodert 1) eine äussere Handlung, durch welche die Sache der Macht (Disposition) des Subjects unterworfen wird (Apprehension) **);
2) eine
*) Der Pfandschuldner, der dem Gläubiger das Pfand entwendet, müste daher immer auch noch bey uns als Dieb betrachtet werden, wie Kleinpeinl. R. §. 427. Anm. richtig bemerkt,
**) L. 1. §. 1. u. 2. D. de furtis "Sola cogitatio furti fa- ciendi non facit furem. Sic is, qui depositum abnegat, non statim etiam furti tenetur: sed ita, li inter- cipiendi causa occultaverit. L. 3. §. 18.
D.
II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt.
§. 356.
Unſre deutſchen Strafgeſetze ſetzen zum Begriff der Entwendung überall die Beſitzer- greifung einer körperlichen Sache zum Nachtheil der Rechte eines Andern voraus. Es kann da- her bey uns nur die Entwendung der Sache ſelbſt (furtum rei ipſius) und die Beſitzentwen- dung, in wie ferne ſie durch wirkliche Ergrei- fung einer körperlichen Sache geſchieht, als Verbrechen den öffentlichen Strafen der Ent- wendung unterworfen werden. *) Die Ent- wendung des Gebrauchs kann daher blos die Klage auf die römiſchen Privatſtrafen bewir- ken, wenn man anders noch die Gültigkeit dieſer Privatſtrafen annehmen kann.
§. 357.
II. Der Akt, durch welchen das Verbre- chen begangen wird, iſt Zueignung im wei- tern Sinn, worunter Beſitzergreifung, ver- bunden mit der Abſicht, an der Sache ein Recht auszuüben, verſtanden wird. Es wird daher erfodert 1) eine äuſſere Handlung, durch welche die Sache der Macht (Dispoſition) des Subjects unterworfen wird (Apprehenſion) **);
2) eine
*) Der Pfandſchuldner, der dem Gläubiger das Pfand entwendet, müſte daher immer auch noch bey uns als Dieb betrachtet werden, wie Kleinpeinl. R. §. 427. Anm. richtig bemerkt,
**) L. 1. §. 1. u. 2. D. de furtis „Sola cogitatio furti fa- ciendi non facit furem. Sic is, qui depoſitum abnegat, non ſtatim etiam furti tenetur: ſed ita, li inter- cipiendi cauſa occultaverit. L. 3. §. 18.
D.
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II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt.
§. 356.
Unſre deutſchen Strafgeſetze ſetzen zum
Begriff der Entwendung überall die Beſitzer-
greifung einer körperlichen Sache zum Nachtheil
der Rechte eines Andern voraus. Es kann da-
her bey uns nur die Entwendung der Sache
ſelbſt (furtum rei ipſius) und die Beſitzentwen-
dung, in wie ferne ſie durch wirkliche Ergrei-
fung einer körperlichen Sache geſchieht, als
Verbrechen den öffentlichen Strafen der Ent-
wendung unterworfen werden. *) Die Ent-
wendung des Gebrauchs kann daher blos die
Klage auf die römiſchen Privatſtrafen bewir-
ken, wenn man anders noch die Gültigkeit
dieſer Privatſtrafen annehmen kann.
§. 357.
II. Der Akt, durch welchen das Verbre-
chen begangen wird, iſt Zueignung im wei-
tern Sinn, worunter Beſitzergreifung, ver-
bunden mit der Abſicht, an der Sache ein
Recht auszuüben, verſtanden wird. Es wird
daher erfodert 1) eine äuſſere Handlung, durch
welche die Sache der Macht (Dispoſition) des
Subjects unterworfen wird (Apprehenſion) **);
2) eine
*) Der Pfandſchuldner, der dem Gläubiger das Pfand
entwendet, müſte daher immer auch noch bey uns
als Dieb betrachtet werden, wie Klein peinl. R.
§. 427. Anm. richtig bemerkt,
**) L. 1. §. 1. u. 2. D. de furtis „Sola cogitatio furti fa-
ciendi non facit furem. Sic is, qui depoſitum abnegat,
non ſtatim etiam furti tenetur: ſed ita, li inter-
cipiendi cauſa occultaverit. L. 3. §. 18.
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Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/304>, abgerufen am 22.02.2025.
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