schränkungen der Freyheit. Ich ehre den Menschen als solchen nur, wenn ich dessen Rechte achte. Die Verletzung dieser Ehre ge- hört daher zu andern Verbrechen *).
§. 315.
B. Die Handlung muss an und für sich selbst die Ehre wirklich verletzen. Eine Handlung muss also, äusserlich betrachtet, entweder ver- möge ihrer Natur, oder nach der Volksmeynung oder der allgemeinen Vorstellungsart des Stan- des des Beleidigten, eine Ehrenverletzung ent- halten. Es existirt also keine Injurie 1) wenn sie blos der Gekränkte, nach seiner individuellen Vorstellung, als eine Ehrenverletzung betrach- tet, 2) wenn eine an sich nicht injuriöse Hand- lung, in der Meynung und Absicht, des an- dern Ehre zu verletzen, oder ihm unangeneh- me Empfindungen zu erwecken, geschehen ist **).
§. 316.
*) Daraus folgt nicht, dass keine Realinjurien möglich seyen. Verletzung andrer Rechte ist allerdings In- jurie; aber nur dann, wenn sie zugleich Verletzung bürgerlicher Ehre ist, wie wir nachher zeigen werden. Die allgemeine Ehre wird durch einen Läsion immer verletzt; eine Verletzung der bür- gerlichen Ehre ist nicht immer darin enthalten. Eine Rücksicht, welche genau die Grenze zwischen Injurien und andern Verbrechen zieht.
**) Dagegen Klein p. R. §. 214.
Verletzung des Rechts auf Ehre.
ſchränkungen der Freyheit. Ich ehre den Menſchen als ſolchen nur, wenn ich deſſen Rechte achte. Die Verletzung dieſer Ehre ge- hört daher zu andern Verbrechen *).
§. 315.
B. Die Handlung muſs an und für ſich ſelbſt die Ehre wirklich verletzen. Eine Handlung muſs alſo, äuſſerlich betrachtet, entweder ver- möge ihrer Natur, oder nach der Volksmeynung oder der allgemeinen Vorſtellungsart des Stan- des des Beleidigten, eine Ehrenverletzung ent- halten. Es exiſtirt alſo keine Injurie 1) wenn ſie blos der Gekränkte, nach ſeiner individuellen Vorſtellung, als eine Ehrenverletzung betrach- tet, 2) wenn eine an ſich nicht injuriöſe Hand- lung, in der Meynung und Abſicht, des an- dern Ehre zu verletzen, oder ihm unangeneh- me Empfindungen zu erwecken, geſchehen iſt **).
§. 316.
*) Daraus folgt nicht, daſs keine Realinjurien möglich ſeyen. Verletzung andrer Rechte iſt allerdings In- jurie; aber nur dann, wenn ſie zugleich Verletzung bürgerlicher Ehre iſt, wie wir nachher zeigen werden. Die allgemeine Ehre wird durch einen Läſion immer verletzt; eine Verletzung der bür- gerlichen Ehre iſt nicht immer darin enthalten. Eine Rückſicht, welche genau die Grenze zwiſchen Injurien und andern Verbrechen zieht.
**) Dagegen Klein p. R. §. 214.
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Verletzung des Rechts auf Ehre.
ſchränkungen der Freyheit. Ich ehre den
Menſchen als ſolchen nur, wenn ich deſſen
Rechte achte. Die Verletzung dieſer Ehre ge-
hört daher zu andern Verbrechen *).
§. 315.
B. Die Handlung muſs an und für ſich ſelbſt
die Ehre wirklich verletzen. Eine Handlung
muſs alſo, äuſſerlich betrachtet, entweder ver-
möge ihrer Natur, oder nach der Volksmeynung
oder der allgemeinen Vorſtellungsart des Stan-
des des Beleidigten, eine Ehrenverletzung ent-
halten. Es exiſtirt alſo keine Injurie 1) wenn ſie
blos der Gekränkte, nach ſeiner individuellen
Vorſtellung, als eine Ehrenverletzung betrach-
tet, 2) wenn eine an ſich nicht injuriöſe Hand-
lung, in der Meynung und Abſicht, des an-
dern Ehre zu verletzen, oder ihm unangeneh-
me Empfindungen zu erwecken, geſchehen
iſt **).
§. 316.
*) Daraus folgt nicht, daſs keine Realinjurien möglich
ſeyen. Verletzung andrer Rechte iſt allerdings In-
jurie; aber nur dann, wenn ſie zugleich Verletzung
bürgerlicher Ehre iſt, wie wir nachher zeigen
werden. Die allgemeine Ehre wird durch einen
Läſion immer verletzt; eine Verletzung der bür-
gerlichen Ehre iſt nicht immer darin enthalten.
Eine Rückſicht, welche genau die Grenze zwiſchen
Injurien und andern Verbrechen zieht.
**) Dagegen Klein p. R. §. 214.
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Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/273>, abgerufen am 22.02.2025.
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