Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801.

Bild:
<< vorherige Seite
I. Buch. II. Theil. III Titel. II. Abschnitt


Zweyter Abschnitt.
Regeln für die Anwendung der Strafen.


§. 161.

I. Die Strafe muss in der Zufügung ein
wirkliches Uebel für den Uebertreter seyn.
Eine
Strafe, durch deren Zufügung der Uebertre-
ter nicht leidet, ist in sich selbst und mit dem
Strafgesetze im Widerspruch. Daraus folgt:
1) ein Uebel, das der Verbrecher selbst als ein
Gut begehrt, kann nicht gegen ihn angewen-
det werden, ohne einen Widerspruch gegen
die Absicht des Gesetzes *). 2) Die Execution
eines Strafübels in einem Zustande des Ver-
brechers, wo dieser es nicht empfinden kann,
ist ein Widerspruch gegen den Begriff der
Strafe. Eine Execution am Leichnam oder im
Bildnisse **) kann nur als Mittel, die Infamie

zuzu-
Boehmer ad Carpzov Q. 109. obs. 2. 4.
Meister Einleitung zur peinl. Rechtsgel. S. 26. Koch.
inst. jur. crim. §. 644. 645. Quistorp. Thl. II.
534. und 535.
*) J. Melch. Gottl. Besecke Diss. de homicidio ex
vitae taedio ad oppetendam mortem commisso non mortis
poena, sed perpetuis carceribus puniendo.
Hal. 1772. ab-
gedruckt in Plitt Analect. Nr. IV.
**) Klein Diss. de executione in cadavere delinquentis.
Rost. 1699. -- Cocceji Diss. de justitia poenae in
absen-
I. Buch. II. Theil. III Titel. II. Abſchnitt


Zweyter Abſchnitt.
Regeln für die Anwendung der Strafen.


§. 161.

I. Die Strafe muſs in der Zufügung ein
wirkliches Uebel für den Uebertreter ſeyn.
Eine
Strafe, durch deren Zufügung der Uebertre-
ter nicht leidet, iſt in ſich ſelbſt und mit dem
Strafgeſetze im Widerſpruch. Daraus folgt:
1) ein Uebel, das der Verbrecher ſelbſt als ein
Gut begehrt, kann nicht gegen ihn angewen-
det werden, ohne einen Widerſpruch gegen
die Abſicht des Geſetzes *). 2) Die Execution
eines Strafübels in einem Zuſtande des Ver-
brechers, wo dieſer es nicht empfinden kann,
iſt ein Widerſpruch gegen den Begriff der
Strafe. Eine Execution am Leichnam oder im
Bildniſse **) kann nur als Mittel, die Infamie

zuzu-
Boehmer ad Carpzov Q. 109. obſ. 2. 4.
Meiſter Einleitung zur peinl. Rechtsgel. S. 26. Koch.
inſt. jur. crim. §. 644. 645. Quiſtorp. Thl. II.
534. und 535.
*) J. Melch. Gottl. Beſecke Diſſ. de homicidio ex
vitae taedio ad oppetendam mortem commiſſo non mortis
poena, ſed perpetuis carceribus puniendo.
Hal. 1772. ab-
gedruckt in Plitt Analect. Nr. IV.
**) Klein Diſſ. de executione in cadavere delinquentis.
Roſt. 1699. — Cocceji Diſſ. de juſtitia poenae in
abſen-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0152" n="124"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#i">I. Buch. II. Theil. III Titel. II. Ab&#x017F;chnitt</hi> </fw><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
              <div n="5">
                <head><hi rendition="#g">Zweyter Ab&#x017F;chnitt</hi>.<lb/><hi rendition="#i">Regeln für die Anwendung der Strafen.</hi></head><lb/>
                <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
                <div n="6">
                  <head>§. 161.</head><lb/>
                  <p>I. <hi rendition="#i">Die Strafe mu&#x017F;s in der Zufügung ein<lb/>
wirkliches Uebel für den Uebertreter &#x017F;eyn.</hi> Eine<lb/>
Strafe, durch deren Zufügung der Uebertre-<lb/>
ter nicht leidet, i&#x017F;t in &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t und mit dem<lb/>
Strafge&#x017F;etze im Wider&#x017F;pruch. Daraus folgt:<lb/>
1) ein Uebel, das der Verbrecher &#x017F;elb&#x017F;t als ein<lb/>
Gut begehrt, kann nicht gegen ihn angewen-<lb/>
det werden, ohne einen Wider&#x017F;pruch gegen<lb/>
die Ab&#x017F;icht des Ge&#x017F;etzes <note place="foot" n="*)">J. <hi rendition="#g">Melch. Gottl. Be&#x017F;ecke</hi> <hi rendition="#i">Di&#x017F;&#x017F;. de homicidio ex<lb/>
vitae taedio ad oppetendam mortem commi&#x017F;&#x017F;o non mortis<lb/>
poena, &#x017F;ed perpetuis carceribus puniendo.</hi> Hal. 1772. ab-<lb/>
gedruckt in <hi rendition="#g">Plitt</hi> <hi rendition="#i">Analect.</hi> Nr. IV.</note>. 2) Die Execution<lb/>
eines Strafübels in einem Zu&#x017F;tande des Ver-<lb/>
brechers, wo die&#x017F;er es nicht empfinden kann,<lb/>
i&#x017F;t ein Wider&#x017F;pruch gegen den Begriff der<lb/>
Strafe. Eine Execution am Leichnam oder im<lb/>
Bildni&#x017F;se <note xml:id="note-0152a" next="#note-0153" place="foot" n="**)"><hi rendition="#g">Klein</hi><hi rendition="#i">Di&#x017F;&#x017F;. de executione in cadavere delinquentis.</hi><lb/>
Ro&#x017F;t. 1699. &#x2014; <hi rendition="#g">Cocceji</hi> <hi rendition="#i">Di&#x017F;&#x017F;. de ju&#x017F;titia poenae in</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#i">ab&#x017F;en-</hi></fw></note> kann nur als Mittel, die Infamie<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">zuzu-</fw><lb/><note xml:id="note-0152" prev="#note-0151" place="foot" n="***)"><hi rendition="#g">Boehmer</hi><hi rendition="#i">ad</hi><hi rendition="#g">Carpzov</hi> Q. 109. ob&#x017F;. 2. 4.<lb/><hi rendition="#g">Mei&#x017F;ter</hi> <hi rendition="#i">Einleitung zur peinl. Rechtsgel.</hi> S. 26. <hi rendition="#g">Koch.</hi><lb/><hi rendition="#i">in&#x017F;t. jur. crim.</hi> §. 644. 645. <hi rendition="#g">Qui&#x017F;torp</hi>. Thl. II.<lb/>
534. und 535.</note><lb/></p>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[124/0152] I. Buch. II. Theil. III Titel. II. Abſchnitt Zweyter Abſchnitt. Regeln für die Anwendung der Strafen. §. 161. I. Die Strafe muſs in der Zufügung ein wirkliches Uebel für den Uebertreter ſeyn. Eine Strafe, durch deren Zufügung der Uebertre- ter nicht leidet, iſt in ſich ſelbſt und mit dem Strafgeſetze im Widerſpruch. Daraus folgt: 1) ein Uebel, das der Verbrecher ſelbſt als ein Gut begehrt, kann nicht gegen ihn angewen- det werden, ohne einen Widerſpruch gegen die Abſicht des Geſetzes *). 2) Die Execution eines Strafübels in einem Zuſtande des Ver- brechers, wo dieſer es nicht empfinden kann, iſt ein Widerſpruch gegen den Begriff der Strafe. Eine Execution am Leichnam oder im Bildniſse **) kann nur als Mittel, die Infamie zuzu- ***) *) J. Melch. Gottl. Beſecke Diſſ. de homicidio ex vitae taedio ad oppetendam mortem commiſſo non mortis poena, ſed perpetuis carceribus puniendo. Hal. 1772. ab- gedruckt in Plitt Analect. Nr. IV. **) Klein Diſſ. de executione in cadavere delinquentis. Roſt. 1699. — Cocceji Diſſ. de juſtitia poenae in abſen- ***) Boehmer ad Carpzov Q. 109. obſ. 2. 4. Meiſter Einleitung zur peinl. Rechtsgel. S. 26. Koch. inſt. jur. crim. §. 644. 645. Quiſtorp. Thl. II. 534. und 535.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/152
Zitationshilfe: Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/152>, abgerufen am 19.11.2024.