Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801.I. Buch. II. Theil. II. Titel II. Abschnitt. §. 110. Das Hauptargument für diesen Milde- 2); pr. delinquendi occasio, an et quatenus delictum ejusque poenam minuat. Lips. 1786. in Opusc. Nr. 4. *) Der Vf. glaubt hier den Hauptpunkt, auf welchen sich die Gegner stützen können, schärfer und für sie vortheilhafter dargestellt zu haben, als irgend einer von ihnen selbst es gethan hat. Aber auch den scheinbar strengsten Argumenten der Gegner kann man mit den Gründen der Revision kühn un- ter die Augen treten. **) Es wäre doch gar zu sonderbar, wenn ein Ge-
setzgeber eines bestimmten Strafgesetzes, überall seiner Erklärung nach, die Strafe der ganzen Gat- tung des benannten Verbrechens, also auch jedem einzelnen Fall, sobald er die Merkmale der Gattung trägt, androhte; immer aber in seinem Sinn nur an eine einzelne Species der benannten Gattung dächte, I. Buch. II. Theil. II. Titel II. Abſchnitt. §. 110. Das Hauptargument für dieſen Milde- 2); pr. delinquendi occaſio, an et quatenus delictum ejusque poenam minuat. Lipſ. 1786. in Opuſc. Nr. 4. *) Der Vf. glaubt hier den Hauptpunkt, auf welchen ſich die Gegner ſtützen können, ſchärfer und für ſie vortheilhafter dargeſtellt zu haben, als irgend einer von ihnen ſelbſt es gethan hat. Aber auch den ſcheinbar ſtrengſten Argumenten der Gegner kann man mit den Gründen der Reviſion kühn un- ter die Augen treten. **) Es wäre doch gar zu ſonderbar, wenn ein Ge-
ſetzgeber eines beſtimmten Strafgeſetzes, überall ſeiner Erklärung nach, die Strafe der ganzen Gat- tung des benannten Verbrechens, alſo auch jedem einzelnen Fall, ſobald er die Merkmale der Gattung trägt, androhte; immer aber in ſeinem Sinn nur an eine einzelne Species der benannten Gattung dächte, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <div n="8"> <div n="9"> <pb facs="#f0116" n="88"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#i">I. Buch. II. Theil. II. Titel II. Abſchnitt.</hi> </fw><lb/> <div n="10"> <head>§. 110.</head><lb/> <p>Das Hauptargument für dieſen Milde-<lb/> rungsgrund, liegt in der Behauptung: daſs,<lb/> da jede Strafe dem Grad der Moralität oder<lb/> Gefährlichkeit der That in <hi rendition="#i">concreto</hi> angemeſſen<lb/> ſeyn müſſe, um gerecht und zweckmäſsig zu<lb/> ſeyn, die geſetzliche Drohung ſelbſt nur auf den-<lb/> jenigen ſpeciellen Fall der That angedroht ſeyn<lb/> könne, mit welchem ſie in Proportion ſteht,<lb/> und mithin eine <hi rendition="#i">ſtillſchweigende</hi> Vorausſetzung<lb/> der ordentlichen Strafe nicht exiſtire, ſobald<lb/> die geſetzlich benannte Gattung des Ver-<lb/> brechens in concreto einen Grad der Strafbar-<lb/> keit zeigt, der mit der ordentlichen Strafe nicht<lb/> in Verhältniſs ſteht <note place="foot" n="*)">Der Vf. glaubt hier den Hauptpunkt, auf welchen<lb/> ſich die Gegner ſtützen können, ſchärfer und für<lb/> ſie vortheilhafter dargeſtellt zu haben, als irgend<lb/> einer von ihnen ſelbſt es gethan hat. Aber auch<lb/> den ſcheinbar ſtrengſten Argumenten der Gegner<lb/> kann man mit den Gründen der Reviſion kühn un-<lb/> ter die Augen treten.</note>. Allein: 1) ein beſtimm-<lb/> tes Strafgeſetz knüpft, ſeiner ausdrücklichen<lb/> Erklärung nach, die gedrohte Strafe an die<lb/> von <hi rendition="#i">ihm benannten</hi> Merkmale der That, alſo<lb/> an die ganze Gattung des Verbrechens <note xml:id="note-0116a" next="#note-0117" place="foot" n="**)">Es wäre doch gar zu ſonderbar, wenn ein Ge-<lb/> ſetzgeber eines beſtimmten Strafgeſetzes, überall<lb/> ſeiner <hi rendition="#i">Erklärung</hi> nach, die Strafe der ganzen Gat-<lb/> tung des benannten Verbrechens, alſo auch jedem<lb/> einzelnen Fall, ſobald er die Merkmale der Gattung<lb/> trägt, androhte; immer aber in ſeinem <hi rendition="#i">Sinn</hi> nur<lb/> an eine einzelne <hi rendition="#i">Species</hi> der benannten Gattung<lb/> <fw place="bottom" type="catch">dächte,</fw></note>;<lb/> <fw place="bottom" type="catch">2);</fw><lb/><note xml:id="note-0116" prev="#note-0115" place="foot" n="†††)"><hi rendition="#i">pr. delinquendi occaſio, an et quatenus delictum ejusque<lb/> poenam minuat.</hi> Lipſ. 1786. in <hi rendition="#g">Opuſc</hi>. Nr. 4.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [88/0116]
I. Buch. II. Theil. II. Titel II. Abſchnitt.
§. 110.
Das Hauptargument für dieſen Milde-
rungsgrund, liegt in der Behauptung: daſs,
da jede Strafe dem Grad der Moralität oder
Gefährlichkeit der That in concreto angemeſſen
ſeyn müſſe, um gerecht und zweckmäſsig zu
ſeyn, die geſetzliche Drohung ſelbſt nur auf den-
jenigen ſpeciellen Fall der That angedroht ſeyn
könne, mit welchem ſie in Proportion ſteht,
und mithin eine ſtillſchweigende Vorausſetzung
der ordentlichen Strafe nicht exiſtire, ſobald
die geſetzlich benannte Gattung des Ver-
brechens in concreto einen Grad der Strafbar-
keit zeigt, der mit der ordentlichen Strafe nicht
in Verhältniſs ſteht *). Allein: 1) ein beſtimm-
tes Strafgeſetz knüpft, ſeiner ausdrücklichen
Erklärung nach, die gedrohte Strafe an die
von ihm benannten Merkmale der That, alſo
an die ganze Gattung des Verbrechens **);
2);
†††)
*) Der Vf. glaubt hier den Hauptpunkt, auf welchen
ſich die Gegner ſtützen können, ſchärfer und für
ſie vortheilhafter dargeſtellt zu haben, als irgend
einer von ihnen ſelbſt es gethan hat. Aber auch
den ſcheinbar ſtrengſten Argumenten der Gegner
kann man mit den Gründen der Reviſion kühn un-
ter die Augen treten.
**) Es wäre doch gar zu ſonderbar, wenn ein Ge-
ſetzgeber eines beſtimmten Strafgeſetzes, überall
ſeiner Erklärung nach, die Strafe der ganzen Gat-
tung des benannten Verbrechens, alſo auch jedem
einzelnen Fall, ſobald er die Merkmale der Gattung
trägt, androhte; immer aber in ſeinem Sinn nur
an eine einzelne Species der benannten Gattung
dächte,
†††) pr. delinquendi occaſio, an et quatenus delictum ejusque
poenam minuat. Lipſ. 1786. in Opuſc. Nr. 4.
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