unmöglich und undenkbar ist, dass es diesen Zweck erreiche, kann also auch das Strafge- setz nicht gegeben seyn. Nun hängt aber die Möglichkeit der Zufügung einer Strafe davon ab, dass der Fall von dem Gesetz bedroht worden ist (§. 24. II.); also kann nur unter Voraussetzung der Abschreckungsmöglichkeit ein Rechtsgrund der Zufügung der Strafe vor- handen seyn. Die Gemüthseigenschaft, welche die Strafbarkeit eines Menschen begründet, heisst die Imputativität.
§. 93.
Das Strafgesetz soll durch die Vorstellung des künftigen Uebels auf das Begehrungsvermögen wirken und dieses abhalten, die That zu wol- len. Die Bedingungen der Imputativität sind also 1) das Bewustseyn der Strafbarkeit der Handlung, welches a) die Vorstellung des Strafgesetzes selbst in dem Momente der Wil- lensbestimmung, und b) die richtige Subsum- tion der Handlung unter das Gesetz, voraussetzt. Die andere Bedingung ist 2) die Möglichkeit des Einflusses der Vorstellung von der Strafbar- keit auf die Unterlassung der That. Konnte nach Gesetzen der äussern oder innern Natur selbst die gegenwärtige Vorstellung der Strafe die That nicht verhindern, so ist keine Straf- barkeit vorhanden *).
§. 94.
Eine Rechtsverletzung kann begangen werden, sowohl aus Dolus, als aus Culpa.
Die
*) Mündlich von der gewöhnlichen Freyheitstheorie und von Kleinsheroischer Freyheit.
V. d. Gründen d. abſoluten Strafbarkeit.
unmöglich und undenkbar iſt, daſs es dieſen Zweck erreiche, kann alſo auch das Strafge- ſetz nicht gegeben ſeyn. Nun hängt aber die Möglichkeit der Zufügung einer Strafe davon ab, daſs der Fall von dem Geſetz bedroht worden iſt (§. 24. II.); alſo kann nur unter Vorausſetzung der Abſchreckungsmöglichkeit ein Rechtsgrund der Zufügung der Strafe vor- handen ſeyn. Die Gemüthseigenſchaft, welche die Strafbarkeit eines Menſchen begründet, heiſst die Imputativität.
§. 93.
Das Strafgeſetz ſoll durch die Vorſtellung des künftigen Uebels auf das Begehrungsvermögen wirken und dieſes abhalten, die That zu wol- len. Die Bedingungen der Imputativität ſind alſo 1) das Bewuſtſeyn der Strafbarkeit der Handlung, welches a) die Vorſtellung des Strafgeſetzes ſelbſt in dem Momente der Wil- lensbeſtimmung, und b) die richtige Subſum- tion der Handlung unter das Geſetz, vorausſetzt. Die andere Bedingung iſt 2) die Möglichkeit des Einfluſses der Vorſtellung von der Strafbar- keit auf die Unterlaſſung der That. Konnte nach Geſetzen der äuſſern oder innern Natur ſelbſt die gegenwärtige Vorſtellung der Strafe die That nicht verhindern, ſo iſt keine Straf- barkeit vorhanden *).
§. 94.
Eine Rechtsverletzung kann begangen werden, ſowohl aus Dolus, als aus Culpa.
Die
*) Mündlich von der gewöhnlichen Freyheitstheorie und von Kleinsheroiſcher Freyheit.
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[73/0101]
V. d. Gründen d. abſoluten Strafbarkeit.
unmöglich und undenkbar iſt, daſs es dieſen
Zweck erreiche, kann alſo auch das Strafge-
ſetz nicht gegeben ſeyn. Nun hängt aber die
Möglichkeit der Zufügung einer Strafe davon
ab, daſs der Fall von dem Geſetz bedroht
worden iſt (§. 24. II.); alſo kann nur unter
Vorausſetzung der Abſchreckungsmöglichkeit
ein Rechtsgrund der Zufügung der Strafe vor-
handen ſeyn. Die Gemüthseigenſchaft, welche
die Strafbarkeit eines Menſchen begründet,
heiſst die Imputativität.
§. 93.
Das Strafgeſetz ſoll durch die Vorſtellung des
künftigen Uebels auf das Begehrungsvermögen
wirken und dieſes abhalten, die That zu wol-
len. Die Bedingungen der Imputativität ſind
alſo 1) das Bewuſtſeyn der Strafbarkeit der
Handlung, welches a) die Vorſtellung des
Strafgeſetzes ſelbſt in dem Momente der Wil-
lensbeſtimmung, und b) die richtige Subſum-
tion der Handlung unter das Geſetz, vorausſetzt.
Die andere Bedingung iſt 2) die Möglichkeit
des Einfluſses der Vorſtellung von der Strafbar-
keit auf die Unterlaſſung der That. Konnte
nach Geſetzen der äuſſern oder innern Natur
ſelbſt die gegenwärtige Vorſtellung der Strafe
die That nicht verhindern, ſo iſt keine Straf-
barkeit vorhanden *).
§. 94.
Eine Rechtsverletzung kann begangen
werden, ſowohl aus Dolus, als aus Culpa.
Die
*) Mündlich von der gewöhnlichen Freyheitstheorie
und von Kleins heroiſcher Freyheit.
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Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/101>, abgerufen am 22.02.2025.
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