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[Fessler, Ignaz Aurelius]: Eleusinien des neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 2. Berlin, 1803.

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alle seine Triebe ausfülle. Aber in der That ist
es ihm um das bloße Seyn dieses Zwecks gar
nicht zu thun, und derselbe hat für und durch sich
selbst und um sein selbst willen, für ihn nicht den
mindesten Werth. Nur das ihm unsichtbare
und unbegreifliche Ewige, das hinter die-
ser Hülle des Irrdischen verborgen ist,
strebt er an
; und nur um dieses Verborgenen
willen hat das, was der Beobachter sieht, für ihn
eine Bedeutung. Sein Sinn ist immer in
der Ewigkeit, seine Kräfte sind immer
bei Euch
. Aber nur mit dem Sinne, eingebilde-
ter Weise im Himmel zu leben und die Kräfte
auf Erden indeß ruhen zu lassen, fällt ihm nicht
ein; denn es giebt keinen Sinn, ohne thätige Kraft,
die etwas zu ersinnen hergiebt.



Eilfter Brief.


Wohl wünschte ich, Du hättest Dir die Ausdrücke:
Wirksamkeit und Nutzbarkeit der Religion oder
Religiosität, selbst in einer zweifelnden Frage, nicht
entwischen lassen. Weder zur Erhaltung der bür-
gerlichen Ordnung, noch zur Beruhigung und zum
Troste kann die Religion gebraucht werden, weil
sie gar keinen Gebrauch hat.

Der besondere Stand, dem die religiöse Erzie-
hung der größeren Gesellschaft anvertraut ist, der

alle ſeine Triebe ausfuͤlle. Aber in der That iſt
es ihm um das bloße Seyn dieſes Zwecks gar
nicht zu thun, und derſelbe hat fuͤr und durch ſich
ſelbſt und um ſein ſelbſt willen, fuͤr ihn nicht den
mindeſten Werth. Nur das ihm unſichtbare
und unbegreifliche Ewige, das hinter die-
ſer Huͤlle des Irrdiſchen verborgen iſt,
ſtrebt er an
; und nur um dieſes Verborgenen
willen hat das, was der Beobachter ſieht, fuͤr ihn
eine Bedeutung. Sein Sinn iſt immer in
der Ewigkeit, ſeine Kraͤfte ſind immer
bei Euch
. Aber nur mit dem Sinne, eingebilde-
ter Weiſe im Himmel zu leben und die Kraͤfte
auf Erden indeß ruhen zu laſſen, faͤllt ihm nicht
ein; denn es giebt keinen Sinn, ohne thaͤtige Kraft,
die etwas zu erſinnen hergiebt.



Eilfter Brief.


Wohl wuͤnſchte ich, Du haͤtteſt Dir die Ausdruͤcke:
Wirkſamkeit und Nutzbarkeit der Religion oder
Religioſitaͤt, ſelbſt in einer zweifelnden Frage, nicht
entwiſchen laſſen. Weder zur Erhaltung der buͤr-
gerlichen Ordnung, noch zur Beruhigung und zum
Troſte kann die Religion gebraucht werden, weil
ſie gar keinen Gebrauch hat.

Der beſondere Stand, dem die religioͤſe Erzie-
hung der groͤßeren Geſellſchaft anvertraut iſt, der

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[31/0053] alle ſeine Triebe ausfuͤlle. Aber in der That iſt es ihm um das bloße Seyn dieſes Zwecks gar nicht zu thun, und derſelbe hat fuͤr und durch ſich ſelbſt und um ſein ſelbſt willen, fuͤr ihn nicht den mindeſten Werth. Nur das ihm unſichtbare und unbegreifliche Ewige, das hinter die- ſer Huͤlle des Irrdiſchen verborgen iſt, ſtrebt er an; und nur um dieſes Verborgenen willen hat das, was der Beobachter ſieht, fuͤr ihn eine Bedeutung. Sein Sinn iſt immer in der Ewigkeit, ſeine Kraͤfte ſind immer bei Euch. Aber nur mit dem Sinne, eingebilde- ter Weiſe im Himmel zu leben und die Kraͤfte auf Erden indeß ruhen zu laſſen, faͤllt ihm nicht ein; denn es giebt keinen Sinn, ohne thaͤtige Kraft, die etwas zu erſinnen hergiebt. Eilfter Brief. Wohl wuͤnſchte ich, Du haͤtteſt Dir die Ausdruͤcke: Wirkſamkeit und Nutzbarkeit der Religion oder Religioſitaͤt, ſelbſt in einer zweifelnden Frage, nicht entwiſchen laſſen. Weder zur Erhaltung der buͤr- gerlichen Ordnung, noch zur Beruhigung und zum Troſte kann die Religion gebraucht werden, weil ſie gar keinen Gebrauch hat. Der beſondere Stand, dem die religioͤſe Erzie- hung der groͤßeren Geſellſchaft anvertraut iſt, der

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Zitationshilfe: [Fessler, Ignaz Aurelius]: Eleusinien des neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 2. Berlin, 1803, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fessler_eleusinien02_1803/53>, abgerufen am 22.12.2024.