Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

Bild:
<< vorherige Seite

ben, gleichwohl aber mit Gewalt und bey denen Haaren darzu gezogen wor-
den seyn. Hernach, als derselbe den elenden Schulmeister-Dienst bekommen,
haben ihn etwa die Sorgen der Nahrung geplaget, und er hat sich sonder
zweiffel gezwungen gesehen, den grösten Theil seiner Gedancken auf den Acker-
und Feld-Bau, auf die Vieh-Hüner und Tauben-Zucht zu wenden, welche
Dinge, wann sie so fein zusammen kommen, warlich! capable sind, einen ver-
wirrten und einfältigen Narren aus einem Schulmeister zu machen.

Aber a propos! Was hält dann der geneigte Leser von dem, was jetz[e]
folget:

EXTRACT
Einiger Passagen eines berühmten Scribenten
unserer Zeit.

ES ist ja wohl an dem, daß ich längst meine Feder hätte ruhen las-
sen, wo nicht eine Menge dererjenigen! die da die Wahrheit lie-
ben, und nach derselben Lehren, von allen Seiten auf mich loßge-
stürmet, und von mir, daß ich mit gleichem Eyffer, wie bis daher
noch fernere Weisheits-Ströhme durch meine Schrifften ausflies-
sen lassen sollte, erfordert hätten.

Item. So ist auch hier durchaus meine Schreib-Art so be-
schaffen, daß ich mir wohl flattiren darff, daß, so lange das Evan-
gelische Zion stehet, noch keine Schrifft jemahls ans Tages Licht ge-
kommen, da mit mehrerer Bescheidenheit die Warheits-Grün-
de wären vertheioiget worden, ja daß gar wenig Streit-Schriff-
ten sind, welche dieser hierrinnen (doch es sey ferne, daß ich
mich selbst rühme; Ich will es dem Urtheil des Lesers überlassen)
gleich kommen. Denn ob ich gleich die Wahrheit derb und tro-
cken ohne Wort-Blum, mit welcher ich sonst meine Schrifften zu
schmücken pflege, vortrage &c. &c.

Doch
G

ben, gleichwohl aber mit Gewalt und bey denen Haaren darzu gezogen wor-
den ſeyn. Hernach, als derſelbe den elenden Schulmeiſter-Dienſt bekommen,
haben ihn etwa die Sorgen der Nahrung geplaget, und er hat ſich ſonder
zweiffel gezwungen geſehen, den groͤſten Theil ſeiner Gedancken auf den Acker-
und Feld-Bau, auf die Vieh-Huͤner und Tauben-Zucht zu wenden, welche
Dinge, wann ſie ſo fein zuſammen kommen, warlich! capable ſind, einen ver-
wirrten und einfaͤltigen Narren aus einem Schulmeiſter zu machen.

Aber à propòs! Was haͤlt dann der geneigte Leſer von dem, was jetz[e]
folget:

EXTRACT
Einiger Paſſagen eines beruͤhmten Scribenten
unſerer Zeit.

ES iſt ja wohl an dem, daß ich laͤngſt meine Feder haͤtte ruhen laſ-
ſen, wo nicht eine Menge dererjenigen! die da die Wahrheit lie-
ben, und nach derſelben Lehren, von allen Seiten auf mich loßge-
ſtuͤrmet, und von mir, daß ich mit gleichem Eyffer, wie bis daher
noch fernere Weisheits-Stroͤhme durch meine Schrifften ausflieſ-
ſen laſſen ſollte, erfordert haͤtten.

Item. So iſt auch hier durchaus meine Schreib-Art ſo be-
ſchaffen, daß ich mir wohl flattiren darff, daß, ſo lange das Evan-
geliſche Zion ſtehet, noch keine Schrifft jemahls ans Tages Licht ge-
kommen, da mit mehrerer Beſcheidenheit die Warheits-Gruͤn-
de waͤren vertheioiget worden, ja daß gar wenig Streit-Schriff-
ten ſind, welche dieſer hierrinnen (doch es ſey ferne, daß ich
mich ſelbſt ruͤhme; Ich will es dem Urtheil des Leſers uͤberlaſſen)
gleich kommen. Denn ob ich gleich die Wahrheit derb und tro-
cken ohne Wort-Blum, mit welcher ich ſonſt meine Schrifften zu
ſchmuͤcken pflege, vortrage &c. &c.

Doch
G
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0093" n="49"/>
ben, gleichwohl aber mit Gewalt und bey denen Haaren darzu gezogen wor-<lb/>
den &#x017F;eyn. Hernach, als der&#x017F;elbe den elenden Schulmei&#x017F;ter-Dien&#x017F;t bekommen,<lb/>
haben ihn etwa die Sorgen der Nahrung geplaget, und er hat &#x017F;ich &#x017F;onder<lb/>
zweiffel gezwungen ge&#x017F;ehen, den gro&#x0364;&#x017F;ten Theil &#x017F;einer Gedancken auf den Acker-<lb/>
und Feld-Bau, auf die Vieh-Hu&#x0364;ner und Tauben-Zucht zu wenden, welche<lb/>
Dinge, wann &#x017F;ie &#x017F;o fein zu&#x017F;ammen kommen, warlich! <hi rendition="#aq">capable</hi> &#x017F;ind, einen ver-<lb/>
wirrten und einfa&#x0364;ltigen Narren aus einem Schulmei&#x017F;ter zu machen.</p><lb/>
        <p>Aber <hi rendition="#aq">à propòs</hi>! Was ha&#x0364;lt dann der geneigte Le&#x017F;er von dem, was jetz<supplied>e</supplied><lb/>
folget:</p><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">EXTRACT</hi></hi><lb/>
Einiger <hi rendition="#aq">Pa&#x017F;&#x017F;ag</hi>en eines beru&#x0364;hmten <hi rendition="#aq">Scriben</hi>ten<lb/>
un&#x017F;erer Zeit.</head><lb/>
          <p> <hi rendition="#fr"><hi rendition="#in">E</hi>S i&#x017F;t ja wohl an dem, daß ich la&#x0364;ng&#x017F;t meine Feder ha&#x0364;tte ruhen la&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, wo nicht eine Menge dererjenigen! die da die Wahrheit lie-<lb/>
ben, und nach der&#x017F;elben Lehren, von allen Seiten auf mich loßge-<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;rmet, und von mir, daß ich mit gleichem Eyffer, wie bis daher<lb/>
noch fernere Weisheits-Stro&#x0364;hme durch meine Schrifften ausflie&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ollte, erfordert ha&#x0364;tten.</hi> </p><lb/>
          <p> <hi rendition="#fr">Item. So i&#x017F;t auch hier durchaus meine Schreib-Art &#x017F;o be-<lb/>
&#x017F;chaffen, daß ich mir wohl <hi rendition="#aq">flatti</hi>ren darff, daß, &#x017F;o lange das Evan-<lb/>
geli&#x017F;che Zion &#x017F;tehet, noch keine Schrifft jemahls ans Tages Licht ge-<lb/>
kommen, da mit mehrerer Be&#x017F;cheidenheit die Warheits-Gru&#x0364;n-<lb/>
de wa&#x0364;ren vertheioiget worden, ja daß gar wenig Streit-Schriff-<lb/>
ten &#x017F;ind, welche die&#x017F;er hierrinnen (doch es &#x017F;ey ferne, daß ich<lb/>
mich &#x017F;elb&#x017F;t ru&#x0364;hme; Ich will es dem Urtheil des Le&#x017F;ers u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en)<lb/>
gleich kommen. Denn ob ich gleich die Wahrheit derb und tro-<lb/>
cken ohne Wort-Blum, mit welcher ich &#x017F;on&#x017F;t meine Schrifften zu<lb/>
&#x017F;chmu&#x0364;cken pflege, vortrage <hi rendition="#aq">&amp;c. &amp;c.</hi></hi> </p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">G</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Doch</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[49/0093] ben, gleichwohl aber mit Gewalt und bey denen Haaren darzu gezogen wor- den ſeyn. Hernach, als derſelbe den elenden Schulmeiſter-Dienſt bekommen, haben ihn etwa die Sorgen der Nahrung geplaget, und er hat ſich ſonder zweiffel gezwungen geſehen, den groͤſten Theil ſeiner Gedancken auf den Acker- und Feld-Bau, auf die Vieh-Huͤner und Tauben-Zucht zu wenden, welche Dinge, wann ſie ſo fein zuſammen kommen, warlich! capable ſind, einen ver- wirrten und einfaͤltigen Narren aus einem Schulmeiſter zu machen. Aber à propòs! Was haͤlt dann der geneigte Leſer von dem, was jetze folget: EXTRACT Einiger Paſſagen eines beruͤhmten Scribenten unſerer Zeit. ES iſt ja wohl an dem, daß ich laͤngſt meine Feder haͤtte ruhen laſ- ſen, wo nicht eine Menge dererjenigen! die da die Wahrheit lie- ben, und nach derſelben Lehren, von allen Seiten auf mich loßge- ſtuͤrmet, und von mir, daß ich mit gleichem Eyffer, wie bis daher noch fernere Weisheits-Stroͤhme durch meine Schrifften ausflieſ- ſen laſſen ſollte, erfordert haͤtten. Item. So iſt auch hier durchaus meine Schreib-Art ſo be- ſchaffen, daß ich mir wohl flattiren darff, daß, ſo lange das Evan- geliſche Zion ſtehet, noch keine Schrifft jemahls ans Tages Licht ge- kommen, da mit mehrerer Beſcheidenheit die Warheits-Gruͤn- de waͤren vertheioiget worden, ja daß gar wenig Streit-Schriff- ten ſind, welche dieſer hierrinnen (doch es ſey ferne, daß ich mich ſelbſt ruͤhme; Ich will es dem Urtheil des Leſers uͤberlaſſen) gleich kommen. Denn ob ich gleich die Wahrheit derb und tro- cken ohne Wort-Blum, mit welcher ich ſonſt meine Schrifften zu ſchmuͤcken pflege, vortrage &c. &c. Doch G

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/93
Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/93>, abgerufen am 30.12.2024.