Zweites Kapitel. Schwankungen zwischen den nationalen und anti- ken Elementen in der Zeit der Merovinger und Karolinger.
Erst seit der Zeit der Völkerwanderung machen sich die Ein- flüsse der römischen oder überhaupt der antiken Cultur auf die Lebenszustände der Deutschen dauernd bemerklich. Das Rhein- land freilich und einige andere Stätten an der Donau, wo das Römerthum seinen bleibenden Sitz aufgeschlagen und neben dem Handel auch die Industrie und eine gewisse Kunstthätigkeit in Flor gebracht hatte, machen eine Ausnahme. Wieweit aber das antike Leben hier schon früher Wurzel gefaßt, ob es und wie es sich mit deutschnationalen Sitten, Einrichtungen und Lebensbe- dingungen verbunden hat, ist noch eine unaufgehellte Sache. Die Völkerwanderung, welche diese Gegenden aufs Neue mit deutschen Elementen überflutete, zerreißt den Faden, an welchem wir uns rückwärts hätten in diese Verhältnisse hineinfinden kön- nen. Keineswegs hat sie jedoch die hier schon so lange blühende Cultur, den Handel und die Industrie völlig zertrümmert, und sie hat namentlich in der Gewerbstechnik die Brücke zur Zukunft unabgebrochen gelassen. Die Nachrichten aber sind zu zerstreut, um dem Gange nachgehen zu können, auf welchem sich Antikes und Barbarisches mit einander verbinden. Wir sehen nur, daß es überall geschieht.
So ist es auch in der Kleidung. Schon früh stoßen wir auf undeutsche Elemente neben ächten und nationalen, aber die Nach-
Zweites Kapitel. Schwankungen zwiſchen den nationalen und anti- ken Elementen in der Zeit der Merovinger und Karolinger.
Erſt ſeit der Zeit der Völkerwanderung machen ſich die Ein- flüſſe der römiſchen oder überhaupt der antiken Cultur auf die Lebenszuſtände der Deutſchen dauernd bemerklich. Das Rhein- land freilich und einige andere Stätten an der Donau, wo das Römerthum ſeinen bleibenden Sitz aufgeſchlagen und neben dem Handel auch die Induſtrie und eine gewiſſe Kunſtthätigkeit in Flor gebracht hatte, machen eine Ausnahme. Wieweit aber das antike Leben hier ſchon früher Wurzel gefaßt, ob es und wie es ſich mit deutſchnationalen Sitten, Einrichtungen und Lebensbe- dingungen verbunden hat, iſt noch eine unaufgehellte Sache. Die Völkerwanderung, welche dieſe Gegenden aufs Neue mit deutſchen Elementen überflutete, zerreißt den Faden, an welchem wir uns rückwärts hätten in dieſe Verhältniſſe hineinfinden kön- nen. Keineswegs hat ſie jedoch die hier ſchon ſo lange blühende Cultur, den Handel und die Induſtrie völlig zertrümmert, und ſie hat namentlich in der Gewerbstechnik die Brücke zur Zukunft unabgebrochen gelaſſen. Die Nachrichten aber ſind zu zerſtreut, um dem Gange nachgehen zu können, auf welchem ſich Antikes und Barbariſches mit einander verbinden. Wir ſehen nur, daß es überall geſchieht.
So iſt es auch in der Kleidung. Schon früh ſtoßen wir auf undeutſche Elemente neben ächten und nationalen, aber die Nach-
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Zweites Kapitel.
Schwankungen zwiſchen den nationalen und anti-
ken Elementen in der Zeit der Merovinger und
Karolinger.
Erſt ſeit der Zeit der Völkerwanderung machen ſich die Ein-
flüſſe der römiſchen oder überhaupt der antiken Cultur auf die
Lebenszuſtände der Deutſchen dauernd bemerklich. Das Rhein-
land freilich und einige andere Stätten an der Donau, wo das
Römerthum ſeinen bleibenden Sitz aufgeſchlagen und neben dem
Handel auch die Induſtrie und eine gewiſſe Kunſtthätigkeit in
Flor gebracht hatte, machen eine Ausnahme. Wieweit aber das
antike Leben hier ſchon früher Wurzel gefaßt, ob es und wie es
ſich mit deutſchnationalen Sitten, Einrichtungen und Lebensbe-
dingungen verbunden hat, iſt noch eine unaufgehellte Sache.
Die Völkerwanderung, welche dieſe Gegenden aufs Neue mit
deutſchen Elementen überflutete, zerreißt den Faden, an welchem
wir uns rückwärts hätten in dieſe Verhältniſſe hineinfinden kön-
nen. Keineswegs hat ſie jedoch die hier ſchon ſo lange blühende
Cultur, den Handel und die Induſtrie völlig zertrümmert, und
ſie hat namentlich in der Gewerbstechnik die Brücke zur Zukunft
unabgebrochen gelaſſen. Die Nachrichten aber ſind zu zerſtreut,
um dem Gange nachgehen zu können, auf welchem ſich Antikes
und Barbariſches mit einander verbinden. Wir ſehen nur, daß
es überall geſchieht.
So iſt es auch in der Kleidung. Schon früh ſtoßen wir auf
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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. [21]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/39>, abgerufen am 08.07.2024.
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