Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eschstruth, Nataly von: Katz' und Maus. Berlin, 1886.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Glockenblume.

Schweigend weiter ritt das Fräulein,
Gudula, viel zu bescheiden,
Um durch allzukeckes Fragen
Eine Lösung auszufinden,
Schritt gesenkten Haupts zur Seite,
Ueberdenkend das Erlebte.
Wäre ja kein Weib gewesen,
Hätte sie nicht regen Geistes
Den Zusammenhang geahnet
Und in tausend kühnen Bildern
Die Vermuthung ausgesponnen.
Ja, sie lächelte, die Kleine,
Und sie dachte tief im Herzen:
"Wunderlich sind oft die Wege,
Dornenvoll und viel verschlungen,
D'rauf die süße Minne wandelt,
Und mir deucht' es, diesen Beiden
Hat sie schweren Gang beschieden,
Müssen Beide erst sich müde
Laufen, hin und her im Zweifel,
In der Dunkelheit und Wildniß,
Bis die starren, trotz'gen Ecken
Ihrer Herzen abgeschliffen,
Bis der spröde Stolz gebrochen,
Und die Augen sehend werden,
All' ihr Glück erst zu begreifen!"

Die Glockenblume.

Schweigend weiter ritt das Fräulein,
Gudula, viel zu beſcheiden,
Um durch allzukeckes Fragen
Eine Löſung auszufinden,
Schritt geſenkten Haupts zur Seite,
Ueberdenkend das Erlebte.
Wäre ja kein Weib geweſen,
Hätte ſie nicht regen Geiſtes
Den Zuſammenhang geahnet
Und in tauſend kühnen Bildern
Die Vermuthung ausgeſponnen.
Ja, ſie lächelte, die Kleine,
Und ſie dachte tief im Herzen:
„Wunderlich ſind oft die Wege,
Dornenvoll und viel verſchlungen,
D'rauf die ſüße Minne wandelt,
Und mir deucht' es, dieſen Beiden
Hat ſie ſchweren Gang beſchieden,
Müſſen Beide erſt ſich müde
Laufen, hin und her im Zweifel,
In der Dunkelheit und Wildniß,
Bis die ſtarren, trotz'gen Ecken
Ihrer Herzen abgeſchliffen,
Bis der ſpröde Stolz gebrochen,
Und die Augen ſehend werden,
All' ihr Glück erſt zu begreifen!“
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0124" n="110"/><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b #g">Die Glockenblume.</hi><lb/>
        </head>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <lg type="poem">
          <lg n="1">
            <l>Schweigend weiter ritt das Fräulein,</l><lb/>
            <l>Gudula, viel zu be&#x017F;cheiden,</l><lb/>
            <l>Um durch allzukeckes Fragen</l><lb/>
            <l>Eine Lö&#x017F;ung auszufinden,</l><lb/>
            <l>Schritt ge&#x017F;enkten Haupts zur Seite,</l><lb/>
            <l>Ueberdenkend das Erlebte.</l><lb/>
            <l>Wäre ja kein Weib gewe&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Hätte &#x017F;ie nicht regen Gei&#x017F;tes</l><lb/>
            <l>Den Zu&#x017F;ammenhang geahnet</l><lb/>
            <l>Und in tau&#x017F;end kühnen Bildern</l><lb/>
            <l>Die Vermuthung ausge&#x017F;ponnen.</l><lb/>
            <l>Ja, &#x017F;ie lächelte, die Kleine,</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;ie dachte tief im Herzen:</l><lb/>
            <l>&#x201E;Wunderlich &#x017F;ind oft die Wege,</l><lb/>
            <l>Dornenvoll und viel ver&#x017F;chlungen,</l><lb/>
            <l>D'rauf die &#x017F;üße Minne wandelt,</l><lb/>
            <l>Und mir deucht' es, die&#x017F;en Beiden</l><lb/>
            <l>Hat &#x017F;ie &#x017F;chweren Gang be&#x017F;chieden,</l><lb/>
            <l>&#x017F;&#x017F;en Beide er&#x017F;t &#x017F;ich müde</l><lb/>
            <l>Laufen, hin und her im Zweifel,</l><lb/>
            <l>In der Dunkelheit und Wildniß,</l><lb/>
            <l>Bis die &#x017F;tarren, trotz'gen Ecken</l><lb/>
            <l>Ihrer Herzen abge&#x017F;chliffen,</l><lb/>
            <l>Bis der &#x017F;pröde Stolz gebrochen,</l><lb/>
            <l>Und die Augen &#x017F;ehend werden,</l><lb/>
            <l>All' ihr Glück er&#x017F;t zu begreifen!&#x201C;</l><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[110/0124] Die Glockenblume. Schweigend weiter ritt das Fräulein, Gudula, viel zu beſcheiden, Um durch allzukeckes Fragen Eine Löſung auszufinden, Schritt geſenkten Haupts zur Seite, Ueberdenkend das Erlebte. Wäre ja kein Weib geweſen, Hätte ſie nicht regen Geiſtes Den Zuſammenhang geahnet Und in tauſend kühnen Bildern Die Vermuthung ausgeſponnen. Ja, ſie lächelte, die Kleine, Und ſie dachte tief im Herzen: „Wunderlich ſind oft die Wege, Dornenvoll und viel verſchlungen, D'rauf die ſüße Minne wandelt, Und mir deucht' es, dieſen Beiden Hat ſie ſchweren Gang beſchieden, Müſſen Beide erſt ſich müde Laufen, hin und her im Zweifel, In der Dunkelheit und Wildniß, Bis die ſtarren, trotz'gen Ecken Ihrer Herzen abgeſchliffen, Bis der ſpröde Stolz gebrochen, Und die Augen ſehend werden, All' ihr Glück erſt zu begreifen!“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eschstruth_katz_1886
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eschstruth_katz_1886/124
Zitationshilfe: Eschstruth, Nataly von: Katz' und Maus. Berlin, 1886, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eschstruth_katz_1886/124>, abgerufen am 21.11.2024.