Eschstruth, Nataly von: Katz' und Maus. Berlin, 1886.Die Glockenblume. Schweigend weiter ritt das Fräulein,
Gudula, viel zu bescheiden, Um durch allzukeckes Fragen Eine Lösung auszufinden, Schritt gesenkten Haupts zur Seite, Ueberdenkend das Erlebte. Wäre ja kein Weib gewesen, Hätte sie nicht regen Geistes Den Zusammenhang geahnet Und in tausend kühnen Bildern Die Vermuthung ausgesponnen. Ja, sie lächelte, die Kleine, Und sie dachte tief im Herzen: "Wunderlich sind oft die Wege, Dornenvoll und viel verschlungen, D'rauf die süße Minne wandelt, Und mir deucht' es, diesen Beiden Hat sie schweren Gang beschieden, Müssen Beide erst sich müde Laufen, hin und her im Zweifel, In der Dunkelheit und Wildniß, Bis die starren, trotz'gen Ecken Ihrer Herzen abgeschliffen, Bis der spröde Stolz gebrochen, Und die Augen sehend werden, All' ihr Glück erst zu begreifen!" Die Glockenblume. Schweigend weiter ritt das Fräulein,
Gudula, viel zu beſcheiden, Um durch allzukeckes Fragen Eine Löſung auszufinden, Schritt geſenkten Haupts zur Seite, Ueberdenkend das Erlebte. Wäre ja kein Weib geweſen, Hätte ſie nicht regen Geiſtes Den Zuſammenhang geahnet Und in tauſend kühnen Bildern Die Vermuthung ausgeſponnen. Ja, ſie lächelte, die Kleine, Und ſie dachte tief im Herzen: „Wunderlich ſind oft die Wege, Dornenvoll und viel verſchlungen, D'rauf die ſüße Minne wandelt, Und mir deucht' es, dieſen Beiden Hat ſie ſchweren Gang beſchieden, Müſſen Beide erſt ſich müde Laufen, hin und her im Zweifel, In der Dunkelheit und Wildniß, Bis die ſtarren, trotz'gen Ecken Ihrer Herzen abgeſchliffen, Bis der ſpröde Stolz gebrochen, Und die Augen ſehend werden, All' ihr Glück erſt zu begreifen!“ <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0124" n="110"/><lb/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b #g">Die Glockenblume.</hi><lb/> </head> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Schweigend weiter ritt das Fräulein,</l><lb/> <l>Gudula, viel zu beſcheiden,</l><lb/> <l>Um durch allzukeckes Fragen</l><lb/> <l>Eine Löſung auszufinden,</l><lb/> <l>Schritt geſenkten Haupts zur Seite,</l><lb/> <l>Ueberdenkend das Erlebte.</l><lb/> <l>Wäre ja kein Weib geweſen,</l><lb/> <l>Hätte ſie nicht regen Geiſtes</l><lb/> <l>Den Zuſammenhang geahnet</l><lb/> <l>Und in tauſend kühnen Bildern</l><lb/> <l>Die Vermuthung ausgeſponnen.</l><lb/> <l>Ja, ſie lächelte, die Kleine,</l><lb/> <l>Und ſie dachte tief im Herzen:</l><lb/> <l>„Wunderlich ſind oft die Wege,</l><lb/> <l>Dornenvoll und viel verſchlungen,</l><lb/> <l>D'rauf die ſüße Minne wandelt,</l><lb/> <l>Und mir deucht' es, dieſen Beiden</l><lb/> <l>Hat ſie ſchweren Gang beſchieden,</l><lb/> <l>Müſſen Beide erſt ſich müde</l><lb/> <l>Laufen, hin und her im Zweifel,</l><lb/> <l>In der Dunkelheit und Wildniß,</l><lb/> <l>Bis die ſtarren, trotz'gen Ecken</l><lb/> <l>Ihrer Herzen abgeſchliffen,</l><lb/> <l>Bis der ſpröde Stolz gebrochen,</l><lb/> <l>Und die Augen ſehend werden,</l><lb/> <l>All' ihr Glück erſt zu begreifen!“</l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [110/0124]
Die Glockenblume.
Schweigend weiter ritt das Fräulein,
Gudula, viel zu beſcheiden,
Um durch allzukeckes Fragen
Eine Löſung auszufinden,
Schritt geſenkten Haupts zur Seite,
Ueberdenkend das Erlebte.
Wäre ja kein Weib geweſen,
Hätte ſie nicht regen Geiſtes
Den Zuſammenhang geahnet
Und in tauſend kühnen Bildern
Die Vermuthung ausgeſponnen.
Ja, ſie lächelte, die Kleine,
Und ſie dachte tief im Herzen:
„Wunderlich ſind oft die Wege,
Dornenvoll und viel verſchlungen,
D'rauf die ſüße Minne wandelt,
Und mir deucht' es, dieſen Beiden
Hat ſie ſchweren Gang beſchieden,
Müſſen Beide erſt ſich müde
Laufen, hin und her im Zweifel,
In der Dunkelheit und Wildniß,
Bis die ſtarren, trotz'gen Ecken
Ihrer Herzen abgeſchliffen,
Bis der ſpröde Stolz gebrochen,
Und die Augen ſehend werden,
All' ihr Glück erſt zu begreifen!“
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