Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837.Der zaubrische Spielmann. Nächtlich in dem stillen Grunde, Wenn das Abendroth versank, Um das Waldschloß in die Runde Ging ein lieblicher Gesang. Fremde waren diese Weisen, Und der Sänger unbekannt, Aber, wie in Zauberkreisen, Hielt er jede Brust gebannt. Hinter blüh'nden Mandelbäumen Auf dem Schloß das Fräulein lauscht -- Drunten alle Blumen träumen, Wollüstig der Garten rauscht. Und die Wellen buhlend klingen, Ringend in geheimer Lust Kommt das wunderbare Singen An die süß verträumte Brust. "Warum weckst Du das Verlangen, Das ich kaum zur Ruh gebracht? Siehst Du hoch die Lilien prangen? Böser Sänger, gute Nacht! Sieh', die Blumen steh'n voll Thränen,
Einsam die Viole wacht, Als wollt' sie sich schmachtend dehnen In die warme Sommernacht. Der zaubriſche Spielmann. Naͤchtlich in dem ſtillen Grunde, Wenn das Abendroth verſank, Um das Waldſchloß in die Runde Ging ein lieblicher Geſang. Fremde waren dieſe Weiſen, Und der Saͤnger unbekannt, Aber, wie in Zauberkreiſen, Hielt er jede Bruſt gebannt. Hinter bluͤh'nden Mandelbaͤumen Auf dem Schloß das Fraͤulein lauſcht — Drunten alle Blumen traͤumen, Wolluͤſtig der Garten rauſcht. Und die Wellen buhlend klingen, Ringend in geheimer Luſt Kommt das wunderbare Singen An die ſuͤß vertraͤumte Bruſt. „Warum weckſt Du das Verlangen, Das ich kaum zur Ruh gebracht? Siehſt Du hoch die Lilien prangen? Boͤſer Saͤnger, gute Nacht! Sieh', die Blumen ſteh'n voll Thraͤnen,
Einſam die Viole wacht, Als wollt' ſie ſich ſchmachtend dehnen In die warme Sommernacht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0487" n="469"/> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Der zaubriſche Spielmann.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <l><hi rendition="#in">N</hi>aͤchtlich in dem ſtillen Grunde,</l><lb/> <l>Wenn das Abendroth verſank,</l><lb/> <l>Um das Waldſchloß in die Runde</l><lb/> <l>Ging ein lieblicher Geſang.</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>Fremde waren dieſe Weiſen,</l><lb/> <l>Und der Saͤnger unbekannt,</l><lb/> <l>Aber, wie in Zauberkreiſen,</l><lb/> <l>Hielt er jede Bruſt gebannt.</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>Hinter bluͤh'nden Mandelbaͤumen</l><lb/> <l>Auf dem Schloß das Fraͤulein lauſcht —</l><lb/> <l>Drunten alle Blumen traͤumen,</l><lb/> <l>Wolluͤſtig der Garten rauſcht.</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>Und die Wellen buhlend klingen,</l><lb/> <l>Ringend in geheimer Luſt</l><lb/> <l>Kommt das wunderbare Singen</l><lb/> <l>An die ſuͤß vertraͤumte Bruſt.</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>„Warum weckſt Du das Verlangen,</l><lb/> <l>Das ich kaum zur Ruh gebracht?</l><lb/> <l>Siehſt Du hoch die Lilien prangen?</l><lb/> <l>Boͤſer Saͤnger, gute Nacht!</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>Sieh', die Blumen ſteh'n voll Thraͤnen,</l><lb/> <l>Einſam die Viole wacht,</l><lb/> <l>Als wollt' ſie ſich ſchmachtend dehnen</l><lb/> <l>In die warme Sommernacht.</l><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [469/0487]
Der zaubriſche Spielmann.
Naͤchtlich in dem ſtillen Grunde,
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Ging ein lieblicher Geſang.
Fremde waren dieſe Weiſen,
Und der Saͤnger unbekannt,
Aber, wie in Zauberkreiſen,
Hielt er jede Bruſt gebannt.
Hinter bluͤh'nden Mandelbaͤumen
Auf dem Schloß das Fraͤulein lauſcht —
Drunten alle Blumen traͤumen,
Wolluͤſtig der Garten rauſcht.
Und die Wellen buhlend klingen,
Ringend in geheimer Luſt
Kommt das wunderbare Singen
An die ſuͤß vertraͤumte Bruſt.
„Warum weckſt Du das Verlangen,
Das ich kaum zur Ruh gebracht?
Siehſt Du hoch die Lilien prangen?
Boͤſer Saͤnger, gute Nacht!
Sieh', die Blumen ſteh'n voll Thraͤnen,
Einſam die Viole wacht,
Als wollt' ſie ſich ſchmachtend dehnen
In die warme Sommernacht.
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