Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837.Jugendandacht. I. Daß des verlor'nen Himmels es gedächte, Schlagen an's Herz des Frühlings linde Wellen, Wie ew'ger Wonnen schüchternes Vermuthen. Geheimer Glanz der lauen Sommernächte, Du grüner Wald, verführend Lied der Quellen, Des Morgens Pracht, stillblüh'nde Abendgluthen, Ihr fragt: wo Schmerz und Lust so lange ruhten, Die süß das Herz verdunkeln und es hellen? Wie thut ihr zaub'risch auf die alten Wunden, Daß losgebunden in das Licht sie bluten! O seel'ge Zeit entfloss'ner Himmelbläue, Der ersten Andacht solch inbrünst'ger Liebe, Die ewig wollte knieen vor der Einen! Demüthig in der Glorie des Maien Hob sie den Schleier oft, daß offen bliebe Der Augen Himmel, in das Land zu scheinen. Und stand ich still, und mußt' ich herzlich weinen In Ihrem Blick gereinigt alle Triebe: Da war nur Wonne, was ich mußte klagen, Im Angesicht der Stillen, Ewigreinen Kein Schmerz, als solcher Liebe Lieb' ertragen! II. Wie in einer Blume himmelblauen
Grund, wo schlummernd träumen stille Regenbogen, Ist mein Leben ein unendlich Schauen, Klar durch's ganze Herz Ein süßes Bild gezogen. Jugendandacht. I. Daß des verlor'nen Himmels es gedaͤchte, Schlagen an's Herz des Fruͤhlings linde Wellen, Wie ew'ger Wonnen ſchuͤchternes Vermuthen. Geheimer Glanz der lauen Sommernaͤchte, Du gruͤner Wald, verfuͤhrend Lied der Quellen, Des Morgens Pracht, ſtillbluͤh'nde Abendgluthen, Ihr fragt: wo Schmerz und Luſt ſo lange ruhten, Die ſuͤß das Herz verdunkeln und es hellen? Wie thut ihr zaub'riſch auf die alten Wunden, Daß losgebunden in das Licht ſie bluten! O ſeel'ge Zeit entfloſſ'ner Himmelblaͤue, Der erſten Andacht ſolch inbruͤnſt'ger Liebe, Die ewig wollte knieen vor der Einen! Demuͤthig in der Glorie des Maien Hob ſie den Schleier oft, daß offen bliebe Der Augen Himmel, in das Land zu ſcheinen. Und ſtand ich ſtill, und mußt' ich herzlich weinen In Ihrem Blick gereinigt alle Triebe: Da war nur Wonne, was ich mußte klagen, Im Angeſicht der Stillen, Ewigreinen Kein Schmerz, als ſolcher Liebe Lieb' ertragen! II. Wie in einer Blume himmelblauen
Grund, wo ſchlummernd traͤumen ſtille Regenbogen, Iſt mein Leben ein unendlich Schauen, Klar durch's ganze Herz Ein ſuͤßes Bild gezogen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0360" n="342"/> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b #g">Jugendandacht</hi> <hi rendition="#b">.</hi><lb/> </head> <lg> <head> <hi rendition="#aq #b">I</hi> <hi rendition="#b">.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <l><hi rendition="#in">D</hi>aß des verlor'nen Himmels es gedaͤchte,</l><lb/> <l>Schlagen an's Herz des Fruͤhlings linde Wellen,</l><lb/> <l>Wie ew'ger Wonnen ſchuͤchternes Vermuthen.</l><lb/> <l>Geheimer Glanz der lauen Sommernaͤchte,</l><lb/> <l>Du gruͤner Wald, verfuͤhrend Lied der Quellen,</l><lb/> <l>Des Morgens Pracht, ſtillbluͤh'nde Abendgluthen,</l><lb/> <l>Ihr fragt: wo Schmerz und Luſt ſo lange ruhten,</l><lb/> <l>Die ſuͤß das Herz verdunkeln und es hellen?</l><lb/> <l>Wie thut ihr zaub'riſch auf die alten Wunden,</l><lb/> <l>Daß losgebunden in das Licht ſie bluten!</l><lb/> <l>O ſeel'ge Zeit entfloſſ'ner Himmelblaͤue,</l><lb/> <l>Der erſten Andacht ſolch inbruͤnſt'ger Liebe,</l><lb/> <l>Die ewig wollte knieen vor der Einen!</l><lb/> <l>Demuͤthig in der Glorie des Maien</l><lb/> <l>Hob ſie den Schleier oft, daß offen bliebe</l><lb/> <l>Der Augen Himmel, in das Land zu ſcheinen.</l><lb/> <l>Und ſtand ich ſtill, und mußt' ich herzlich weinen</l><lb/> <l>In Ihrem Blick gereinigt alle Triebe:</l><lb/> <l>Da war nur Wonne, was ich mußte klagen,</l><lb/> <l>Im Angeſicht der Stillen, Ewigreinen</l><lb/> <l>Kein Schmerz, als ſolcher Liebe Lieb' ertragen!</l><lb/> </lg> </lg> <lg> <head> <hi rendition="#aq #b">II</hi> <hi rendition="#b">.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <l>Wie in einer Blume himmelblauen</l><lb/> <l>Grund, wo ſchlummernd traͤumen ſtille Regenbogen,</l><lb/> <l>Iſt mein Leben ein unendlich Schauen,</l><lb/> <l>Klar durch's ganze Herz Ein ſuͤßes Bild gezogen.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [342/0360]
Jugendandacht.
I.
Daß des verlor'nen Himmels es gedaͤchte,
Schlagen an's Herz des Fruͤhlings linde Wellen,
Wie ew'ger Wonnen ſchuͤchternes Vermuthen.
Geheimer Glanz der lauen Sommernaͤchte,
Du gruͤner Wald, verfuͤhrend Lied der Quellen,
Des Morgens Pracht, ſtillbluͤh'nde Abendgluthen,
Ihr fragt: wo Schmerz und Luſt ſo lange ruhten,
Die ſuͤß das Herz verdunkeln und es hellen?
Wie thut ihr zaub'riſch auf die alten Wunden,
Daß losgebunden in das Licht ſie bluten!
O ſeel'ge Zeit entfloſſ'ner Himmelblaͤue,
Der erſten Andacht ſolch inbruͤnſt'ger Liebe,
Die ewig wollte knieen vor der Einen!
Demuͤthig in der Glorie des Maien
Hob ſie den Schleier oft, daß offen bliebe
Der Augen Himmel, in das Land zu ſcheinen.
Und ſtand ich ſtill, und mußt' ich herzlich weinen
In Ihrem Blick gereinigt alle Triebe:
Da war nur Wonne, was ich mußte klagen,
Im Angeſicht der Stillen, Ewigreinen
Kein Schmerz, als ſolcher Liebe Lieb' ertragen!
II.
Wie in einer Blume himmelblauen
Grund, wo ſchlummernd traͤumen ſtille Regenbogen,
Iſt mein Leben ein unendlich Schauen,
Klar durch's ganze Herz Ein ſuͤßes Bild gezogen.
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Zitationshilfe: | Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/360>, abgerufen am 26.02.2025. |