Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Knabe.
Es war ein zartes Vögelein,
Das saß in Lieb' gefangen,
Ein Knabe hegt' und pflegt' sich's fein
Wohl hinter gold'nen Stangen.
Und draußen hört's auf grünem Plan
Verschied'ner Vögel Weisen,
Sah Tag und Nacht den Knaben an,
Mocht' nicht mit ihnen reisen.
Und als der Frühling weit und breit
Von neuem schien und schwärmte,
Da that dem Knaben 's Vöglein leid,
Daß es kein Strahl erwärmte.
Da nahm er aus dem stillen Haus
Das Vöglein fromm und treue,
Und schweift' mit ihm durch's Feld hinaus
In's himmelblaue Freie.
Er setzt' es vor sich auf die Hand,
Da wend't und putzt sich's feine,
In bunten Farben spielt' und brannt'
Sein Kleid im Sonnenscheine.
Doch aus dem Wald ein Singen rief,
Bunt' Vöglein zieh'n und reisen,
Das lockt so hell, das lockt so tief
In wundersüßen Weisen.
Der Knabe.
Es war ein zartes Voͤgelein,
Das ſaß in Lieb' gefangen,
Ein Knabe hegt' und pflegt' ſich's fein
Wohl hinter gold'nen Stangen.
Und draußen hoͤrt's auf gruͤnem Plan
Verſchied'ner Voͤgel Weiſen,
Sah Tag und Nacht den Knaben an,
Mocht' nicht mit ihnen reiſen.
Und als der Fruͤhling weit und breit
Von neuem ſchien und ſchwaͤrmte,
Da that dem Knaben 's Voͤglein leid,
Daß es kein Strahl erwaͤrmte.
Da nahm er aus dem ſtillen Haus
Das Voͤglein fromm und treue,
Und ſchweift' mit ihm durch's Feld hinaus
In's himmelblaue Freie.
Er ſetzt' es vor ſich auf die Hand,
Da wend't und putzt ſich's feine,
In bunten Farben ſpielt' und brannt'
Sein Kleid im Sonnenſcheine.
Doch aus dem Wald ein Singen rief,
Bunt' Voͤglein zieh'n und reiſen,
Das lockt ſo hell, das lockt ſo tief
In wunderſuͤßen Weiſen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0285" n="267"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b #g">Der Knabe</hi> <hi rendition="#b">.</hi><lb/>
          </head>
          <lg type="poem">
            <l><hi rendition="#in">E</hi>s war ein zartes Vo&#x0364;gelein,</l><lb/>
            <l>Das &#x017F;aß in Lieb' gefangen,</l><lb/>
            <l>Ein Knabe hegt' und pflegt' &#x017F;ich's fein</l><lb/>
            <l>Wohl hinter gold'nen Stangen.</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Und draußen ho&#x0364;rt's auf gru&#x0364;nem Plan</l><lb/>
            <l>Ver&#x017F;chied'ner Vo&#x0364;gel Wei&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Sah Tag und Nacht den Knaben an,</l><lb/>
            <l>Mocht' nicht mit ihnen rei&#x017F;en.</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Und als der Fru&#x0364;hling weit und breit</l><lb/>
            <l>Von neuem &#x017F;chien und &#x017F;chwa&#x0364;rmte,</l><lb/>
            <l>Da that dem Knaben 's Vo&#x0364;glein leid,</l><lb/>
            <l>Daß es kein Strahl erwa&#x0364;rmte.</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Da nahm er aus dem &#x017F;tillen Haus</l><lb/>
            <l>Das Vo&#x0364;glein fromm und treue,</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;chweift' mit ihm durch's Feld hinaus</l><lb/>
            <l>In's himmelblaue Freie.</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Er &#x017F;etzt' es vor &#x017F;ich auf die Hand,</l><lb/>
            <l>Da wend't und putzt &#x017F;ich's feine,</l><lb/>
            <l>In bunten Farben &#x017F;pielt' und brannt'</l><lb/>
            <l>Sein Kleid im Sonnen&#x017F;cheine.</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Doch aus dem Wald ein Singen rief,</l><lb/>
            <l>Bunt' Vo&#x0364;glein zieh'n und rei&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Das lockt &#x017F;o hell, das lockt &#x017F;o tief</l><lb/>
            <l>In wunder&#x017F;u&#x0364;ßen Wei&#x017F;en.</l><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[267/0285] Der Knabe. Es war ein zartes Voͤgelein, Das ſaß in Lieb' gefangen, Ein Knabe hegt' und pflegt' ſich's fein Wohl hinter gold'nen Stangen. Und draußen hoͤrt's auf gruͤnem Plan Verſchied'ner Voͤgel Weiſen, Sah Tag und Nacht den Knaben an, Mocht' nicht mit ihnen reiſen. Und als der Fruͤhling weit und breit Von neuem ſchien und ſchwaͤrmte, Da that dem Knaben 's Voͤglein leid, Daß es kein Strahl erwaͤrmte. Da nahm er aus dem ſtillen Haus Das Voͤglein fromm und treue, Und ſchweift' mit ihm durch's Feld hinaus In's himmelblaue Freie. Er ſetzt' es vor ſich auf die Hand, Da wend't und putzt ſich's feine, In bunten Farben ſpielt' und brannt' Sein Kleid im Sonnenſcheine. Doch aus dem Wald ein Singen rief, Bunt' Voͤglein zieh'n und reiſen, Das lockt ſo hell, das lockt ſo tief In wunderſuͤßen Weiſen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/285
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/285>, abgerufen am 21.11.2024.