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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

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Dreiundzwanzigstes Kapitel.

Als Otto -- von dem strengen Vitalis verstoßen
-- so einsam von dem Gebirge der Einsiedler hinab¬
stieg, weinte er sich recht von Herzensgrunde aus.
Dann wurde ihm erst leichter. Er fühlte wieder einen
rechten Trieb und Muth, nach dem Höchsten in der
Welt zu streben, er wollte endlich ehrlich Frieden stif¬
ten in seiner Seele, und so neugeboren zu dem Ein¬
siedler zurückkehren, ja es kam ihm in diesen glücklichen
Stunden gering vor, selbst sein Dichten zu lassen,
wenn es ihn wieder in Eitelkeit verstricken wollte. Die
stille Nacht sah ihn dabei von den Bergen, wie eine
milde Mutter, fast wehmüthig an. -- Indessen verlo¬
schen nach und nach die Sterne am Himmel, und wie
nun die Morgenfühle über die Felder kam, und un¬
ten der Strom und von drüben die Spiegelfenster ei¬
nes Schlosses lustig aufblitzten: da erschien dem Ver¬
weinten die Erde wieder so jung und frisch wie nach
einem Gewitterregen, in den tröpfelnden Bäumen über
ihm dehnten die Vögel erwachend die Flügel und sa¬
hen ihn neugierig an, als wollten sie fragen: Gesell,
wo bist du so lange gewesen? -- Er wanderte fröh¬
lich den ganzen Tag, und als er endlich auf dem letz¬

Dreiundzwanzigstes Kapitel.

Als Otto — von dem ſtrengen Vitalis verſtoßen
— ſo einſam von dem Gebirge der Einſiedler hinab¬
ſtieg, weinte er ſich recht von Herzensgrunde aus.
Dann wurde ihm erſt leichter. Er fuͤhlte wieder einen
rechten Trieb und Muth, nach dem Hoͤchſten in der
Welt zu ſtreben, er wollte endlich ehrlich Frieden ſtif¬
ten in ſeiner Seele, und ſo neugeboren zu dem Ein¬
ſiedler zuruͤckkehren, ja es kam ihm in dieſen gluͤcklichen
Stunden gering vor, ſelbſt ſein Dichten zu laſſen,
wenn es ihn wieder in Eitelkeit verſtricken wollte. Die
ſtille Nacht ſah ihn dabei von den Bergen, wie eine
milde Mutter, faſt wehmuͤthig an. — Indeſſen verlo¬
ſchen nach und nach die Sterne am Himmel, und wie
nun die Morgenfuͤhle uͤber die Felder kam, und un¬
ten der Strom und von druͤben die Spiegelfenſter ei¬
nes Schloſſes luſtig aufblitzten: da erſchien dem Ver¬
weinten die Erde wieder ſo jung und friſch wie nach
einem Gewitterregen, in den troͤpfelnden Baͤumen uͤber
ihm dehnten die Voͤgel erwachend die Fluͤgel und ſa¬
hen ihn neugierig an, als wollten ſie fragen: Geſell,
wo biſt du ſo lange geweſen? — Er wanderte froͤh¬
lich den ganzen Tag, und als er endlich auf dem letz¬

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[306/0313] Dreiundzwanzigstes Kapitel. Als Otto — von dem ſtrengen Vitalis verſtoßen — ſo einſam von dem Gebirge der Einſiedler hinab¬ ſtieg, weinte er ſich recht von Herzensgrunde aus. Dann wurde ihm erſt leichter. Er fuͤhlte wieder einen rechten Trieb und Muth, nach dem Hoͤchſten in der Welt zu ſtreben, er wollte endlich ehrlich Frieden ſtif¬ ten in ſeiner Seele, und ſo neugeboren zu dem Ein¬ ſiedler zuruͤckkehren, ja es kam ihm in dieſen gluͤcklichen Stunden gering vor, ſelbſt ſein Dichten zu laſſen, wenn es ihn wieder in Eitelkeit verſtricken wollte. Die ſtille Nacht ſah ihn dabei von den Bergen, wie eine milde Mutter, faſt wehmuͤthig an. — Indeſſen verlo¬ ſchen nach und nach die Sterne am Himmel, und wie nun die Morgenfuͤhle uͤber die Felder kam, und un¬ ten der Strom und von druͤben die Spiegelfenſter ei¬ nes Schloſſes luſtig aufblitzten: da erſchien dem Ver¬ weinten die Erde wieder ſo jung und friſch wie nach einem Gewitterregen, in den troͤpfelnden Baͤumen uͤber ihm dehnten die Voͤgel erwachend die Fluͤgel und ſa¬ hen ihn neugierig an, als wollten ſie fragen: Geſell, wo biſt du ſo lange geweſen? — Er wanderte froͤh¬ lich den ganzen Tag, und als er endlich auf dem letz¬

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/313>, abgerufen am 21.11.2024.