Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Während dieses Discourses hatten sie sich wieder
bis an den Palast herangeschlungen, man schied mit
vielen Verbeugungen am Portal unter großem Ge¬
schrei der Sperlinge in den zerbröckelten Säulenknäu¬
fen. Fortunaten war es, als hätt' er in aller Frühe
eine Menuett getanzt, im Garten aber sangen die
Vögel und rauschten die Bäume wieder, als sprächen
sie noch immer von den funkelnden Augen der schönen
Marchesin.


Sechszehntes Kapitel.

Die ersten Tage verstrichen Fortunaten wie im
Rausche, alles schimmerte vor seiner Seele, er mochte in
dem Glanze noch nichts deutlich unterscheiden. Der beste
Führer durch Rom und der Plan der Stadt lagen
auf dem Tische aufgeschlagen, jeden Morgen ging er
mit dem festen Vorsatze aus, seinen regelmäßigen,
auf dem Plane im Voraus roth punktirten Umlauf
zu beginnen, aber eine überraschende Aussicht zog ihn
an, ein Bänkelsänger, der einen Kreis von Lumpenge¬
sindel um sich versammelte, lenkte ihn von seinem
Wege ab und hielt ihn lange auf, oft folgte er durch

13

Waͤhrend dieſes Discourſes hatten ſie ſich wieder
bis an den Palaſt herangeſchlungen, man ſchied mit
vielen Verbeugungen am Portal unter großem Ge¬
ſchrei der Sperlinge in den zerbroͤckelten Saͤulenknaͤu¬
fen. Fortunaten war es, als haͤtt' er in aller Fruͤhe
eine Menuett getanzt, im Garten aber ſangen die
Voͤgel und rauſchten die Baͤume wieder, als ſpraͤchen
ſie noch immer von den funkelnden Augen der ſchoͤnen
Marcheſin.


Sechszehntes Kapitel.

Die erſten Tage verſtrichen Fortunaten wie im
Rauſche, alles ſchimmerte vor ſeiner Seele, er mochte in
dem Glanze noch nichts deutlich unterſcheiden. Der beſte
Fuͤhrer durch Rom und der Plan der Stadt lagen
auf dem Tiſche aufgeſchlagen, jeden Morgen ging er
mit dem feſten Vorſatze aus, ſeinen regelmaͤßigen,
auf dem Plane im Voraus roth punktirten Umlauf
zu beginnen, aber eine uͤberraſchende Ausſicht zog ihn
an, ein Baͤnkelſaͤnger, der einen Kreis von Lumpenge¬
ſindel um ſich verſammelte, lenkte ihn von ſeinem
Wege ab und hielt ihn lange auf, oft folgte er durch

13
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0200" n="193"/>
          <p>Wa&#x0364;hrend die&#x017F;es Discour&#x017F;es hatten &#x017F;ie &#x017F;ich wieder<lb/>
bis an den Pala&#x017F;t herange&#x017F;chlungen, man &#x017F;chied mit<lb/>
vielen Verbeugungen am Portal unter großem Ge¬<lb/>
&#x017F;chrei der Sperlinge in den zerbro&#x0364;ckelten Sa&#x0364;ulenkna&#x0364;<lb/>
fen. Fortunaten war es, als ha&#x0364;tt' er in aller Fru&#x0364;he<lb/>
eine Menuett getanzt, im Garten aber &#x017F;angen die<lb/>
Vo&#x0364;gel und rau&#x017F;chten die Ba&#x0364;ume wieder, als &#x017F;pra&#x0364;chen<lb/>
&#x017F;ie noch immer von den funkelnden Augen der &#x017F;cho&#x0364;nen<lb/>
Marche&#x017F;in.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#fr #g">Sechszehntes Kapitel.</hi><lb/>
          </head>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Die er&#x017F;ten Tage ver&#x017F;trichen Fortunaten wie im<lb/>
Rau&#x017F;che, alles &#x017F;chimmerte vor &#x017F;einer Seele, er mochte in<lb/>
dem Glanze noch nichts deutlich unter&#x017F;cheiden. Der be&#x017F;te<lb/>
Fu&#x0364;hrer durch Rom und der Plan der Stadt lagen<lb/>
auf dem Ti&#x017F;che aufge&#x017F;chlagen, jeden Morgen ging er<lb/>
mit dem fe&#x017F;ten Vor&#x017F;atze aus, &#x017F;einen regelma&#x0364;ßigen,<lb/>
auf dem Plane im Voraus roth punktirten Umlauf<lb/>
zu beginnen, aber eine u&#x0364;berra&#x017F;chende Aus&#x017F;icht zog ihn<lb/>
an, ein Ba&#x0364;nkel&#x017F;a&#x0364;nger, der einen Kreis von Lumpenge¬<lb/>
&#x017F;indel um &#x017F;ich ver&#x017F;ammelte, lenkte ihn von &#x017F;einem<lb/>
Wege ab und hielt ihn lange auf, oft folgte er durch<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">13<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[193/0200] Waͤhrend dieſes Discourſes hatten ſie ſich wieder bis an den Palaſt herangeſchlungen, man ſchied mit vielen Verbeugungen am Portal unter großem Ge¬ ſchrei der Sperlinge in den zerbroͤckelten Saͤulenknaͤu¬ fen. Fortunaten war es, als haͤtt' er in aller Fruͤhe eine Menuett getanzt, im Garten aber ſangen die Voͤgel und rauſchten die Baͤume wieder, als ſpraͤchen ſie noch immer von den funkelnden Augen der ſchoͤnen Marcheſin. Sechszehntes Kapitel. Die erſten Tage verſtrichen Fortunaten wie im Rauſche, alles ſchimmerte vor ſeiner Seele, er mochte in dem Glanze noch nichts deutlich unterſcheiden. Der beſte Fuͤhrer durch Rom und der Plan der Stadt lagen auf dem Tiſche aufgeſchlagen, jeden Morgen ging er mit dem feſten Vorſatze aus, ſeinen regelmaͤßigen, auf dem Plane im Voraus roth punktirten Umlauf zu beginnen, aber eine uͤberraſchende Ausſicht zog ihn an, ein Baͤnkelſaͤnger, der einen Kreis von Lumpenge¬ ſindel um ſich verſammelte, lenkte ihn von ſeinem Wege ab und hielt ihn lange auf, oft folgte er durch 13

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/200
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/200>, abgerufen am 21.11.2024.