Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

und wo es sich nicht vereinigt findet, wird schwerlich
etwas Gutes an den Tag kommen."


Goethe sprach viel über die Wahlverwandtschaften,
besonders daß jemand sich in der Person des Mittler
getroffen gefunden, den er früher im Leben nie gekannt
und gesehen. "Der Charakter, sagte er, muß also wohl
einige Wahrheit haben, und in der Welt mehr als Ein
Mal existiren. Es ist in den Wahlverwandtschaften
überall keine Zeile, die ich nicht selber erlebt hätte, und
es steckt darin mehr, als irgend jemand bey einmaligem
Lesen aufzunehmen im Stande wäre."


Ich fand Goethe umringt von Charten und Plänen
in Bezug auf den Bremer Hafenbau, für welches
großartige Unternehmen er ein besonderes Interesse zeigte.

Sodann viel über Merck gesprochen, von welchem
er mir eine poetische Epistel an Wieland vom Jahre
1776 vorlieset, in höchst geistreichen aber etwas derben
Knittelversen. Der sehr heitere Inhalt geht besonders
gegen Jacobi, den Wieland, in einer zu günstigen Re¬

und wo es ſich nicht vereinigt findet, wird ſchwerlich
etwas Gutes an den Tag kommen.“


Goethe ſprach viel uͤber die Wahlverwandtſchaften,
beſonders daß jemand ſich in der Perſon des Mittler
getroffen gefunden, den er fruͤher im Leben nie gekannt
und geſehen. „Der Charakter, ſagte er, muß alſo wohl
einige Wahrheit haben, und in der Welt mehr als Ein
Mal exiſtiren. Es iſt in den Wahlverwandtſchaften
uͤberall keine Zeile, die ich nicht ſelber erlebt haͤtte, und
es ſteckt darin mehr, als irgend jemand bey einmaligem
Leſen aufzunehmen im Stande waͤre.“


Ich fand Goethe umringt von Charten und Plaͤnen
in Bezug auf den Bremer Hafenbau, fuͤr welches
großartige Unternehmen er ein beſonderes Intereſſe zeigte.

Sodann viel uͤber Merck geſprochen, von welchem
er mir eine poetiſche Epiſtel an Wieland vom Jahre
1776 vorlieſet, in hoͤchſt geiſtreichen aber etwas derben
Knittelverſen. Der ſehr heitere Inhalt geht beſonders
gegen Jacobi, den Wieland, in einer zu guͤnſtigen Re¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="3">
        <div n="4">
          <p><pb facs="#f0070" n="60"/>
und wo es &#x017F;ich nicht vereinigt findet, wird &#x017F;chwerlich<lb/>
etwas Gutes an den Tag kommen.&#x201C;</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
        <div n="4">
          <dateline rendition="#right">Montag, den 9. Februar 1829.<lb/></dateline>
          <p>Goethe &#x017F;prach viel u&#x0364;ber die Wahlverwandt&#x017F;chaften,<lb/>
be&#x017F;onders daß jemand &#x017F;ich in der Per&#x017F;on des <hi rendition="#g">Mittler</hi><lb/>
getroffen gefunden, den er fru&#x0364;her im Leben nie gekannt<lb/>
und ge&#x017F;ehen. &#x201E;Der Charakter, &#x017F;agte er, muß al&#x017F;o wohl<lb/>
einige Wahrheit haben, und in der Welt mehr als Ein<lb/>
Mal exi&#x017F;tiren. Es i&#x017F;t in den Wahlverwandt&#x017F;chaften<lb/>
u&#x0364;berall keine Zeile, die ich nicht &#x017F;elber erlebt ha&#x0364;tte, und<lb/>
es &#x017F;teckt darin mehr, als irgend jemand bey einmaligem<lb/>
Le&#x017F;en aufzunehmen im Stande wa&#x0364;re.&#x201C;</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
        <div n="4">
          <dateline rendition="#right">Dien&#x017F;tag, den 10. Februar 1829.<lb/></dateline>
          <p>Ich fand Goethe umringt von Charten und Pla&#x0364;nen<lb/>
in Bezug auf den <hi rendition="#g">Bremer Hafenbau</hi>, fu&#x0364;r welches<lb/>
großartige Unternehmen er ein be&#x017F;onderes Intere&#x017F;&#x017F;e zeigte.</p><lb/>
          <p>Sodann viel u&#x0364;ber <hi rendition="#g">Merck</hi> ge&#x017F;prochen, von welchem<lb/>
er mir eine poeti&#x017F;che Epi&#x017F;tel an Wieland vom Jahre<lb/>
1776 vorlie&#x017F;et, in ho&#x0364;ch&#x017F;t gei&#x017F;treichen aber etwas derben<lb/>
Knittelver&#x017F;en. Der &#x017F;ehr heitere Inhalt geht be&#x017F;onders<lb/>
gegen Jacobi, den Wieland, in einer zu gu&#x0364;n&#x017F;tigen Re¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[60/0070] und wo es ſich nicht vereinigt findet, wird ſchwerlich etwas Gutes an den Tag kommen.“ Montag, den 9. Februar 1829. Goethe ſprach viel uͤber die Wahlverwandtſchaften, beſonders daß jemand ſich in der Perſon des Mittler getroffen gefunden, den er fruͤher im Leben nie gekannt und geſehen. „Der Charakter, ſagte er, muß alſo wohl einige Wahrheit haben, und in der Welt mehr als Ein Mal exiſtiren. Es iſt in den Wahlverwandtſchaften uͤberall keine Zeile, die ich nicht ſelber erlebt haͤtte, und es ſteckt darin mehr, als irgend jemand bey einmaligem Leſen aufzunehmen im Stande waͤre.“ Dienſtag, den 10. Februar 1829. Ich fand Goethe umringt von Charten und Plaͤnen in Bezug auf den Bremer Hafenbau, fuͤr welches großartige Unternehmen er ein beſonderes Intereſſe zeigte. Sodann viel uͤber Merck geſprochen, von welchem er mir eine poetiſche Epiſtel an Wieland vom Jahre 1776 vorlieſet, in hoͤchſt geiſtreichen aber etwas derben Knittelverſen. Der ſehr heitere Inhalt geht beſonders gegen Jacobi, den Wieland, in einer zu guͤnſtigen Re¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/70
Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/70>, abgerufen am 21.11.2024.