Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

tungsvoll, wenn Ihr an Gott glaubtet, so würdet Ihr
Euch nicht verwundern."

"Ihm ziemt's, die Welt im Innern zu bewegen,
Natur in Sich, Sich in Natur zu hegen,
So daß, was in Ihm lebt und webt und ist,
Nie Seine Kraft, nie Seinen Geist vermißt"

"Beseelte Gott den Vogel nicht mit diesem allmäch¬
tigen Trieb gegen seine Jungen, und ginge das Gleiche
nicht durch alles Lebendige der ganzen Natur, die Welt
würde nicht bestehen können! -- So aber ist die gött¬
liche Kraft überall verbreitet und die ewige Liebe überall
wirksam."

Eine ähnliche Äußerung that Goethe vor einiger
Zeit, als ihm von einem jungen Bildhauer das Modell
von Myrons Kuh mit dem säugenden Kalbe gesendet
wurde. "Hier, sagte er, haben wir einen Gegenstand
der höchsten Art; das, die Welt erhaltende, durch die
ganze Natur gehende, ernährende Princip ist uns hier
in einem schönen Gleichniß vor Augen; dieses und ähn¬
liche Bilder nenne ich die wahren Symbole der All¬
gegenwart Gottes."


Goethe zeigte mir heute den bisher noch fehlenden
Anfang des fünften Actes von Faust. Ich las bis zu

tungsvoll, wenn Ihr an Gott glaubtet, ſo wuͤrdet Ihr
Euch nicht verwundern.“

„Ihm ziemt's, die Welt im Innern zu bewegen,
Natur in Sich, Sich in Natur zu hegen,
So daß, was in Ihm lebt und webt und iſt,
Nie Seine Kraft, nie Seinen Geiſt vermißt“

„Beſeelte Gott den Vogel nicht mit dieſem allmaͤch¬
tigen Trieb gegen ſeine Jungen, und ginge das Gleiche
nicht durch alles Lebendige der ganzen Natur, die Welt
wuͤrde nicht beſtehen koͤnnen! — So aber iſt die goͤtt¬
liche Kraft uͤberall verbreitet und die ewige Liebe uͤberall
wirkſam.“

Eine aͤhnliche Äußerung that Goethe vor einiger
Zeit, als ihm von einem jungen Bildhauer das Modell
von Myrons Kuh mit dem ſaͤugenden Kalbe geſendet
wurde. „Hier, ſagte er, haben wir einen Gegenſtand
der hoͤchſten Art; das, die Welt erhaltende, durch die
ganze Natur gehende, ernaͤhrende Princip iſt uns hier
in einem ſchoͤnen Gleichniß vor Augen; dieſes und aͤhn¬
liche Bilder nenne ich die wahren Symbole der All¬
gegenwart Gottes.“


Goethe zeigte mir heute den bisher noch fehlenden
Anfang des fuͤnften Actes von Fauſt. Ich las bis zu

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="3">
        <div n="4">
          <p><pb facs="#f0358" n="348"/>
tungsvoll, wenn Ihr an Gott glaubtet, &#x017F;o wu&#x0364;rdet Ihr<lb/>
Euch nicht verwundern.&#x201C;</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>&#x201E;Ihm ziemt's, die Welt im Innern zu bewegen,</l><lb/>
            <l>Natur in Sich, Sich in Natur zu hegen,</l><lb/>
            <l>So daß, was in Ihm lebt und webt und i&#x017F;t,</l><lb/>
            <l>Nie Seine Kraft, nie Seinen Gei&#x017F;t vermißt&#x201C;</l><lb/>
          </lg>
          <p>&#x201E;Be&#x017F;eelte Gott den Vogel nicht mit die&#x017F;em allma&#x0364;ch¬<lb/>
tigen Trieb gegen &#x017F;eine Jungen, und ginge das Gleiche<lb/>
nicht durch alles Lebendige der ganzen Natur, die Welt<lb/>
wu&#x0364;rde nicht be&#x017F;tehen ko&#x0364;nnen! &#x2014; So aber i&#x017F;t die go&#x0364;tt¬<lb/>
liche Kraft u&#x0364;berall verbreitet und die ewige Liebe u&#x0364;berall<lb/>
wirk&#x017F;am.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Eine a&#x0364;hnliche Äußerung that Goethe vor einiger<lb/>
Zeit, als ihm von einem jungen Bildhauer das Modell<lb/>
von Myrons Kuh mit dem &#x017F;a&#x0364;ugenden Kalbe ge&#x017F;endet<lb/>
wurde. &#x201E;Hier, &#x017F;agte er, haben wir einen Gegen&#x017F;tand<lb/>
der ho&#x0364;ch&#x017F;ten Art; das, die Welt erhaltende, durch die<lb/>
ganze Natur gehende, erna&#x0364;hrende Princip i&#x017F;t uns hier<lb/>
in einem &#x017F;cho&#x0364;nen Gleichniß vor Augen; die&#x017F;es und a&#x0364;hn¬<lb/>
liche Bilder nenne ich die wahren Symbole der All¬<lb/>
gegenwart Gottes.&#x201C;</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
        <div n="4">
          <dateline rendition="#right">Montag den 6. Juny 1831.<lb/></dateline>
          <p>Goethe zeigte mir heute den bisher noch fehlenden<lb/>
Anfang des fu&#x0364;nften Actes von Fau&#x017F;t. Ich las bis zu<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[348/0358] tungsvoll, wenn Ihr an Gott glaubtet, ſo wuͤrdet Ihr Euch nicht verwundern.“ „Ihm ziemt's, die Welt im Innern zu bewegen, Natur in Sich, Sich in Natur zu hegen, So daß, was in Ihm lebt und webt und iſt, Nie Seine Kraft, nie Seinen Geiſt vermißt“ „Beſeelte Gott den Vogel nicht mit dieſem allmaͤch¬ tigen Trieb gegen ſeine Jungen, und ginge das Gleiche nicht durch alles Lebendige der ganzen Natur, die Welt wuͤrde nicht beſtehen koͤnnen! — So aber iſt die goͤtt¬ liche Kraft uͤberall verbreitet und die ewige Liebe uͤberall wirkſam.“ Eine aͤhnliche Äußerung that Goethe vor einiger Zeit, als ihm von einem jungen Bildhauer das Modell von Myrons Kuh mit dem ſaͤugenden Kalbe geſendet wurde. „Hier, ſagte er, haben wir einen Gegenſtand der hoͤchſten Art; das, die Welt erhaltende, durch die ganze Natur gehende, ernaͤhrende Princip iſt uns hier in einem ſchoͤnen Gleichniß vor Augen; dieſes und aͤhn¬ liche Bilder nenne ich die wahren Symbole der All¬ gegenwart Gottes.“ Montag den 6. Juny 1831. Goethe zeigte mir heute den bisher noch fehlenden Anfang des fuͤnften Actes von Fauſt. Ich las bis zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/358
Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/358>, abgerufen am 03.12.2024.