es der Klugheit des Spielenden überlassen bleibt, nun auch die Steine im Bret geschickt zu setzen."
Ich verehrte dieses gute Wort und nahm es als eine treffliche Lehre an mein Herz, um danach zu handeln.
Sonntag, den 20. März 1831.
Goethe erzählte mir bey Tisch, daß er in diesen Ta¬ gen Daphnis und Chloe gelesen.
"Das Gedicht ist so schön, sagte er, daß man den Eindruck davon, bey den schlechten Zuständen in denen man lebt, nicht in sich behalten kann, und daß man immer von neuem erstaunt, wenn man es wieder lies't. Es ist darin der helleste Tag, und man glaubt lauter herculanische Bilder zu sehen, so wie auch diese Gemälde auf das Buch zurückwirken und unserer Phantasie beym Lesen zu Hülfe kommen."
Mir hat, sagte ich, eine gewisse Abgeschlossenheit sehr wohl gethan, worin alles gehalten ist. Es kommt kaum eine fremde Anspielung vor, die uns aus dem glücklichen Kreise herausführte. Von Gottheiten sind bloß Pan und die Nymphen wirksam, eine andere wird kaum genannt, und man sieht auch, daß das Bedürfniß der Hirten an diesen Gottheiten genug hat.
"Und doch, bey aller mäßigen Abgeschlossenheit, sagte
es der Klugheit des Spielenden uͤberlaſſen bleibt, nun auch die Steine im Bret geſchickt zu ſetzen.“
Ich verehrte dieſes gute Wort und nahm es als eine treffliche Lehre an mein Herz, um danach zu handeln.
Sonntag, den 20. Maͤrz 1831.
Goethe erzaͤhlte mir bey Tiſch, daß er in dieſen Ta¬ gen Daphnis und Chloe geleſen.
„Das Gedicht iſt ſo ſchoͤn, ſagte er, daß man den Eindruck davon, bey den ſchlechten Zuſtaͤnden in denen man lebt, nicht in ſich behalten kann, und daß man immer von neuem erſtaunt, wenn man es wieder lieſ't. Es iſt darin der helleſte Tag, und man glaubt lauter herculaniſche Bilder zu ſehen, ſo wie auch dieſe Gemaͤlde auf das Buch zuruͤckwirken und unſerer Phantaſie beym Leſen zu Huͤlfe kommen.“
Mir hat, ſagte ich, eine gewiſſe Abgeſchloſſenheit ſehr wohl gethan, worin alles gehalten iſt. Es kommt kaum eine fremde Anſpielung vor, die uns aus dem gluͤcklichen Kreiſe herausfuͤhrte. Von Gottheiten ſind bloß Pan und die Nymphen wirkſam, eine andere wird kaum genannt, und man ſieht auch, daß das Beduͤrfniß der Hirten an dieſen Gottheiten genug hat.
„Und doch, bey aller maͤßigen Abgeſchloſſenheit, ſagte
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es der Klugheit des Spielenden uͤberlaſſen bleibt, nun
auch die Steine im Bret geſchickt zu ſetzen.“
Ich verehrte dieſes gute Wort und nahm es als eine
treffliche Lehre an mein Herz, um danach zu handeln.
Sonntag, den 20. Maͤrz 1831.
Goethe erzaͤhlte mir bey Tiſch, daß er in dieſen Ta¬
gen Daphnis und Chloe geleſen.
„Das Gedicht iſt ſo ſchoͤn, ſagte er, daß man den
Eindruck davon, bey den ſchlechten Zuſtaͤnden in denen
man lebt, nicht in ſich behalten kann, und daß man
immer von neuem erſtaunt, wenn man es wieder lieſ't.
Es iſt darin der helleſte Tag, und man glaubt lauter
herculaniſche Bilder zu ſehen, ſo wie auch dieſe Gemaͤlde
auf das Buch zuruͤckwirken und unſerer Phantaſie beym
Leſen zu Huͤlfe kommen.“
Mir hat, ſagte ich, eine gewiſſe Abgeſchloſſenheit
ſehr wohl gethan, worin alles gehalten iſt. Es kommt
kaum eine fremde Anſpielung vor, die uns aus dem
gluͤcklichen Kreiſe herausfuͤhrte. Von Gottheiten ſind
bloß Pan und die Nymphen wirkſam, eine andere wird
kaum genannt, und man ſieht auch, daß das Beduͤrfniß
der Hirten an dieſen Gottheiten genug hat.
„Und doch, bey aller maͤßigen Abgeſchloſſenheit, ſagte
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/328>, abgerufen am 22.02.2025.
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