Mit Goethe zu Tisch in mannigfaltigen Gesprächen. "Bey Walter Scott, sagte er, ist es eigen, daß eben sein großes Verdienst in Darstellung des Details ihn oft zu Fehlern verleitet. So kommt im Ivanhoe eine Scene vor, wo man Nachts in der Halle eines Schlosses zu Tische sitzt, und ein Fremder hereintritt. Nun ist es zwar recht, daß er den Fremden von oben herab beschrieben hat, wie er aussieht und wie er geklei¬ det ist, allein es ist ein Fehler, daß er auch seine Füße, seine Schuhe und Strümpfe beschreibt. Wenn man Abends am Tische sitzt und jemand hereintritt, so sieht man nur seinen obern Körper. Beschreibe ich aber die Füße, so tritt sogleich das Licht des Tages herein, und die Scene verliert ihren nächtlichen Character."
Ich fühlte das Überzeugende solcher Worte, und merkte sie mir für künftige Fälle.
Goethe fuhr sodann fort, mit großer Bewunderung über Walter Scott zu reden. Ich ersuchte ihn seine Ansichten zu Papiere zu bringen, welches er jedoch mit dem Bemerken ablehnte, daß die Kunst in jenem Schrift¬ steller so hoch stehe, daß es schwer sey, sich darüber öffentlich mitzutheilen.
Freytag, den 11. Maͤrz 1831.
Mit Goethe zu Tiſch in mannigfaltigen Geſpraͤchen. „Bey Walter Scott, ſagte er, iſt es eigen, daß eben ſein großes Verdienſt in Darſtellung des Details ihn oft zu Fehlern verleitet. So kommt im Ivanhoe eine Scene vor, wo man Nachts in der Halle eines Schloſſes zu Tiſche ſitzt, und ein Fremder hereintritt. Nun iſt es zwar recht, daß er den Fremden von oben herab beſchrieben hat, wie er ausſieht und wie er geklei¬ det iſt, allein es iſt ein Fehler, daß er auch ſeine Fuͤße, ſeine Schuhe und Struͤmpfe beſchreibt. Wenn man Abends am Tiſche ſitzt und jemand hereintritt, ſo ſieht man nur ſeinen obern Koͤrper. Beſchreibe ich aber die Fuͤße, ſo tritt ſogleich das Licht des Tages herein, und die Scene verliert ihren naͤchtlichen Character.“
Ich fuͤhlte das Überzeugende ſolcher Worte, und merkte ſie mir fuͤr kuͤnftige Faͤlle.
Goethe fuhr ſodann fort, mit großer Bewunderung uͤber Walter Scott zu reden. Ich erſuchte ihn ſeine Anſichten zu Papiere zu bringen, welches er jedoch mit dem Bemerken ablehnte, daß die Kunſt in jenem Schrift¬ ſteller ſo hoch ſtehe, daß es ſchwer ſey, ſich daruͤber oͤffentlich mitzutheilen.
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Freytag, den 11. Maͤrz 1831.
Mit Goethe zu Tiſch in mannigfaltigen Geſpraͤchen.
„Bey Walter Scott, ſagte er, iſt es eigen, daß
eben ſein großes Verdienſt in Darſtellung des Details
ihn oft zu Fehlern verleitet. So kommt im Ivanhoe
eine Scene vor, wo man Nachts in der Halle eines
Schloſſes zu Tiſche ſitzt, und ein Fremder hereintritt.
Nun iſt es zwar recht, daß er den Fremden von oben
herab beſchrieben hat, wie er ausſieht und wie er geklei¬
det iſt, allein es iſt ein Fehler, daß er auch ſeine Fuͤße,
ſeine Schuhe und Struͤmpfe beſchreibt. Wenn man
Abends am Tiſche ſitzt und jemand hereintritt, ſo ſieht
man nur ſeinen obern Koͤrper. Beſchreibe ich aber die
Fuͤße, ſo tritt ſogleich das Licht des Tages herein, und
die Scene verliert ihren naͤchtlichen Character.“
Ich fuͤhlte das Überzeugende ſolcher Worte, und
merkte ſie mir fuͤr kuͤnftige Faͤlle.
Goethe fuhr ſodann fort, mit großer Bewunderung
uͤber Walter Scott zu reden. Ich erſuchte ihn ſeine
Anſichten zu Papiere zu bringen, welches er jedoch mit
dem Bemerken ablehnte, daß die Kunſt in jenem Schrift¬
ſteller ſo hoch ſtehe, daß es ſchwer ſey, ſich daruͤber
oͤffentlich mitzutheilen.
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/318>, abgerufen am 21.11.2024.
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